Teil 9: Der fünfte Brief

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- Akaashi Keiji -

Meine Gedanken waren beinahe ein Sturm. Ich konnte sie nicht ordnen oder in irgendeiner Art und Weise beruhigen. Das schien nicht nur unmöglich, es war unmöglich.
Mein Körper betätigte das Auto ganz von selbst. Wie in Trance starrte ich auf die leere Straße.
'6:47'
Die Uhrzeit blinkte in einem giftgrün auf dem Radio auf. Trotz des Schlafmangels war ich nicht müde.
Ich rang mit mir selbst, ob ich diese Briefe lesen wollte, oder ob ich am liebsten verschwinden würde, raus aus Tokyo, raus aus Kyoto, raus aus Japan. Irgendwohin, wo mich keiner kannte, irgendwohin, wo Bokuto Koutarou unbekannt war, wo es nur eine kleine Zeile in der Zeitung gab, dass der MSBY-Spieler aus Japan in ein schreckliches Unglück geriet und dieses nicht überlebte.
Durch diesen Kampf mit mir selbst verflog jegliches Emfinden. Ich war nicht müde, hatte keinen Hunger, wollte mich nicht ablenken oder mit meinen Freunden trauern.

Ich schaltete den Wagen ab und zog den Schlüssel aus der Zündung.
Hier war ich nun, an der Nekoma, auf der Suche nach Brief Nummer fünf.
Das erste Abenteuer, welches ich ohne ihn bestritt.

Meine Schritte waren schwer, als wären meine Schuhe aus Blei. Ich konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzen. Dennoch nahm ich mich zusammen, atmete durch und lief weiter.
Es fiel mir kaum ein besserer Ort ein, an welchem der Brief versteckt sein könnte, als in der Turnhalle.
Hier sind wir früher oft zu Trainingsspielen gewesen, haben das beste aus uns raus geholt, während uns Kuroo und Kenma entgegen grinsten.
Ich musste bei dem Gedanken lächeln.

Vor der riesigen Sporthalle angekommen, überlegte ich, ob ich wirklich hinein gehen wollte. Wollte ich Koutarous Worte jetzt schon hören? Jetzt schon mit ihm abschließen?
Nach einem unsicheren Seufzen richtete ich meinen Blick nach vorne.
Entschlossen betrat ich die Halle.

Alles war so wie früher. Das Aussehen, der Geruch, die Atmosphäre.
Es hatte sich nicht im geringsten etwas verändert.
Ein leichtes Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen, denn hier lebten zu viele schöne Erinnerungen weiter.
Ich lief durch die Halle, bewegte mich langsam auf die Tribünen zu.
Ich konnte mir schon erahnen, wo der fünfte Brief auf mich wartete.
Langsam strich ich über die Geländer, erinnerte mich daran, wie für uns gejubelt wurde, wenn wir den Aufschlag hatten, oder ein Matchball feststand.

Und dort lag er, auf dem alten Geländer der Sporthalle.
Ein weißer Brief und ich hätte schwören können, dass er all unsere Erinnerungen aufsaugte und beherbergte.

'Was habe ich wohl gedacht, während so vielen Momenten? Ob diese Frage auch in deinem Kopf auftaucht?
Ich werde dir mit diesem Brief ein Einblick in meine Gedanken und Gefühle gewähren.

Ich war bereits 18 Jahre alt, war oft mal verknallt oder dachte mir, dass eine Person in der Bahn besonders hübsch war.
Doch noch nie hatte ich solche Gefühle, wie mit dir. Du warst immer in meinem Kopf, in meinen Träumen. Mein Herz klopfte schneller in deiner Nähe und die Schmetterlinge in meinem Bauch zogen ihre Bahnen.
Ich war so überfordert mit der Situation, dass ich den Teufel auf meiner Schulter um Rat bitten musste.

"Bokuto, du bist sowasvon verliebt." sagte Kuroo nach einer detaillierten Erklärung meines Empfindens.
"Akaashi hat dir dermaßen den Kopf verdreht." Sein freches Grinsen im Anschluss werde ich wohl niemals vergessen.

Ich wusste also endlich, was diese ganzen Gefühle waren, warum du so viel in mir auslöstes.
Ich hatte mich in dich verliebt. Es war keine Ferienromanze oder ein Schwarm.
Ich war Hals über Kopf in den schüchternen Musterschüler verliebt.
Meine Gedanken zu ordnen wurde mit diesem Wissen umso schwerer.
War es kein Tabu einen Jungen zu lieben?
Würdest du meine Gefühle erwidern?
Würdest du nichtsmehr mit mir zutun haben wollen, falls nicht?
Fragen über Fragen, welche alle keine Antworten lieferten.

Tage vergingen, ganze Wochen verstrichen und ich wusste immernoch nicht, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen sollte.
Deshalb nahm ich allen Mut zusammen und setzte mir ein Ziel:
Das Spiel gegen die Nekoma, um uns den Platz beim nationalen Turnier zu sichern.
Kuroo sagte mir, dass die Idee grandios war, doch meine Unsicherheit nahm mir diese Aussage nicht.

Der Tag der Abrechnung war kurz darauf gekommen.
Ich schlug mir alle negativen Gedanken aus dem Kopf, versuchte meinen Plan zu befolgen.
Schon einige Minuten vor unserem Team war ich umgezogen, bereit gegen die Nekoma anzutreten.
Doch statt am Spielfeldrand zu warten, stand ich auf der Tribühne, mehr als bereit den weißen Banner in meinen Händen auszurollen.
Mit hochroten Kopf wartete ich darauf, dass du die gefüllte Halle betreten würdest.

Ich wette auch du erinnerst dich noch daran, an diesen wichtigen Wendepunkt in unserer Geschichte.

Der schwarzhaarige Junge mit der Nummer fünf auf seinem Trikot betrat die Sporthalle.
"Akaashi!" ich schrie aus vollster Lunge und dein leichtes Zusammenzucken war das süßeste, was ich jemals gesehen hatte.
Ohne auch nur einen weiteren Moment zu verschwenden, ließ ich den Stoff in meinen Händen los und der Banner rollte sich aus.

'Möchtest du mit mir ausgehen, Akaashi Keiji?'

Deine Augen funkelten und mit dem schönsten Lächeln das ein Mensch nur tragen konnte, sahst du mich direkt an.
Jegliche Distanz zwischen uns löste sich.
Du sprachst die Worte aus, die mich irgendwann zum glücklichsten Menschen der Welt machen sollten.
"Ja, Bokuto Koutarou!"'

Letters. - BokuakaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt