Kapitel 6

891 48 0
                                        

Die nächsten Tage flossen so dahin und Harry und Severus verbrachten die Zeit abwechselnd auf das Sofa gekuschelt lesend, unter der Weide am See picknickend oder in Snapes Arbeitszimmer, wo der Mann arbeitete und Harry sich anderweitig beschäftigte. Meist jedoch wollte der Junge scheinbar Snapes Seite zu weichen, deutete dieser dem gehetzten, ängstlichen Ausdruck in den grünen Augen richtig. Als blieb er bei ihm, was Severus zu seiner Verwunderung nicht viel ausmachte. Es war zur Abwechslung einmal schön, nicht alleine in dunklen Kerkern zu hocken und vor sich hin zu siechen.

Nun hatte er eine Aufgabe, zwar unfreiwillig bekommen, aber immerhin: es galt, sich um den verstörten Jungen zu kümmern. Kurz dachte er drüber nach, was James Potter darüber sagen würde. Er, der widerliche Snivellus hatte nun, vorübergehend, Potters Kind bei sich. Dann wanderten seine Gedanken zu Lily. Sie wäre stolz auf ihn... hoffte er. Wie immer, wenn er an Lily dachte, fuhr Schmerz durch seine Brust und seine Miene verdüsterte sich. All das ganze war nur wegen Voldemort passiert. Ohne ihn hätte Harry vielleicht eine tolle, unbeschwerte Kindheit durchleben können. Ohne dieses Monster hätte der Junge noch eine Familie. Eine liebende Familie, setzte er in Gedanken hinzu. Er würde es Harry mehr wünschen, als jedem anderen den er kannte. Hass auf Voldemort überkam ihn und seine Gesichtszüge entglitten ihm.

Harry blickte nun nervös zu ihm hinüber. Sie saßen beim Abendessen und Snape war nicht bewusst gewesen, dass er den Jungen gedankenverloren angestarrt hatte, und der ihm scheinbar eine Frage gestellt hatte.

„Wie bitte, Harry? Ich war in Gedanken.", erklärte er leise.

Das Kind hatte den Löffel, mit dem er seine Suppe gegessen hatte, beiseite gelegt.

„Hab... habe ich etwas... falsch gemacht?", vorsichtig blickte Harry hinüber zu Severus, der ihn noch verwirrter anblickte.

„Nein.", Severus schüttelte den Kopf.

„Ich kann auch gehen. Ich habe... sowieso keinen Hunger mehr. Ich wollte Sie nicht stören.", flüsterte Harry und ehe Snape sich versah, hatte das Kind fluchtartig den Raum verlassen. Den Schritten, die er hören konnte, zufolge, war Harry schnurstracks in das Gästezimmer gerannt. Innerlich fluchte Snape. Er sollte doch aufpassen, mit dem was er sagte und seine Mimik unter Kontrolle halten! Wahrscheinlich dachte Harry nun, er hätte durch seine bloße Anwesenheit Severus verärgert oder genervt, nur weil er vielleicht abweisend oder wütend ausgesehen hatte.

Er erhob sich und folgte dem Jungen. Kurz hielt er vor Harrys Zimmertür inne und klopfte vorsichtig an.

„Harry? Darf ich reinkommen?", fragte er und lauschte, doch kein Geräusch drang heraus.

Also öffnete er die Tür. Er blickte sich um. Das Zimmer war augenscheinlich leer.

„Harry?!", fragend blickte er sich um. Der Junge konnte das Haus nicht verlassen haben und er war sich sicher, dass er in sein Zimmer gerannt war. Also blieb nur...

„Was machst du denn im Schrank?", der Zaubertrankmeister steckte seinen Kopf in den Schrank wo Harry ein gekauert saß. Als Antwort erhielt nur ein leises Schniefen.

„Komm da raus!", befahl Snape.

Nichts regte sich und Severus wurde ungeduldig. Er mochte es nicht, wenn man seinen Befehlen nicht folge leistete.

„Willst du da drin etwa schlafen?!", nun war Snape wahrhaftig ungeduldig.

Wieder erhielt er keine Antwort.

„Schön! Dann bleibst du jetzt eben da drinnen.", genervt schnalzte er mit der Zunge. Er wollte gerade die Schranktür zumachen, da fiel sein Blick auf das Bett. Er richtete sich auf und ging zum Bett, wo er die Bettdecke und das Kissen ergriff. Dann legte er beides zu Harry in den Schrank hinein.

Eine dunkle WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt