Ich bin mir ja doch ziemlich sicher, dass es Liebe war. Anfangs zweifelte ich das an, doch es tat so weh, als ich ihn einmal zwei Monate nicht sah. Das war Folter. Reine Folter. Ich sah immer sein Gesicht vor mir, versuchte mich an das Gefühl des Kusses wieder zu erinnern...
Es ging eigentlich alles an einem bestimmten Tag los. Ich war in der vierten Klasse, es war der Tag vor den Semesterferien und die Unterstufenklassen gingen in ein "Programmkino, das nicht die ganze Mainstream-Scheiße zeigt" - so die bevorzugte Formulierung der Lehrer. Das heißt also, dass wir uns eine Dokumentation ansahen. Okay, ich Streber gebe zu: Mir hat der Film gefallen, doch der Film an sich hat mich jetzt nicht soo fasziniert, sondern diese eine Person, die mir einfach auffiel: Er.
Ich kannte ihn eigentlich schon vorher, bin sogar ein Jahr zuvor in einem Freifach mit ihm zusammen gewesen. Damals war ich noch in jenen Idioten verknallt. Wie auch immer, er, der Kinojunge, hm, nennen wir ihn Blue, hatte eine große äußerliche Veränderung vorgenommen. Zumindest kam mir die Veränderung schon riesig vor: Vorher hatte er öfter bunte Kleidung getragen und rote Haare gehabt. Hatte ein süßes, offenes Lächeln, aber nun ja, da hat er mich nicht wirklich interessiert. Und dann sah ich ihn da wieder, konnte meinen Augen nicht trauen: Schwarze, wuschelige Haare, schwarze Klamotten und eine blaue Mütze, die er auch heute noch im Winter jeden Tag trägt. Jetzt wisst ihr, warum ich ihn Blue nenne. Naja, okay zuerst nannten meine Freundinnen ihn "Schlumpf" und das wurde dann zu Blue. Ehrlich gesagt sträubte ich mich gegen dieses Interesse an ihm. Ich hatte gerade erst eine Schwärmerei überwunden, da wollte ich so etwas Hoffnungsloses nicht noch einmal.
Trotzdem machte ich mich in den Ferien schlau: Ist er vielleicht auf Facebook? Soll ich ihm eine Freundschaftsanfrage senden? Ist er ein Emo? Was ist das eigentlich genau? Ich informierte mich über die Musik, die er vielleicht hörte, alles Mögliche. Aber ich war immer noch nicht an dem Punkt, an dem ich mir eingestand, dass ich irgendwelche Gefühle für ihn habe. "Ist doch nur reines Interesse", sagte ich mir.
Nach den Ferien checkten es dann meine Freundinnen nach und nach. Das war auch nicht wirklich schwierig, weil ich vielleicht ein kleines bisschen zu oft von ihm redete. Ich verstehe mein damaliges Ich eigentlich gar nicht mehr. Warum war er so anziehend für mich? Er hat mich nie bemerkt oder angesprochen, auch wenn ich öfter in seiner Nähe war.
Vielleicht war ich auch unauffälliger als ich dachte. Wenn es draußen warm war, schaute ich ihm beim Sport zu. Ich versuchte einfach in seiner Nähe zu sein.
Ich ging mit meinen Freundinnen viel im Schulhaus herum, in der Hoffnung auf irgendwas. Es war langweilig und doch aufregend. Ohne dass ich es wirklich merkte, bedeutete mir dieser Junge mehr und mehr. Früher konnte ich bei Liebesfilmen nicht weinen. Naja, nach dieser Geschichte schon.
Das letzte Jahr in der Unterstufe. Die Lehrer redeten noch nicht dauernd von der Matura, wir machten unser Ding.
Der Sommer kam. Im Juni hatte ich keine Brille mehr und färbte mir die bis dahin braunen langweiligen Haare schwarz. Das war ziemlich spontan gewesen. Ich hatte mich im Spiegel betrachtet, hatte alles irgendwie schwarz gesehen und wollte meine Haare wohl einfach anpassen. Das Bad war danach voller Flecken und mein Gesicht teilweise auch, aber ich verspürte eine gewisse Genugtuung. Gut, dass ich heute besser im Färben bin, sonst würde meine Mutter nämlich ausflippen...
Ich war 14 , wenn ich so zurückblicke, fing ich da das erste Mal an, so grüblerisch zu sein. Musik wurde wichtiger, meine Gedanken wohl tiefer oder auch nicht. Mein Selbstbewusstsein ist definitiv angekratzt, aber das wissen die wenigsten. In solchen Dingen schauspielere ich gut. Doch das kam erst später.
Dieses Jahr, in dem ich 14 war, war auf seine Art und Weise wunderschön. Mein 14. Geburtstag war einfach nur geil und naja diese Liebesgeschichte... Ich dachte daraus wird bestimmt nichts Ernstes, auch wenn ich davon träumte.
Bis ich schließlich auf Umwegen seine Nummer bekam.
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Blue
Teen FictionLiebe - wie sie alles verändert. Man vergisst nie den Menschen, der einem gezeigt hat, was Liebe ist. Sie verändert alles. Liebe ist blau.