2.2 Die Worte

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Dhara hatte bereits mit etwas Magischem als Begründung für Drys' wahnwitziger Idee, sie könnte Mhyriam sein, gerechnet, jedoch nicht damit, dass er diese Begründung mit einer Erzählung über Blutrubine stützen würde. Sie wurde immer misstrauischer - denn auch, wenn sie von Anfang an das Gefühl hatte, Drys vertrauen zu können, so schienen nicht allzu viele Tatsachen dafür zu sprechen.

Schließlich war es doch seltsam, dass sie nie etwas von Blutrubinen gehört hatte, dass er einfach so bereit war, mit ihr eine Abmachung einzugehen und dass er nun auf einmal die Rubine, die sie nun seit sieben Jahren trug, zerstören wollte.

Wer wusste schon, ob er sie anlog und die Rubine vielleicht sogar sie vor etwas schützen sollten, das sobald die Edelsteine fort wären ungehindert an sie heran käme. Vielleicht wollte er doch an Informationen gelangen - über den Roten Markt, Lady Izcan und ihre Freunde, sowie ihre Feinde.

Drystan bemerkte ihren misstrauischen Blick und seufzte. „Wie kann ich dich nur davon überzeugen, dass ich dir und dieser Lady Charis Izcan nichts anhaben will? Ich will einfach nur meine alte Freundin finden und zurückholen, das ist alles."

„Schwöre es", meinte Dhara. Drys Atem stockte kurz."

„Warum hält er inne? Kann er etwa nicht schwören?", fragte der älteste der drei Jungen, die dem grauhaarigen Geschichtenerzähler auf dem überfüllten Markt lauschten.

„Doch doch, er kann. Aber wisst ihr, im Norden, da ist ein Schwur eine wichtige Sache. Man tut ihn nicht leichtfertig, genauso wenig wie man ihn einfach so bricht", gab der ältere Mann die Antwort.

„Die sind aber verklemmt", stellte der Zweitälteste trocken fest. Der Erzähler lachte, was jedoch schnell zu einem keuchenden Husten wurde. Es dauerte kurz, dann setzte er erneut mit der Geschichte an:

„Drys hielt also kurz inne, und wägte ab. Jedenfalls vermutete Dhara, dass er das tat, denn sicher konnte sie sich nicht sein. Umso überraschter war sie, als Drystan dann sagte:

„Ich schwöre. Ich schwöre, dass ich weder dir, noch den Menschen aus deinem Leben Schaden zufügen will."

„Schwör es auf deine Liebe zu Mhyriam", flüstere sie, unsicher, ob sie nun einen Schritt zu viel gewagt hatte. Doch sie brauchte diese Gewissheit, dass er ihr nichts Böses wollte, auch, wenn sie nicht einmal wusste, ob für ihn auch der Ehrenkodex des Nordens galt oder nicht. Aber in diesem Moment war das egal.

„Ich schwöre es, bei all meiner Liebe zu Mhyriam", wiederholte Drystan, während er unentwegt den Augenkontakt beibehielt. Wieder einmal fragte sich Dhara, ob seine silbernen Augen von irgendeiner Magie herrührten oder ihm einfach natürlich gegeben waren.

„Gut", seufzte Dhara, „also was muss ich deiner Meinung nach tun, um diesen 'Zauber' loszuwerden?" Sie spielte an der Kette auf ihrer Handfläche herum. Es war so lange her, dass sie dieses Schmuckstück bekommen hatte - es war ein Erbstück ihrer Mutter, einer Frau, die sie nie zu Gesicht bekommen hatte. Sie starb bei Dharas Geburt.

Drystan erklärte: „Ich würde darauf setzen, dass die Steine Erinnerungen enthalten - drei Schlüsselmomente in Mhyriams Leben, die ihr Leben so stark geformt haben, dass sie ohne diese Moment eine andere wäre. Dass sie zu dir geworden ist. Man kann Blutrubinen keine Magie entnehmen, außer, man ist ihr Erschaffer. Das wiederum heißt-"

„-dass du die Steine zerstören willst", ergänzte Dhara. Drys nickte langsam und wollte zu einer erneuten Erklärung ansetzen, doch dann unterbrach ihn Dhara. „Nein, vergiss es. Das ist das einzige, was ich noch von meiner Vergangenheit habe. Ich werde es nicht zerstören, weil du irgendwelche Vermutungen hast."

Drystan rang nach Worten. „Ich verstehe ja, was es dir bedeutet, aber sind deine Vergangenheit und deine Identität dir nicht wichtiger?", fragte er flehend. Dhara schüttelte nur frustriert den Kopf. „Du magst ja leben wie ein Priester und dich an deine Bindung zu dieser Bibliothek und zu Mhyriam klammern, aber ich habe eine Welt, in die ich zurückkehren werde. Und dort ist diese Kette hier", sie schloss die Hand demonstrativ um das Erbstück, „mehr wert als die Erinnerungen einer anderen Person."

„Es sind deine Erinnerungen, Mhy-", er unterbrach sich selbst, als er merkte, welchen Fehler er begangen hatte. Dann fuhr er ruhiger fort: „Dhara. Es sind deine Erinnerungen, Dhara. Sie wurden dir gestohlen, aber sie sind immer noch dein Eigentum. Du brauchst sie nur zurückzufordern."

Sie seufzte. „Ich tue das nur, weil unsere Abmachung weiterhin besteht", meinte sie, als sie ihre Hand wieder öffnete und die Kette Drys hinhielt. „Wenn es beim ersten Rubin nicht funktioniert, lassen wir es sein", schränkte sie das Vorhaben ein.

„In Ordnung", bestätigte Drystan und nahm die dünne Kette aus Dharas Hand. „Komm mit", meinte er und winkte sie hinter sich her. Dhara folgte ihm unbehaglich - sie wusste nicht, ob und wie sie ihm vertrauen konnte. Er war einer von den Guten, doch diente er einer so vollkommen anderen Kultur, dass sie das Gefühl hatte, ihn einfach nicht verstehen zu können.

Er führte sie unter eine Art Pavillon mit einer Glaskuppel. Sie wurde umhüllt von schier unendlicher Nacht, nur durchbrochen von dem strahlenden Licht der Sterne. Der Boden war von silbernen Linien durchzogen, die sich wie Ornamente zusammensetzten und auf einen bestimmten Punkt hinwiesen: Der Kreis in der Mitte des Raums, der wie ein Tisch einen halben Meter aus dem Boden herausragte. Beinahe ehrfürchtig legte er die Kette auf den Vorsprung und trat einen Schritt zurück, ehe er zu ihr sah. „Bereit?", fragte Drys. Dhara nickte nur nervös.

Dann sprach der Junge einige Worte in einer Sprache, die sie nicht verstand. Vielleicht hätte sie ihn danach gefragt, wäre in diesem Moment nicht gleißendes Licht aus dem Tisch emporgeschossen.

Blutrubine und Sternenlicht || Short StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt