Als Severus das nächste Mal erwachte, spürte er einen ungewohnten Druck auf seiner Brust. Er blinzelte und strich seine Haare aus dem Gesicht und öffnete die Augen. Verwirrt blickte er auf einen unordentlichen, dunklen Haarschopf. Eine Sekunde überlegte er, dann fielen ihm die Ereignisse der letzten Nacht wieder ein. Das missglückte Abendessen, der Schrank, der Junge, der verzweifelt versuchte, seine Haut abzukratzen...
Er musste wohl, Harry in den Armen, eingeschlafen sein. Kurz kamen ihm Bedenken, ob es denn so richtig war, mit einem Kind in einem Bett zu schlafen. Ihm wurde schmerzhaft bewusst, wie sehr Harry ihm vertrauen musste, immerhin schien er nicht im Geringsten von einer Gefahr durch Severus auszugehen, stattdessen wirkte er entspannt. So entspannt wie man während des Schlafens eben sein konnte.
Der Junge atmete gleichmäßig. Sein Kopf lag auf Snapes Brust, die Hände in Severus Oberteil gekrallt, so als ob er Angst hätte, der Mann würde ihn verlassen, sobald er losließe. Vorsichtig streckte eben jener seine Hand aus und strich über die Stirn des Kindes, fuhr die blitzförmige Narbe nach, die es berühmt machten. Die Haut fühlte sich weich und zart an. Nichts deutete darauf hin, welches Unglück, dem Kind in jener Nacht zugefügt wurde, als er die Narbe bekam.
Plötzlich kam Bewegung in den kleinen Körper neben, beinahe auf ihm.
„Guten Morgen.", flüsterte Severus und strich über die Haarmähne des Jungen.
„H'llo...", nuschelte der und rückte etwas von Snape ab, wohl um ihm in die Augen sehen zu können.
„Hast du gut geschlafen?", wollte der Erwachsenen wissen. Harry nickte zur Antwort und blickte schüchtern in die dunklen Augen, bevor er den Blick abwandte und auf seine bandagierten Arme richtete. Schamesröte kroch über seine Wangen, als auch ihm der gestrige Abend in den Sinn kam.
„Kannst du mir sagen, warum du das getan hast?", verlangte Severus leise zu wissen. Harry schien das Thema unangenehm, er blickte überall hin nur nicht zu Snape. Der kleine Junge stand kurz davor in Tränen auszubrechen und er wollte nicht schon wieder vor Mister Snape zu weinen beginnen.
„Ich...also...es...ich...ähm...", stotterte er mit weinerlicher Stimme und schon liefen erste Tränen über sein verkratztes Gesicht. Hektisch wischte er sie weg, wurde aber von Snape aufgehalten.
„Es ist in Ordnung zu weinen. Lass es raus. Oftmals hilft das.", erklärte er leise, zog Harry an sich und ließ ihn einfach weinen. Der Junge wurde von Wellen aus Verzweiflung, Angst und Panik überrollt. Er wusste ja selbst nicht, wie es dazu kommen konnte, dass er sich so verletzte und selbst kratzte. Obwohl er nicht fand, dass es so schlimm war. Doch wenn er Mister Snapes entsetztes Gesicht wieder vor seinem geistigen Auge sah, hatte er das Gefühl, etwas Schreckliches gemacht zu haben. Er wusste doch auch nicht, woran er war und wie es weitergehen würde. Er vergrub sein Gesicht an Severus Körper und die Schluchzer und das Wimmern wurde von dessen Hemd gedämpft. Trotzdem spürte der Mann, wie sein Shirt mit Tränen durchnässt wurde.
Unbeholfen strich er über den bebenden, schmächtigen Körper, der sich unter seinen Händen viel zu knochig und schmal anfühlte.
„Es wird besser... das verspreche ich dir...", flüsterte er in Harrys Ohr. Dieser nickte, zwischen zwei Schluchzern.
Als er sich wieder soweit beruhigt hatte, dass er sich aufrichten konnte, stieg ihm erneut Schamesröte ins Gesicht.
„Du brauchst dich nicht schämen, Harry.", sagte Severus, der ahnte, was in Harry vor sich ging. „Wir müssen auch gar nicht darüber reden, wenn du nicht willst. Stattdessen können wir auch frühstücken. Du hast bestimmt großen Hunger, immerhin hast du bereits gestern Abend sehr wenig gegessen."
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Eine dunkle Wahrheit
Hayran KurguAls Minerva McGonagall mit einem kleinen, siebenjährigen Harry Potter and der Tür des Zaubertrankmeisters klingelt, und ihn bittet, sich für eine Weile um das Kind zu kümmern, ist dieser fassungslos. Doch nach und nach zerbröckelt die Fassade um die...