Ana - Freud und Leid sind untrennbar - Teil 2 von 2

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...und hier wie versprochen der 2. Teil.

Viel Spaß

***

Eilig werde ich durch die Gänge, bis zum Kreissaal geschoben. Dort erwarten mich schon mehrere grün gekleidete Ärzte, die gerade dabei sind sich Gummihandschuhe und Mundschutz überzustreifen. Vorsichtig werde ich auf den Operationstisch gehoben, festgeschnallt und verkabelt.  Ich habe so starke Schmerzen, dass ich mir die Zunge blutig beiße, als die nächste Welle mich überrollt. Ich wimmere nur noch und krümme mich bei jedem Schmerzkrampf.

Die ganze Zeit ist Jane bei mir. Sie hält meine Hand, wischt mir den Schweiß von der Stirn und murmelt mir beruhigende Worte zu, die ich aber nicht verstehen kann, weil das Blut in meinen Ohren rauscht. Ich habe solche Angst und fühle mich so allein. Das erste Mal seit langer Zeit wünsche ich, Christian wäre bei mir und hält meine Hand.  

Die Ärzte haben mir gleich zu Beginn der Schwangerschaft mitgeteilt, dass mein Baby per Kaiserschnitt das Licht der Welt erblicken wird. Damit habe ich mich abgefunden, da ich ja nur partiell betäubt werde und die Geburt auch so mit verfolgen kann. Nun ist die Situation eine andere. Ich werde unter Vollnarkose gesetzt, damit die Ärzte schneller an das Baby kommen.

Halb benommen bekomme ich mit, wie mir die Maske aufgesetzt wird und ein Gas in meine Lungen strömt. Dann dämmere ich langsam weg. Das Letzte was ich sehe ist Jane, die weinend neben mir sitzt, mir tief in die Augen blickt und mit dem Mund die Worte formt „Ich verspreche es dir.“ Ich lächle sie an und eine einsame Träne läuft langsam meine Wange herunter.

Mir ist schlecht als ich aus der Narkose erwache. Jane sitzt neben meinem Bett und streichelt meinen Arm. Sie beobachtet mich mit diesem Ärzteblick und reicht mir schnell eine Nierenschale, als ich mich übergeben muss. Mein ganzer Körper brennt, aber da ist auch eine schreckliche Leere in mir. Die Übelkeit ist nach einigen Minuten erträglich. Ich drehe meinen Kopf in alle Richtungen, aber nirgends kann ich ein Kinderbettchen entdecken. Überall stehen Maschinen herum und ständig piept eine davon, aber mein Baby kann ich nirgends finden. Mein Blick sucht hilfesuchend den von Jane. Meine Sicht verschwimmt, als mir bewusst wird, dass mein Baby es nicht geschafft hat.

„Ana, es ist alles gut. Nicht weinen. Deinem Baby geht es gut. Er ist nur sehr schwach, da er einige Wochen zu früh gekommen ist. Ana, du hast einem wunderschönen kleinen Jungen das Leben geschenkt. Ich bin so stolz auf dich.“ Janes Stimme bebt vor Ergriffenheit. „Du musst dich noch ein wenig ausruhen. Du hast eine Menge Blut verloren. Sobald du dich ein bisschen erholt hast, fahre ich dich in die Kinderklinik.“

Ich schlage mir die Hände vor den Mund und fange erleichtet an zu Schluchzen. Ich kann es nicht glauben und schüttle ungläubig den Kopf. Mein Baby lebt und es geht ihm gut. Es ist ein Junge, ein Junge! Ich habe es mir vor der Geburt nicht sagen lassen. Es sollte eine Überraschung für mich sein. Ein Junge, jubel ich innerlich. Ich grinse dümmlich und schluchze gleichzeitig ungehemmt. Jane hält mich die ganze Zeit im Arm. Als ich mich endlich ein wenig beruhigt habe, setzt sie sich wieder auf den Stuhl neben meinem Bett. Auch sie hat Tränen in den Augen. Gemeinsam fangen wir an zu Kichern. Mein Bauch tut unheimlich weh, aber ich kann nicht anders. Im Moment ist mir jeder Schmerz willkommen, Hauptsache mein Baby ist gesund.

„Wir haben es geschafft oder?“, frage ich sie und fange wieder an zu Kichern. Gleichzeitig laufen mir Tränen meine Wange herunter. Die endlosen Emotionen, die in diesem Moment auf mich einstürmen, sind übermächtig. Ich kann mich ihnen nur hingeben und sie willkommen heißen.

„Ja wir haben es geschafft. Du hast es geschafft. So wie du in den letzten Wochen gekämpft hast, weiß ich, dass ich mir um Eure Zukunft keine Sorgen machen muss.“, sagt Jane und sieht mich stolz an. „Wir haben noch etwas vergessen, Ana. Das Wichtigste eigentlich.“ Verständnislos schaue ich Jane an. „Was denn?“, frage ich verdutzt.

Shades of grey - Bittersüße EinsamkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt