Alles verloren

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Jenna machte die ganze Nacht kein Auge zu. Ihre Sorge um Harry war einfach zu gross. Schliesslich entschied sie sich, aufzustehen. Sie machte sich einen starken Kaffee und wollte gerade trinken, als ihr Telefon klingelte. Eilig stellte sie ihr Getränk hin und stand vom Tisch auf. Ihre Hände zitterten als sie auf den grünen Hörer drückte und das elektronische Gerät an ihr Ohr hielt. Jenna hatte gar keine Zeit irgendetwas zu sagen als auch schon Ginnys Stimme erklang. ,,Jenna! Du musst sofort ins St. Mungos kommen. Ich erkläre dir nachher was los ist." Es piepte als sie etwas erwiedern wollte. Ein Zeichen, dass Ginny schon aufgelegt hatte. Fluchend stolperte sie in ihr Zimmer, zog sich um und apparierte wieder in das grosse weisse Gebäude. Jenna blickte sich suchend um als auch schon Ginny zu ihr gestürmt kam und sie in die Arme nahm ehe sie nach ihrer Hand griff und sie hinter sich her zog. Halb laufend halb rennend folgte Jenna ihrer Freundin bis sie vor einem Zimmer stehen blieb. Sie klopfte an die Tür und öffnete sie langsam. Jenna blickte hinein und sah zwei Ärzte die an einem Krankenbett wild diskutierten. Jennas Brustkorb zog sich zusammen als sie ihren Bruder erblickte. Er sah gar nicht gut aus. Ein Arzt löste sich von der Diskussion mit seinem Kollegen und lief zu ihnen. ,,Da sind Sie ja." sagte er ein wenig erleichtert und zu gleich nervös. ,,Danke, dass Sie so schnell gekommen sind. Ich muss Ihnen leider weitere schlechte Nachrichten überbringen." Ginny schob sich an dem Mann vorbei, zog einen Stuhl an Harrys Krankenbett und setzte sich hin. Sie griff nach seiner Hand und streichelte sie behutsam während sie mit wachem Blick seinen Brustkorb betrachtete der sich immer wieder rasselnd hob und senkte. Der Arzt blickte kurz zu Ginny ehe er Jenna wieder anschaute. ,,Wie sie sehen, müssen wir ihn künstlich beatmen. Es steht sehr schlecht um ihn, aber wir tun alles was in unserer Macht steht." Jenna wandte den Blick nie von ihrem Bruder ab, hörte aber trotzdem aufmerksam zu und probierte ihre Gedanken zu sammeln. ,,Meinen Sie, Sie könnten nachforschen wer diese Person war die-" ,,Momentan fühle ich mich nicht fähig dazu." unterbrach Jenna den Arzt barsch was ihr in der nächsten Sekunde wieder Leid tat. Aber es stimmte. In der letzten Zeit waren ihre Gefühle einfach viel zu aufgewühlt. Vorallem wegen George. Sie machte sich immer noch grosse Sorgen um ihn, da er sich seit dem Vorfall nicht mehr gemeldet hatte. Und da war dann noch Angelina. Zu grosse Angst wütete in ihr, dass sie ihren einzigen besten Freund an ihr verlieren würde. Der Arzt nickte verständnisvoll und wandte sich ab. Wenigstens eine Person, die ihre Worte nicht in Frage stellte. Plötzlich erklang ein langer monotoner Ton, der sich in ein schrecklich ohrenbetäubendes Piepsen verwandelte. Erschrocken blickte Jenna auf den Monitor, der Harrys Herztöne mass. Dort war kein auf und ab mehr einer Linie. Die Linie zog sich ohne Schwankungen von links nach rechts. Bevor sie richtig begreifen konnte, was geschehen war drückte der Arzt, den sie vorher so angefahren hatte, behutsam nach draussen vor die Tür. Ein Wunder, wie er so ruhig sein konnte. Ginny wehrte sich aus Leibeskräften gegen den Arzt, der sie nach draussen beförderte und erklärte hysterisch, dass sie jetzt doch nicht ihren Freund verlassen könnte. Auf einmal drängten sich drei weitere Ärzte und zwei Assistenten in den kleinen, stickigem Raum und die Tür fiel knarzend ins Schloss. Jenna hatte keine Ahnung, wieso das sie im Moment überhaupt nichts fühlte. Vielleicht hatte sie ja schon zu viel Schmerz erlebt und dieser hier war so übermässig gross, dass sie schlussendlich nichts mehr fühlen konnte? Doch auf einmal holte sie das Schluchzen von Ginny zurück in die Gegenwart und die Schmerz- und Gefühlswelle schlug auf Jenna ein. Sie wusste nicht, wie lange sie Ginnys Hand umklammerte und betete, dass alles gut werde oder wie viele Tränen sie inzwischen vergossen hatte. Nur eines wusste sie. Dass das hier niemals gut enden würde. Nicht für Jenna Lily Potter. Wieso sollte es auch? Es war das Schicksal dieser jungen Frau, dass sie niemals ohne Schmerz leben durfte. Aber sie begriff immer noch nicht wieso. Wieso ausgerechnet sie? Diese ganzen Gefühle und dieser Schmerz den sie schon ihr ganzes Leben lang tragen musste überschwemmten sie geradezu. Bald dachte sie schon sie würde an ihren Schluchzern ersticken aber wahrscheinlich wäre das eh das Beste. Von diesem Schmerz, der ihren Brustkorb immer enger und enger zudrückte, bis sie keine Luft mehr bekam, befreit werden zu können, erschien gerade so befreiend zu sein. Doch etwas schien in ihre Schattenwelt hinein. Irgendetwas ziemlich helles, dass ihr damals geholfen hatte, ein wenig über ihre Schicksale hinweg zu sehen. Und sie wusste, dass sie genau jetzt, für ihn und für sich selber kämpfen musste. Für George. Langsam erkannte sie, wie sehr sie für ihn kämpfen würde.

Nach fünf Minuten öffnete sich knarzend die Tür und ein Arzt erschien. Er traute sich kaum die beiden Frauen anzusehen und begang mit leiser Stimme zu sprechen. ,,Wir haben alles getan was wir konnten. Aber... es tut mir sehr Leid." Der Arzt blickte niedergeschlagen auf den Boden. Ginny erstarrte und blickte auf die weisse Tür. Langsam schüttelte sie den Kopf und schien alles nicht richtig begreifen zu wollen. ,,Nein... Nein!" schrie sie verzweifelt. Sie riss die Tür auf und stürmte in den Raum hinein. Gleich darauf hin hörte man wie sie anfing zu schluchzen und zu schreien und die Ärzte, die sie versuchten zu beruhigen. Jenna stand nur da. Diesen Anblick würde sie nicht ertragen können. Das wusste sie. Sie schluckte den Kloss herunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte während weiter vereinzelt Tränen ihre Wangen hinabliefen. Eine plötzliche Leere machte sich in ihrem Brustkorb breit. Eine gähnende, schmerzende Leere die alles verschlang. Alles zog sich immer wieder schmerzend zusammen und löste sich dann wieder nur um gleich wieder zu kommen und eine grössere Leere da zu lassen. All die Jahre, waren Jenna und Harry unzertrennlich gewesen. Hatten sich zusammen gegen Voldemort behauptet, zusammen geweint als Sirius gestorben war, zusammen gehalten, als der Horkrux sie auseinander reissen wollte, sich stark gemacht, als sie der Verlust ihrer Eltern wieder hart getroffen hatte. Das war jetzt weg. Von der einen Sekunde auf die andere. Einfach verschwunden. Und es würde nie wieder zurückkehren. Dieses Gefühl, dass jemand da war, der genau dasselbe durchleben musste und einem kannte als wäre er sie selbst. Jenna wusste nicht, wie sie jemals damit klar kommen würde. Jetzt verstand sie auch wirklich wie George sich fühlen musste. Es fühlte sich an, als ob man alles verloren hätte. Einfach alles. Und dieses Gefühl tat unheimlich weh.

After the war  -  George Weasley FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt