Teil 12: Richtung

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- Akaashi Keiji -

Während ich den Brief las, liefen mir unzählige Tränen über meine Wangen.
Ich schnappte nach Luft und ließ die salzigen Tropfen ihren Weg, mein Gesicht hinunter bahnen.
Es war wie ein Buch.
Alles, was wir je erlebt hatten, alles war wie ein Roman.
Unsere Liebesgeschichte war zu perfekt um wahr zu sein.
War das der Grund, warum er mich verlassen musste?
War es Schicksal? Schlechtes Karma?
Mein Schluchzen wurde lauter und das Gefühl zu ersticken wurde schlimmer.
Ich rang nach Luft, krallte meine Hände in meinen Hoodie.
Was war es, was mir meinen größten Schatz genommen hatte?
Die Geräusche die ich von mir gab hörten sich schmerzerfüllt an, sie waren voller Reue, voller Trauer.
Wie eisige Kristalle zersprangen die glasklaren Tränen auf dem Boden.
Ich saß noch immer alleine auf dem Spielplatz, die Sterne blickten auf mich herab und je länger ich dort saß und mir vorstellte, dass Koutarou nun einer von ihnen war, desto weiter schienen sie entfernt.

Ich lief in keine bestimmte Richtung. Wohin sollte ich denn nun laufen? Nachhause? Mein Zuhause war begraben, fest schlafend tief unter der Erde.
Oder sollte ich den Erinnerungen, einer längst vergangenen Zeit, hinterher jagen, wie ein hungriger Wolf seiner Beute?
Egal wie viele Gedanken ich mir auch machte, es ergab keinen Sinn.
Getrübt von Verlust machte sowieso gar nichts mehr Sinn.
Wie sollte ich denn jemals wieder Glück empfinden? Freude? Liebe..?
Wütend auf mich selbst haute ich mir meine Händflächen gegen beide Wangen.
Wieso um alles in der Welt machte ich mir solche Gedanken?
"Was würdest du jetzt wohl tun, Koutarou? Wie würdest du diese Situation wohl meistern? Was würde dir durch den Kopf gehen?" flüsterte ich, während ich in den dunklen Himmel blickte, welcher geschmückt von funkelnden Sternen war.

Ich streckte mich und blickte mich um.
Die Sonne strahlte mir in die Augen, weshalb ich diese zusammen kniff.
In meinem Auto war es kalt, trotz der Decke, welche über mir lag.
Es wurde langsam Winter.
Koutarou liebte es, wenn es kalt wurde und jedes Jahr freute er sich auf den Schnee.
Auf die weißen Eiskristalle, welche sanft auf dich hinab rieseln.

Nachdem ich die übliche Morgenroutine hinter mir hatte, verließ ich das Auto und lief zum nächst besten Laden um mir eine Kleinigkeit zum Frühstück zu holen. Ich verspürte keinen Hunger, aber dennoch zwang ich mich dazu, endlich etwas zu essen.
Er wäre mehr als sauer, zu sehen wie ich mich selbst und meinen eigenen Körper behandelte. Eine lange Standpauke würde mir bevor stehen, wenn er das alles hier noch mitbekommen würde.
Wenn er nicht gerade hier ist und mich tadelnd anblickt.
Mit diesem Gedanken aß ich schmunzelnd mein Frühstück.

Entschlossen, diese Reise hinter mich zu bringen, setzte ich mich an das Steuer meines Wagens.
Zögerlich zog ich den sechsten Brief aus dem Umschlag heraus und suchte nach einem Hinweis.
Keine auffälligen Farben oder gekennzeichneten Wörter. Auf dem Umschlag stand keine Adresse und es war auch kein Stempel darauf.
Leicht panisch suchte ich nochmal den gesamten Brief ab, bis mir die mit Bleistift gezeichneten Striche an den Rändern auffielen. Sie sahen aus, als wären es zersprungene Fensterscheiben.
"Das ist mein Tipp?" verwirrt kratzte ich mich am Hinterkopf.
"Wo zur Hölle muss ich dann hin? Er denkt auch ich wäre ein Genie oder? Kaputte Fenster, wo-"
Noch bevor ich meine Gedanken ordnen oder mein Selbstgespräch beenden konnte, verstand ich diesen Hinweis.

Nach einem tiefen Durchatmen startete ich den Motor und fuhr los, zur längst geschlossenen Turnhalle am Rand Tokyos, wo wir damals oft Zeit verbracht haben.
Die Erinnerungen daran sind schön, es gab keine, welche mir Kummer bereiten würden.
Dennoch schlug mein Herz mit jedem Meter, dem ich der Turnhalle kam, schneller.
Jetzt hatte ich endlich eine Richtung, einen Weg, welchen ich beschreiten musste.

Ich konnte mir denken, womit diese Reise enden würde.
Doch ich wollte es nicht wahr haben.

Letters. - BokuakaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt