Elenas Freundschaft Teil 2 von 2

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Die Vernissage ist sehr gut besucht. Dieser Junge muss doch besser sein, als ich denke. Viele Zeitungs- und Fernsehteams sind anwesend und buhlen um die Aufmerksamkeit des Künstlers. José steht am Ende des überdachten Eingangs und begrüßt alle Gäste persönlich. Als er mich entdeckt, verdunkelt sich sein Blick und sein Lächeln gefriert. Seiner Körperhaltung ist deutlich anzusehen, dass ich hier nicht willkommen bin. Ohne ihn anzusprechen gehe ich grüßend vorbei und mische mich unter die interessierten Besucher. Einige Minuten später betritt auch Elena die Galerie.

Interesse vorgaukelnd gehe ich durch die einzelnen Räume der Galerie und betrachte die unzähligen Bilder. Einige Naturaufnahmen sind wirklich spektakulär und würden hervorragend in mein Bürogebäude oder auch ins Escala passen. Ein gutes Händchen für den gewissen Blick, muss ich José doch zugestehen. Ich habe ihn unterschätzt, was mir nicht sehr oft passiert.

Eine Ansammlung von Besuchern im hinteren Teil der Galerie zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Vorsichtig bewege ich mich in diese Richtung. Ich möchte nicht auffallen, denn vor dieser Traube steht José und scheint den Besuchern etwas zu erklären. Dabei deutet er immer wieder hinter sich. Noch kann ich nicht erkennen um was für Aufnahmen es sich handelt, aber die vielen „Oh's" und „Ah's" machen mich neugierig.

In dem abgetrennten Bereich hinter José hängen drei Bilder. Nur die Rahmen blitzen über den Köpfen der Besucher hervor. Die Motive kann ich allerdings nicht erkennen, da einfach zu viele Körper die Sicht verdecken. Schon im Begriff zu gehen, denn ich will mich nicht an den Menschen vorbei drängeln, nur um ein paar Fotos zu betrachten, erwische ich einen ganz kurzen Blick auf etwas, dass mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Augen so tief, wie das Meer und so klar wie die See, blicken mich für einen Bruchteil einer Sekunde an, dann sind sie wieder von den Körpern verdeckt. Aber ich muss nicht mehr sehen, um zu wissen, wem diese Augen gehören - ANA!

Ich spüre, wie mir die Wut langsam den Nacken hochsteigt. Die zu Fäusten geballten Hände versenke ich tief in meinen Hosentaschen, bevor sich meine Hände in blankem Zorn um Josés Hals schließen können. Dieser Mensch hat wirklich die Frechheit besessen, Bilder meiner Ana hier zu präsentieren. Am liebsten würde ich ihn in Stücke reißen. Es ist fasst nicht auszuhalten, wie die Gaffer Ana betrachten und wilde Spekulationen darüber anstellen, um wen es sich bei diesem Mädchen handeln könnte. José hat keine Frage zu Anas Identität beantwortet, was die Spekulationen natürlich noch weiter anheizen. Schnaubend wende ich mich ab und warte in einer dunklen Ecke, dass die Besucherzahl abnimmt. Ab und zu erwische ich einen Blick auf Elena, die sich angeregt mit verschiedenen Gästen unterhält. Mich beachtet sie den ganzen Abend nicht.

***

Elenas Sicht:

Dieser José hat wirklich Talent. Das muss man ihm lassen. Ich bin wirklich sehr an seinen Bildern interessiert und diskutierte mit vielen seiner Gäste über die Motive und Lichteinstellungen der einzelnen Aufnahmen. Die begehrlichen Blicke, die mir José während dessen zuwirft entgehen mir nicht. Schließlich habe ich extra für ihn dieses hautenge schwarze Spitzenkleid angezogen. Wer ein visueller Typ ist wie er, wird eine kurvige Frau wie mich nicht übersehen können. Und das tut er auch nicht. Immer wieder kreuzt er meinen Weg, um mich abzupassen, aber ich weiche ihm aus, was sein Interesse noch mehr anzustacheln scheint.

Zu später Stunde erscheint auf einmal Kate Kananagh, Anas beste Freundin. Na was für ein Zufall. Sie sieht abgehetzt und wütend aus. Auch ihre Aufmachung, passt nur gar nicht zu diesem Event. Ich erinnere mich, dass Kate an Elliots Seite sonst immer sehr adrett gekleidet ist, aber heute scheint sie nicht bei sich zu sein. So verschwitzt wie sie da im Eingangsbereich steht und den Blick suchend schweifen lässt, muss sie direkt aus einem Fitnessstudio hier her gekommen sein. Und dafür muss es einen triftigen Grund geben. Als sie endlich José erblickt, stapft sie zu ihm hinüber, schiebt eine Hand in seine Armbeuge und bugsiert ihn in eine Abstellkammer.

Shades of grey - Bittersüße EinsamkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt