9. Kapitel

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Ich glaube ich ersticke.
Seit gefühlten 10 Minuten versucht Tessa mich schon zu erdrücken. Na gut, eigentlich umarmt sie mich, aber es fühlt sich eher wie erdrücken an.
Heute ist der erste Tag an dem ich wieder in die Schule gehe.

Ich war 4 Wochen zu Hause. Die wahrscheinlich längsten 4 Wochen meines Lebens.
4 Wochen in denen ich täglich Sitzungen mit meinem Therapeuten hatte.
Ihr fragt euch sicher warum.
Ganz einfach: Ich wollte mich umbringen.

Ich sah keinen Sinn mehr darin, ohne ihn zu leben. Was brachte mir der Schmerz? Was brachte es mir, mich jeden Tag in den Schlaf zu weinen? Gar nichts, rein garnichts.
Ich sah den einzigen Weg ihm wieder nahe zu sein darin, auch zu sterben.

Ich wollte mir die Pulsadern aufschneiden, ganz klassisch mit einer Rasierklinge. Ich hatte gehofft das der Schmerz größer sein würde, als der in meinem Inneren.

Ich hatte schon den ersten Schnitt gemacht, das Blut ronn mir den Arm herunter und vermischte sich mit meinen Tränen, als mein Vater die Tür aufriss. Ich hätte sie abschließen sollen, dann wären mir die ganzen Therapiesitzungen erspart geblieben und vorallem, das ich hier von Tessa halb erdrückt werde.

Apropos Tessa.

"Hoooope, warum warst du nun so lange weg? Ich meine du kannst doch nicht vier Wochen erkältet gewesen sein?? Und warum gehst du nicht ans Telefon? Ich hab mir Sorgen gemacht!"

Ich habe mich schon immer gefragt wie man so schnell reden kann, ohne nebenbei das Atmen zu vergessen.

"Es war keine normale Erkältung, ich hatte Grippe."

"4 Wochen lang?"

"Ist bei mir normal dass sich das so hinzieht."

Ich würde niemandem von meinem Versuch erzählen. Niemandem.

"Ich dachte schon dir wäre sonstwas passiert! Aber ich bin froh das es dir wieder besser geht! Gehen wir eigentlich immernoch zusammen ins Kino?"

"Ähm..ja..ich denke schon."

Ich hatte beschlossen Tessa eine Chance zugeben.

"Super!!! Diesen Samstag? Du kannst auch bei mir übernachten wenn du willst! Und abends können wir zu einer Party gehen! Oh man, das wird so toll!!!"

Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd. Sie sah glücklich aus. Manche Menschen konnte man so einfach glücklich machen..

"Ja, das wird bestimmt toll.." sagte ich und versuchte genauso begeistert wie Tessa zu klingen.

"Natürlich wird es das! Und jetzt lass uns reingehen, es hat schon vor ein paar Minuten geklingelt."

-

Es war eigentlich nicht viel anders als sonst. Ich war wie immer die meiste Zeit nicht bei der Sache, nur diesmal kreisten meine Gedanken nicht nur um ihn, sondern auch um etwas anderes. Ich hatte mir verboten in der Schule an Víto zu denken. Das ich mitten im Unterricht in Tränen ausbrechen würde, wollte ich mir dann doch ersparen.
Nein, die meiste Zeit dachte ich daran, für was ich leben würde, wenn ich nicht für ihn Leben würde. Für was? Ich wusste es nicht.

Eigentlich hatten mir diese ganzen Therapiesitzungen rein garnichts gebracht.
Meine Meinung zum Thema Leben ohne Víto war noch genau die selbe, wie vor 4 Wochen. Wie an dem Tag, an dem ich die Klinge an meinem Arm angesetzt hatte.

Lost HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt