Mein weißer Raum

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Der weiße Raum, in dem ich erwachte, blendete mich derartig, dass ich die Augen sofort wieder fest zukniff, bevor ich sie überhaupt vollkommen geöffnet hatte.

Um mich herum erklangen Stimmen. Unterschiedliche Stimmen. Männlich oder weiblich, jung oder alt. Einige lachten, andere weinten; manch einer zischte sogar entnervt. Doch sie alle hatten eines gemeinsam:

Sie redeten über mich.

Als ich es nach Sekunden oder Ewigkeiten geschafft hatte, mich aufzurappeln, und an dieses sterile Leuchten zu gewöhnen, spürte ich deren Blicke auf mir. Einige bereits hassverzehrt, andere Frühzeitig von Verehrung gezeichnet. Sie betrachteten mich so eingehend, dass ich mich wie ein Insekt unter einer Lupe fühlte. Wie ein ekelhaftes Insekt unter einer Lupe, dass sie gerne tot sehen würden.

Ich begrüßte diese Leute mit Argwohn, und sie taten mir gleich. Obwohl ich ihnen gerne einige Fragen gestellt hätte, hielt ich meinen Mund zu Beginn fest verschlossen.

Suspekt. Das ist wohl das beste Wort, um die anderen zu beschreiben.

Aber da gab es jemanden, der uns als Einheit hier eingesperrt hatte. Jemand, der keinen von uns von dem daneben unterschied.Woher ich das wissen wollte?

Simpel:

Wir alle trugen die selbe Kleidung. Weiße Hose, weißes Hemd, weiße Socken, weiße Schuhe. Doch als Personen an sich konnten wir nicht unterschiedlicher sein, das wusste ich schon, seit ich sie zum ersten mal gesehen hatte.

Es gab eine einzelne Toilettenkabine, die in einer der Ecken stand. Unsere Klamotten wollten partout nicht dreckig werden, also wechselten wir sie auch nie. Uns wurde regelmäßig Essen gebracht, oder wohl eher zugeschoben. Ich bemerke nie, dass die Tür geöffnet wurde, egal wie sehr ich mich darauf konzentrierte. Es erschien einfach aus dem Nichts - und ich weiß wie das alles klingt.

Aber ich bin nicht verrückt, und im Moment vollkommen bei mir.

Ich fragte irgendwann nach Minuten, Stunden oder Tagen, wo wir seien. "In der Hölle.", erwiderte ein Mann, der später von der freundlichen Frau neben ihm als Cameron vorgestellt wurde. "Mein Brummbär meint es nicht so. Der ist nur schon ziemlich lange hier."Sie hieß Emily, und schalt ihn dafür, dass er mir so kurz nach meiner Ankunft schon Angst einjagte.

Sie war es auch, die mich fragte, ob ich wirklich alles vergessen hatte. Seltsame Frage.

Aber bitte, ich sitze hier in einem vollkommen farblosem Raum ohne Fenster und mit nur einer Tür, und ich erinnerte mich an gar nichts.

Mein Nicken verwandelte ihr allgegenwärtiges Grinsen in ein trauriges Lächeln.

Doch dann tat sie so, als ob nichts wäre, und fragte gespielt fröhlich wann denn das Essen wieder erscheinen würde, da sie Hunger hatte. Belustigender Weise tauchte unsere Ration beinahe sofort in der Mitte des Raumes auf, woraufhin wir uns alle zum Mahl versammelten.Sie war unglaublich gutgläubig, und brachte mich immer zum Lachen, obwohl sie wahrscheinlich etwas... dumm war.

Ihr Sohn James dagegen war ein ungewöhnlich cleverer Zeitgenosse. Er war nicht älter als 18, und brabbelte andaurend irgendwelche Formen vor sich hin, die keiner von uns verstehen konnte, und fuhr sich regelmäßig durch die kurzen Haare, als ob das seinen Denkvorgang verschnellern könnte. Er beachtete keinen, abgesehen von mir. Wir unterhielten uns oft über die menschliche Psyche.

Das war wohl das einzige Thema, welches ihm nicht ganz geheuer war.Diese kleine Familie war wirklich nett, und ich vertraute ihnen nach einer Weile.

Doch das kleine Mädchen, welches mir mit einem schüchternem Lächeln ihren Teddy vorstellte, schloss ich sofort ins Herz. Sie hatte unschuldige, große Augen, und ihre Zöpfe hüpften leicht, egal was sie tat. Es tat mir Leid, dass sie auch hier feststeckte, doch sie schien das nicht zu eng zu sehen. Anscheinend hatte sie niemanden, der sich um sie sorgen könnte.

German CreepypastasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt