„Mein Herr, Ihr habt mich gerufen?" Der Butler Aurelius verneigte sich vor seinem Gebieter und legte die Hand an seine Brust. „Hm...", entfuhr es dem Grafen nachdenklich, als er seinen alten Freund betrachtete. Sie hatten sich zwei Monate nicht gesehen. „Dein Haar ist lang geworden. Willst du es so lassen?", fragte er, obwohl seines selbst fast bis zum Boden reichte. Aurelius' Haar stand ihm wirr vom Kopf ab, ließ ihn wie einen Stallburschen wirken, der sich eben noch im Heuhaufen vergnügt hatte, was ebenso daran lag, dass sein Haar die Farbe von Stroh besaß. Sein Freund lächelte charmant, erkannte die Ablenkung. Etwas das Sirius ständig tat, wenn er etwas, für ihn unangenehmes, wollte und versuchte das Gespräch immer mit Smalltalk zu starten. Aurelius könnte noch solange weg bleiben, die Angewohnheiten seines Freundes würde er doch nie vergessen.
Beiläufigkeiten, wie Anmerkungen über Aurelius' Haar, oder das Wetter, fanden häufiger Platz in ihren sonst eher kurzen Unterhaltungen, die Sirius derzeit auf ein maximales Minimum beschränkte.
„Das ist doch nicht der Grund, warum Ihr nach mir ruft?" Er hatte den Grafen wiedermal durchschaut. Ertappt blickte dieser zum Fenster und sah Lere bei der Gartenarbeit zu. Sie war ihm seit gestern nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Der blonde Mann folgte seinem Blick neugierig. „Beobachtet Ihr Lere? Sie kümmert sich ausgesprochen gut um alles", sprach er lobend über die junge Frau, die soeben in den Teich fiel.Der Butler grinste amüsiert. „Allerdings zählt Geschick nicht zu ihren Stärken." Nachdenklich tippte sich der Rotäugige mit den Fingern gegen die Lippen. Obwohl sie etwas zurückhaltender war, ist sie nicht vor ihm zurückgewichen, hatte sich sogar zu einem Gespräch hinreißen lassen. „Seid Ihr ihr begegnet?" Sirus nickte steif. „Gestern brachte sie mir das Mittagessen", erklärte er und ließ in seinem Ton durchsickern, dass er sie gern noch einmal gesehen hätte. Seine Augen blickten verträumt zum Garten hinaus, beobachteten Lere, die versuchte wieder auf zu stehen, aber wieder in dem dunklen Wasser landete.
Die Kirschblüten, die im Wasser schwammen, klebten an ihrer Kleidung und in ihrem Haar.
Aurelius zog die Stirn kraus. Sein Herrscher pflegte normalerweise kein großes Interesse an den Bediensteten des Hauses. Sirius' plötzliches Interesse an einer seiner Bediensteten gab Aurelius zu denken. „Hat sie einen Fehler gemacht? Ich kann sie sofort entlassen, wenn Ihr es befiehlt." Sirius brachte seinen Butler mit gehobener Hand zum Schweigen.„Nein, hol sie zu mir." Aurelius verließ das Arbeitszimmer des Grafen, blieb kurz hinter der Tür stehen und verzog verärgert sein Gesicht, biss sich dabei auf die Innenseite seiner linken Wange.
>>Was will er von ihr?<<
Mit geballten Fäusten ging er hinaus in den Garten. Aufmerksam verfolgte der Graf das Geschehen. „Der Herr will dich sprechen", rief Aurelius am Rande des Teiches. Lere, die noch immer in der Mitte des Teiches stand und alles heraus zupfte, was dort nicht sein sollte, rutschte abermals auf dem schlammigen Boden aus. Sie war tatsächlich sehr ungeschickt.
Aurelius sah zum Fenster des Arbeitszimmers hinauf, wo der Graf lachend dem Geschehen zusah. Er hatte selten was zu lachen, weswegen sich Aurelius zwar freute, aber auch ärgerte. Es war eine Weile her, seit Sirius gelacht hat, zumindest nicht aus der Seele, so wie er es in jenem Moment tat, was Aurelius unter anderem störte. Warum konnte er nicht lachen, wenn Aurelius sein Bestes gab, um ihm auch nur ein Schmunzeln zu entlocken?
>>Etwas stimmt doch nicht mit diesem Bauerntrampel! Ist sie eine Hexe?<<, dachte der Butler und machte sich bereits dafür verantwortlich diese Frage zu ergründen. Kein anderes Mädchen in Astera wollte er je näher kennenlernen, anders schien es jedoch mit Lere zu sein. Normalerweise war es auch nicht Sirius' Art, in den Garten zu sehen, doch nachdem Lere erzählte wo sie arbeitete, war er interessiert, mit welcher Sorgfalt sie diese Arbeit anging. Sonst hatte er allerdings stets ein Fenster geöffnet, um seinen geliebten Vögeln zu lauschen, denen er auch an diesem Tag mit Freude zugehört hat, während er sich um Papiere kümmerte.
Wie Aurelius schon sagte, war Lere alles andere als geschickt, aber umso amüsanter, in seinen Augen.
>>Als Hofnarr wäre sie sicher beliebt!<<, dachte Aurelius und schüttelte den Kopf. Er wusste noch ganz genau, wie sie damals zu ihnen gekommen war.
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My lord My servant
Viễn tưởngSeit drei Jahren arbeitete Lere nun schon in der Grafschaft Sirius Gerals, der im Volksmund als der Teufel selbst bekannt war. Lere, die ihren Grafen noch nie gesehen hat, da er stets seinen Diener vorschickte, fürchtete sich, wegen der Gerüchte, di...