Lukas:
Mit einem gemischten Gefühl folgte ich am nächsten Morgen meinen Mannschaftskollegen zum Frühstück in unserem Hotel, in welchem wir für die Nacht untergekommen waren. Bevor es in den Frühstücksraum ging machten wir einen Abstecher zu unserem Bus, der bereits vor der Tür auf uns wartete und luden bereits unser Gepäck ein. Neun Stunden Busfahrt mindestens lagen vor uns. Juhu! Alle wussten noch nicht so richtig, ob sie sich über den Punktgewinn in Flensburg freuen sollten oder ob die Enttäuschung über den Punktverlust größer war, schließlich wusste wir alle, dass mehr dringewesen wäre und wir uns eigentlich für die überragende erste Halbzeit mit zwei Punkten hätte belohnen sollen. Als ich den Frühstücksraum betrat, steckten einige meiner Mannschaftskollegen die Köpfe auffällig zusammen und tuschelten immer wieder etwas verdächtiges, während sie immer wieder in meine Richtung schauten. Ich ignorierte ihr Verhalten einfach mal und holte mir eine große Portion Müsli mit frischen Früchten und setzte mich dann wortlos zu ihnen an den Tisch. Während Martin Schwalb eine kurze Ansprache hielt, dass wir uns nach dem Essen sofort auf den Weg machen würden und uns nahelegte nochmal aufs Klo zu gehen, schließlich wollen wir so weit wie möglich Richtung Süden ohne Pause vorerst fahren. Alle warfen unserem Appelgren schmunzelnde Blicke zu, der es immer wieder schaffte, bereits zehn Minuten nach Abfahrt sich darüber zu beklagen, dass er aufs Klo muss, weil er vor lauter Rumwitzeln vergisst rechtzeitig aufs Klo zu gehen, bevor wir abfahren. "Ja ja", antwortete dieser genervt, woraufhin alle lachten.
Während dem Essen warf ich immer wieder verwirrte Blicke zu Jerry, Albin, Kohli, Uwe und Niclas rüber, die weiterhin so seltsam tuschelten und immer wieder zu mir schauten. "Ist was?", fragte ich sie schließlich genervt, weil mich dieses Verhalten irgendwie nervte. "Komm Jerry wir sollten es ihm sagen", flüsterte Uwe seinem Positionskollegen zu. "Was wollt ihr mir sagen?", fragte ich sofort, bevor sie weiterhin auf die Idee kamen mir irgendwas zu verschweigen. Ich spürte wie mein Herz nervös zu schlagen begann, weil sie sich so ernste Blicke zu warfen. Ich brauchte nicht zu wissen, um zu erahnen um wen es geht: "Was ist mit Disse? Sagt mir sofort was ihr wisst", schrie ich durch den Frühstückssaal, in welchem noch zwei ältere Ehepärchen außer uns saßen, die mir ähnlich wie unsere Trainer und Betreuer am Nebentisch seltsame Blicke zu warfen. "Sag du es ihm", schob Albin die Verantwortung auf Jerry ab, was mir noch mehr Angst machte. Was war bitte so schlimm, dass sie mir es nicht mitteilen wollten, was mit ihm war. Hatte er sich verletzt? Hatte er vielleicht sogar noch schlimmer einen Unfall? In meinem Kopf malte ich mir tausend Horrorszenarien zusammen, während Jerry irgendwas auf seinem Handy raussuchte, bevor er sich in gefühlter Zeitlupe einmal um den Tisch auf mich zu bewegte und sich neben mir auf den freien Stuhl setzte. "Bitte raste aber nicht aus", warnte er mich vor, bevor er mir eine Meldung auf Facebook zeigte von Handballtransfers: "Christian Dissinger zu Dinamo Bukarest? Mazedonischen und Rumänischen Medien zufolge gab es in den letzten Wochen zwischen den beiden Vereinen einige Gespräche zu der Personalie Christian Dissinger. Anschließend scheint der rumänische Club an dem deutschen Rückraumspieler Interesse zu haben. Zudem soll Christian Dissinger angeblich gestern seinen Vertrag beim nordmazedonischen Topclub Vadar Skopje aufgelöst haben. Sehen wir also bald den ehemaligen Nationalspieler in Bukarest auflaufen? " Ich spürte wie meine Brust wie verrückt zu Beben begann, während ich fassungslos immer wieder auf das Display schaute und mir die Meldung gefühlt tausend mal durchlas, während die Wut in mir nur so zum Hochkochen kam. Wieso hatte er mir nie was von diesem Vorhaben erzählt? Vertraute er mir etwas nicht mehr? Wieso zur Hölle Rumänien? Was wollte er da? Was von dieser Meldung entsprach der Wahrheit? Hielt er es nicht für notwendig eine deratige Entscheidung mit seinem Ehemann zu besprechen? Wann wollte er mir davon erzählen? Wenn er dort im Trikot aufläuft? Ich hatte zwar gewusst, dass er von denen ein Angebot bekommen hatte und sich dieses Mal anhören wollte. Aber ich hätte damit gerechnet, dass er mir sagen würde, wenn er tatsächlich vor hatte dorthin zu wechseln. Da er seither nie wieder ein Wort darüber verloren hatte, hatte ich damit gerechnet, dass dies für ihn keine Option mehr war. In mir begann die Wut nur zu brodeln, während ich vermutlich kreidebleich wurde, so besorgt wie mich alle anderen beteiligten am Tisch anschauten. "Da sind auch viele Fragezeichen in der Meldung! Am besten du fragst ihn in Ruhe wenn wir wieder in Mannheim sind", schlug Uwe vor. Doch ich wollte nicht länger warten: Ich wollte Antworten! Ich sprang wortlos auf und verließ unter Tränen der Frühstücksraum. Während ich den Hoteleingang ansteuerte, kramte ich mein Handy aus der Tasche und öffnete unseren WhatsApp Chat. Beinahe wäre ich gegen die Glastür gerannt, schaffte es aber noch geradeso dieser rechtzeitig zu öffnen. Draußen prasselte mir ein eiskalter Regen mit widerlichem Wind entgegen. Typisch norddeutsches Wetter eben!