Kapitel 10

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Mein Schlafrhythmus ist dank meines WPAs total am Arsch, deswegen bin ich am nächsten Morgen hundemüde, als mich mein Wecker aus dem Schlaf reißt. Ich gehe gähnend in die Küche und meine Mom schaut überrascht von ihrer Zeitung auf, als sie mich sieht. "Dass ich das nochmal erleben darf", schmunzelt sie und spielt darauf an, dass ich seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr normal aufgestanden und zur Schule gegangen bin (in Wirklichkeit waren es zwar nur zwei Tage, aber da wegen meinem WPA täglich so viel passiert, fühlt es sich an wie mindestens eine Woche).

Ich murmle etwas, das ansatzweise nach "Guten Morgen" klingt in ihre Richtung und schenke mir einen Kaffee ein. Nachdem ich diesen getrunken habe (mit zu viel Zucker, da ich irgendwie den bitteren Geschmack überdecken muss), wurde ich aufs Neue daran erinnert, warum ich Kaffee eigentlich nicht mag, aber wenigstens fühle ich mich jetzt etwas weniger müde (zu sagen, ich wäre wach wäre übertrieben, mein Zustand ist irgendwo zwischen Halbschlaf und wandelnder Zombie).

Auch der Schultag verläuft ungewöhnlich normal (abgesehen davon, dass mir Allison und Damian die ganze Zeit vielsagende Blicke zuwerfen, Nat jedes mal, wenn ich neben Henry stehe mit den Augenbrauen wackelt und Mira mich mehr oder weniger unauffällig immer neben Henry platziert und dann wie eine zufriedene Mutter aussieht) - jedenfalls bis zur vierten Stunde. Da schrillt nämlich mitten in der Unterrichtsstunde der Alarm und ich befinde mich kurz darauf mit allen anderen Schülern draußen auf dem Pausenhof.

Irgendwie erwarte ich, dass ich mich jede Sekunde in mein WPA-Ich verwandle. Es passiert jedoch nichts dergleichen und ich stehe weiterhin draußen neben Henry (ich kann die zufriedenen Blicke meiner Freunde praktisch spüren) und höre der Ansprache unseres Direktors zu. Darin erklärt er, dass wir, wegen eines Unfalls im Chemieraum (dabei wirft er einer unserer Chemielehrerinnen, Miss Zoe, deren Labormantel etwas angekokelt aussieht - einen vorwurfsvollen Blick zu) für den Rest des Tages befreit sind, da es sein könnte, das bei dem besagten Unfall (noch ein strenger Blick in Miss Zoes Richtung) ein Gas ausgetreten sein könnte. Dieses würde zwar keine akute Bedrohung darstellen, aber sicher sei sicher. Daraufhin brechen alle Schüler in lautes Jubeln aus.

Unsere Sechsergruppe findet sich kurz darauf (etwas zusammengequetscht) in Damians Auto wieder. Natasha hat sich den Beifahrersitz neben Damian ganz vorne geschnappt und Mira und Allison machen sich auf der Rückbank (absichtlich) so breit, dass ich gezwungenermaßen mehr oder weniger halb auf Henrys Schoß sitzen muss. Ich werfe Ally, die sich rechts von mir befindet, einen hilflosen Blick zu, doch sie kichert nur und murmelt "Ich hoffe Damy fährt heute die Rechtskurven mit etxra viel Schwung" zu Mira.

Um mich abzulenken, beuge ich mich zwischen den Sitzen nach vorne und frage Damian, der inzwischen losgefahren ist, was wir jetzt machen. Sein Gesicht verzieht sich daraufhin zu einem diabolischen Grinsen und ich bereue es sofort, diese Frage gestellt zu haben. Natasha - ebenfalls mit einem nichts Gutes verheißenden Gesichtsausdruck - dreht ihren Kopf zu mir. "Wir fahren schnell bei mir vorbei um du weißt schon was für deine Wette zu holen und dann gehen wir zu Damian Nachhause", erklärt sie.

Mein Magen dreht sich leicht um - einerseits weil ich nicht bereit bin, das maid dress anzuziehen und mich vor Henry zu blamieren und andererseits weil sich eben dieser Henry jetzt auch nach vorne lehnt, um Natasha besser ansehen zu können und sich unsere Gesichter dabei ziemlich nahe kommen. "Welches 'du weißt schon was'?", fragt er neugierig.

"Ohh, das wirst du dann schon sehen!", ruft Mira gut gelaunt und klatsch schwungvoll in die Hände. "Justin, das wird legendär!" Ich werfe einen verzweifelten Blick in Henrys Richtung. "Hilf mir", flüstere ich leise, doch er schmunzelt nur und legt mir einen Arm um die Schultern. "So schlimm wird es schon nicht sein." Er hat ja keine Ahnung.

Wir halten wie versprochen kurz vor Natashas Zuhause, damit sie mein Outfit holen kann, dann geht es weiter. In Damians Villa angekommen (das Gebäude sieht jedes mal aufs Neue beeindruckend und vor allem groß aus) bewaffnen wir uns in der Küche mit Pizzastückchen, Croissants, Donuts und ein paar Trauben und Blaubeeren und verziehen uns dann in Damians Zimmer, das so gut wie den ganzen Dachboden einnimmt.

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