Kapitel 4

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„Alles in Ordnung?“ Lere nickte benommen, betrachtete die vorbeiziehende Landschaft durch das Fenster der Kutsche. Graf Sirius, der ihr gegenüber saß, beobachtete sie lächelnd dabei, stützte er sein Kinn auf seine Hand. >>Sie sieht heute glücklich aus.<<
Er war erleichtert, sie bei besserer Laune sehen zu dürfen, als noch vor wenigen Tagen, wo sie ob ihrer Erinnerungen einen Zusammenbruch hatte.
An diesem Tag war es schwer gewesen, sich noch weiter mit ihr zu unterhalten. Ständig kamen wieder Gefühle hoch, die sie Schluchzen und Seinen ließen, sodass sie den Garten seiner Grafschaft nicht verlassen konnten.

Die Woche, in der Lere lernen sollte, war schnell vergangen. Aurelius, der den Lehrer spielen sollte, wurde kurzerhand nach dem Zwischenfall im Garten abgezogen. Statt seiner nahm sich der Graf ihrer an und so kamen sie einander etwas näher. Die Gespräche wurden lockerer, Auch wenn Lere stets höflich blieb, anders als Sirius der es sich erlauben konnte dreist zu sein.

„Dort wo wir hinfahren, ist es dort auch so schön wie die Seelandschaft?“
Atera war an der südlichen Küste von Seen bedeckt, die das Land dort besonders fruchtbar machten, vor allem um Reis anzubauen eignete es sich perfekt, aber auch Trauerweiden prägten die Landschaft mit ihren langen Kleidern, die meist bis zum Boden reichten. Ein gesundes Land, von dem Lere noch nicht viel gesehen hat.

„Dort wo wir hinfahren, wirst du noch mehr Pflanzen sehen. Die Hauptstadt ist ein schier endloser Garten, voll von Leben. Du wirst es lieben!“, versprach er und wagte selbst einen Blick aus dem Fenster.
Die weitere Fahrt verging mit Schweigen, eine angenehme Ruhe, die sich um beide legte. Es war ein angenehmes Gefühl, seinen Gedanken nachgehen zu können, ohne Aurelius Gerede im Hintergrund zu haben, das ihn stetig davon abhielt überhaupt nachzudenken und sich zurück zu ziehen. Leeres Anwesenheit beruhigte ihn, so sehr, dass er für eine kurze Zeit eingenickt war, bis ihn das Kopfsteinpflaster wach rüttelte, über das die Kutsche fuhr.

Nach einer Fahrt von drei Stunden kam die Kutsche zum stehen.
Lere hatte sich die ganze Fahrt nicht beklagt und doch war ihr anzusehen, dass ihr eine Pause nicht geschadet hätte. Fast schon keuchend stützte sie sich an dem Gefährt ab. Ihre Wangen rot und fiebrig, der Rest Kreide bleich. 
„Gibt es keine Verkehrsmittel bei euch?“ Sie schüttelte den Kopf. „Doch“, sagte sie knapp und fasste sich an ihr Herz. Sie hatte noch nie in einem Gefährt gesessen, dafür war ihre Familie zu Arm gewesen. „Wir müssen nicht sofort hinein. Wir können noch etwas im Garten bleiben, bis es dir gut geht.“

Ohne ein Wort von sich zu geben übernahm Lere die Führung, passierte das große verzierte Eisentor, in dessen Mitte zwei Rosen waren. Gleich auf die erste Bank setzte sie sich, krallte sich in die Kante des schönen Holzes. „Warum haltet Ihr Euch verdeckt?“, fragte sie nach einer weiteren Weile des Schweigens.
Sirius hielt Abstand, bemerkte das sie gerade keine Nähe wollte, so dachte er. „Die Menschen können den Anblick meiner dämonischen Augen nur schwer ertragen. Sie machen ihnen Anget.“ Lere sah zu ihm, empfand seinen Anblick alles andere als abschreckend. Ganz im Gegenteil.
Sirius war gutaussehend, wenn auch nicht sehr männlich. Sein spitzes Kinn, die Stupsnase, der schmale Kiefer, die ausgeprägten Wangenknochen. Er war jemand, den man als femininen, aber wunderschönen Mann bezeichnen könnte. Würde man ihn mit einem Tier vergleichen, würde man ihn mit einer Raubkatze gleichsetzen, bei seiner grazielen Gestalt und der Art wie Sirius sich bewegte.

„Setzt Ihr Euch nicht?“
„Ich dachte du magst lieber etwas Abstand halten.“ Stumm schüttelte sie den Kopf, öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch sagte sie nichts.

Langsam näherte er sich der Bank und setzte sich neben sie, zog seine Kapuze ab. Selbst für ein Bankett konnte er nicht ohne seine Robe. „Ihr sagtet, ich solle mich nicht schämen für die Person, die ich bin. Was ist mit Euch?“ Der Mann fuhr sich durch sein seidenes Haar, zerzauste es sogleich, war hin und hergerissen. „Ist es etwas anderes, wenn es um Euch geht? Ich dachte ich solle Euch die Frau spielen, aber Ihr gebt nicht einmal den Mann.“ Mit großen Augen betrachtete er seine Begleitung. In den Vergangenen Tagen wagte sie es kein Mal, so dreist zu sein, doch nun bekam er einen Vorwurf nach dem anderen von ihr zu hören.

„Du erlaubst dir viel, als meine Magd.“ Sirius‘ Augen begannen zu leuchten. Anstatt beleidigt zu sein, fühlte er sich angestachelt, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Ein tiefes rot blickte ihr entgegen, doch sie rührte sich nicht, zuckte nicht einmal mit der Wimper. Unerschütterlich erwiderte sie seinen Blick. „Wie ich sehe, geht es meiner ‚Frau‘ besser. Dann können wir auch hineingehen“, sagte er feierlich und entledigte sich seines Umhangs, den er sich über seine rechte Schulter warf. Höflich bot er Lere seinen Arm an, den sie dankend ablehnte und neben ihm den Saal, über den Garten, betrat.

My lord My servant Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt