Teil 8: Feder

423 45 14
                                    

- Akaashi Keiji -

Mein Kopf schmerzte, meine Augen pochten.
Der vierte Brief ließ mich immer wieder zittern. Jeder Gedanke daran, dass mir erst jetzt bewusst wurde, dass Bokuto Koutarou der einzige Mensch war, der wirklich wusste, wer ich bin, versetzte mir jedes Mal wieder einen Stich.
Erst nachdem er aufhörte zu atmen, erst dann wurde mir bewusst, dass ich nur so sein konnte, weil er mich erfüllte.
Bei ihm konnte ich wirklich ich sein.

Der Himmel färbte sich in warme Rot- und Orangetöne. Die Sonne verschwand langsam hinter Bergen. Von Minute zu Minute wurde es dunkler, dennoch schaffte ich es nicht, mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen.
Meine Hände strichen immer wieder über den Brief, tief im Inneren hoffte ich darauf, dass ich Koutarou damit erreichen könnte. Ob er nun an meiner Seite war? Mir folgte, mich auf diesem schlimmen Weg begleiten und unterstützen würde?

Auf der Rückseite des Briefes war ein Stempel abgedruckt.
'Nekoma Oberschule'
Das war wohl mein nächster Hinweis. Ich war zu müde, jetzt zur Nekoma zu fahren und einen weiteren Brief von ihm zu lesen.
Wohin würde mich diese Reise, seine Briefe wohl führen?
Ich malte mir etliche Szenarien aus, hoffte, das Schlimmste umgehen zu können.
Doch war das eine Option?
Geschafft ließ ich mich in den Fahrersitz fallen.

"Ich sollte schlafen." murmelte ich.
Dass es komisch war, mit mir selbst zu reden, war mir bewusst.
"Ich bin echt einsam. Es wäre deutlich schöner, jetzt nicht allein in diesem Auto zu sitzen und die Sterne zu beobachten. Oder was meinst du, Koutarou?"
Natürlich bekam ich keine Antwort, doch ich hatte auch keine erwartet.
Er konnte mir nichtmehr antworten und das war schmerzhaft. Doch verübeln konnte ich es ihm nicht.

Auf der Rückbank liegend schaute ich mir alte Videos von uns an. Wie wir am Strand lagen, uns gegenseitig ins Wasser schubsten.
Filmeabende, Treffen mit Kuroo und Kenma.
So viele Videos, die unsere Erinnerungen aufzeichneten. Und mit nur einem kurzen Klick konnte man sie Revue passieren lassen.
Dass es nur ein kurzer Augenblick war, indem Koutarou wieder lebendig schien, versuchte ich so gut wie möglich auszublenden und es zu genießen, seine fröhliche Stimme zu hören.

'"Guck mal, Akaashi! Ist die Muschel nicht wunderschön?"
Stolz hielt er ein cremefarbendes Tritonshorn in den Händen und lächelte in die Kamera.
"Sie ist riesig! Ich muss sie in beiden Händen halten, das ist so cool!"
"Bokuto-san, guck dir mal die schöne Farbe an." Mein Kichern war leise, aber dennoch gut zu hören.
"Die Farbe ist wirklich schön, aber trotzdem nicht im geringsten ein Vergleich mit deinen Augen."
Seine Wangen färbten sich rosa und er lachte.
"Deine Augen sind wirklich unglaublich schön!"'

Ob mir Tränen über die Wangen liefen nahm ich nichtmals mehr wahr. Sein Lächeln war immernoch auf dem Display zu sehen und ich hoffte, dass ich dieses Lächeln komplett abspeichern könnte, jeder einzelne Gesichtszug, jedes Fältchen, jede Sommersprosse. Ich wollte dieses Lächeln niemals vergessen und erst recht nicht loslassen.
Doch irgendwann wird die Zeit kommen, in welcher Bokuto Koutarou nur eine blasse Erinnerung ist.
Mit diesen trüben Gedanken begannen meine Augenlieder schwerer zu werden und ich driftete in einen traumlosen und unruhigen Schlaf ab.

Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten meine Nase und somit wurde ich wach.
Meine Augen blickten direkt in einen leicht orangenen Himmel, der Mond war kaum noch zu sehen.
Ich streckte mich und strich mir meine unordentlichen Haare aus dem Gesicht.

"Ein neuer Morgen." murmelte ich.
"Ein neuer Morgen, welcher mich immer weiter von dir entfernt."
Langsam öffnete ich die Autotüre und stieg aus.
Frische Luft ließ mein Tshirt Falten schlagen und ich atmete tief durch.
Ich bereitete mich auf den Tag vor, kämmte meine Haare, zog mir ein anderes Shirt über und putzte meine Zähne.
Ohne auch nur einmal zu vergessen, was mein Ziel ist.

Mit einem unsicheren Seufzen stieg ich wieder ins Auto und startete den Motor.
Der Weg zur Nekoma Oberschule war nicht weit, aber trotzdem dauerte es seine Zeit.
Was mich wohl als nächstes erwarten würde, im nächsten Brief, geschrieben aus Koutarous Feder.

Letters. - BokuakaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt