NEUNZEHN. brief

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#draco

"Salazar", brumme ich und gehe dann schnellen schrittes zur Eule. Als ich an Potter vorbei laufe, stoße ich absichtlich hart gegen ihn. Ha, verdient!
Ich habe vielleicht einen Traum mit ihm gehabt, aber das heißt nichts. Und das ich mich eventuell etwas verplappert habe, liegt auch nur an dem blöden Körper von Ron und an Harry natürlich. Sowieso ist Harry an allen Sachen immer irgendwie schuld.
Die Eule beäugt mich kritisch, lässt mich aber dann den Brief lösen. Wer zum Teufel schickt mir so spät überhaupt eine Eule!?
Eigentlich will ich den Brief einpacken, doch dann erkenne ich die schrift meines Vaters.
Ein kalter Schauder überkommt mich und ich öffne widerwillig das Papier, obwohl ich dies eigentlich nicht vor den Idioten machen will.

Hallo Draco,
Ich habe ein Treffen mit Astoria Greengras & ihren Eltern in die Gänge leiten können. Dieses findet am Montag um 13 Uhr im Manor statt, Severus ist bereits informiert. Sei pünktlich. Deine Mutter besteht darauf, dass du Flohst.
Wir erwarten dein bestes,
L. M.

Mein Blick fliegt immer wieder über die wenigen Zeilen. Oh verdammt. Heiliger Gartenzaun, was soll ich denn jetzt machen!?
Entsetzt sehe ich zu Ron, das Gespräch von vor wenigen momenten völlig vergessen.
"Lies", befahl ich und warf ihm das Pergament zu. Dann laufe ich zu der Wand ohne Tür und trete frustriert dagegen. Auch Potter warf nun einen Blick über Rons Schulter auf den Brief.
"Hey, bleib ruhig, Draco", murmelt er.
Ich drehte mich zu Potter, griff ihn am Kragen und schlage mit geballter Faust zu.

Mein Schlag hat längst nicht die Wirkung gezeigt, auf die ich gehofft habe, aber Harry rieb sich trotzdem schmerzend das Gesicht. Empört, wütend und entsetzt sehen seine geweiteten Augen zu mir.

Ohne ein weiteres Wort lässt er die Tür an der gegenüberliegenden Wand erscheinen, steht auf, nimmt sich seinen Umhang und verlässt die kleine Runde. Ronald wirft mir noch einen besorgten Blick zu und rennt ihm eilig hinterher. Ich höre die beiden reden, Ronald redet ihm hoffentlich gut zu, während sie sich verpissen.
Das hätte ich jetzt also auch in den Sand gesetzt. Wobei das Szenario hier definitiv nicht meine Schuld ist.

Mein frustrierter Blick fällt auf den Brief meiner Eltern, das einzige, was die Idioten hier zurückgelassen haben.
Klar ist, dass ich was tun muss. Also entweder finden wir sofort ein gegenmittel gegen den Körpertausch, also etwas an dem Snape seit Tagen arbeitete, oder wir müssten uns in der nähe Winkelgasse heimlich Vielsafttrank besorgen. Ich wusste da so ein zwei Läden, wo wir vielleicht Glück haben könnten...
Oder die dritte Möglichkeit: ich könnte meinem Vater die Wahrheit sagen. Die ganze Wahrheit. Das Ronald -Wiesel- und ich den Körper getauscht haben. Das ich Männer mag. Das ich mir mal meine Haare bunt Färben will. All die Geheimnisse, die ich lange vor meinen Eltern versteckt habe. Mehr oder weniger wissentlich zumindest.

Nachdenklich verlasse ich den Raum und beobachte, wie die Tür zum Raum der Wünsche vor meinen Augen verschwindet. So wie meine Beziehung zu Potter.
Aber verliebt war ich noch lange nicht. So viel Drama wie das Goldene Trio hält sowieso keiner aus. Jedenfalls kein Slytherin.

Ich gehe zurück in den Gemeinschaftsraum, wobei ich einmal beinahe falsch abgebogen und im Slytherin-Keller gelandet wäre, während ich Potters blödes Gesicht nicht aus meinem Kopf bekomme.
Sie viel Drama, weil er so ein eingebildeter Idiot ist. Wenn seine Eltern... Schnell verwerfe ich den Gedanken. Aus unseren Unterhaltungen habe ich mitgenommen, dass seine Familie ihn nicht besonders gut behandelt hat. Und das weil er ein verdammter Zauberer ist! Und immerhin ein Halbblut!
Tja, Muggel werde ich wohl nie verstehen...

Als ich in den Gemeinschaftsraum komme, sind Harrys Vorhänge vom Bett zugezogen. Allein eine von Nevilles Oculi-pflanzen öffnet verschlafen ihr Auge und blinzelt müde zu mir hinüber.
Leises schnarchen ist zu hören, aber ich mache mir nicht die Mühe herauszufinden woher es stammt.
Ich lege meinen Kopf in mein Kissen und denke nach. Vielsafttrank. Ron trainieren. Wahrheit. Vielsafttrank. Ron trainieren. Wahrheit. Gibt es denn keinen anderen Ausweg!?

Ich liege immer noch wach, als die Sonne bereits den Himmel erhellt.
Die Gedanken an meine enttäuschten Eltern halten mich wach. Wenn sie bemerken, dass Ron in meinem Körper steckt; dass ich sie belügen wollte...
Und überhaupt weiß ich ja überhaupt nicht, ob Wiesel mir überhaupt noch Helfen möchte. Dann müsste ich ihnen natürlich alles erzählen.
Aber überhaupt: Will ich den Rest meines lebens Lügen und mich verstellen!? Nein! Nein - das ist meine finale Antwort.
Ich werde mich ihrem Willen nicht beugen! Das darf ich nicht. Ich bin Erwachsen. Ich muss meine eigenen Entscheidungen treffen! Und nicht nur mit meinen Eltern, auch mit Potter will ich etwas wagen.
Mit diesen Entschlüssen ist es einfacher die Augen zu schließen...

Als ich wieder aufwache, bin ich so müde, dass ich am liebsten nicht mal die Augen öffnen würde. Und wenn Harry nicht gerade an meiner Schulter zerren würde wie ein Verrückter, würde ich vermutlich auch genau das machen.
"Was willst du!?", schnauze ich ihm entgegen, während mir die Ereignisse der Nacht langsam wieder einfallen.
"Ich dachte du wärst wütend..."
"MALFOY! Sieh verdammt nochmal in den Spiegel, Malfoy", schreit mir Harry entgegen. Auf einen Schlag bin ich hellwach.
Kann es etwa sein... Könnte ich etwa wieder zurück...
Ich springe aus dem Bett und ignoriere, dass mir dabei schwarz vor Augen wird.
Ich reiße die Badezimmertür auf und keine Sekunde später stehe ich vor dem Spiegel.

Und tatsächlich: meine Haut ist blass, meine Statur bestenfalls schmal. Die weißblonden Strähnen fallen mir in die Stirn, fast bis in die stahlgrauen, klaren Augen.
Ich habe meinen Körper zurück, verdammt! Meinen eigenen Körper!
Mein Spiegelbild strahlt mit der magischen Lampe um die Wette, die das Badezimmer erhellt.
"Sieh dir das an! Seht euch das an, Leute!", rufe ich und sehe zur Tür, wo Potter und ein erstaunter Neville stehen.
"Potter, sieh mich an", rufe ich nochmal, während ich meinen Blick zwischen Spiegelbild und Türspalt schweifen lasse.
Mein Körper ist zurück. Ich hab meinen Körper zurück!

Ich gehe näher zu den beiden und bleibe vor Harry stehen.
Dieser sieht unschlüssig zu mir und scheint erstmal nichts erwidern zu wollen.
Langsam strecke ich meine Hand aus und lasse sie über Harrys Wange gleiten.
"Ich bin zurück", flüster ich. Harry nickt.
"Sehe ich", antwortet er dann doch. Seine Stimme ist rauer als sonst.
Er lächelt mir sanft entgegen.
"Sorry wegen gestern", fügt er dann noch leise hinzu.
"Sag das nicht. Ich hätte nicht... Ich wollte dich eigentlich nicht schlagen..."
Harry lächelt immer noch. Irgendwas hat sich zwischen uns geändert. Elementar geändert.
"Na sag das mal lieber dem blauen Fleck, Draco!". Schmollt er etwa?
"Mach ich", grinse ich zurück und tue plötzlich etwas ganz irres: Ich lehne mich vor und... Auf einmal berühren sich die Lippen von Harry und mir.
Nur ganz kurz, weil Nevilles überwachtes aufatmen uns auseinander fahren lässt.
Der Schwarzhaarige vor mir steht wie erstarrt da. Ohne etwas hinzu zu fügen, schließe ich die Badezimmertür vor seiner Nase.

Ich habe es tatsächlich getan. Ich habe ihn geküsst. Aber was nun? So weit habe ich am Abend zuvor nämlich nicht gedacht. Aber wer hätte auch damit rechnen können, dass ich meinen Körper wieder habe.
Und überhaupt, alle Entscheidung von gestern sind plötzlich surreal. Unrealistisch fast...
Während ich mich im Spiegel betrachte, ruft Harry mir durch die Tür etwas zu. Ich denke jedenfalls, dass er es mir zuruft...
Wenn ich ihn richtig verstanden habe, geht er jetzt zu Ron. Zu den Slytherins.
Was habe ich nur angerichtet?

INSIDER [Drarry/ BEENDET]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt