Am ersten Tag stand Benehmen auf Leres Plan. Ihre Zeit war nur auf die vierundzwanzig Stunden des Tages begrenzt, von denen sie mindestens vier Stunden zum Schlafen benötigte. Aus diesem Grund kümmerte sich Aurelius, während ihrer Arbeit darum, ihr Lektionen zu erteilen. Das gelang eher schlecht, da Benehmen sich nicht gut bei der Gartenarbeit beibringen ließ. Nichts desto trotz ließ es sich Aurelius nicht nehmen, sie zu triezen.
„Mach keinen Buckel, wenn du dich bückst! Es schickt sich nicht seinen Hintern zu strecken!“ Allmählich konnte Lere seine Lektionen nicht mehr hören. Beim Gärtnern durfte sie sich nicht krümmen, nicht bücken und auch nicht auf dem Boden knien. Mit den Fischen im Teich durfte nicht gespielt werden und die Vögel sollten von außerhalb des Käfigs gefüttert werden. „Wie soll ich denn sonst an die Pflanzen kommen?“, fragte sie bissig und kniete sich ins Wasser. Das ihr Kleid dabei wieder einmal schmutzig wurde, machte ihr nichts aus. Sie war fast immer dreckig, wenn sie im Garten arbeitete, für die Aufgaben im Haus zog sie sich um.
„Du wirst den Grafen mit deinem Benehmen beschämen!“, beschwörte Aurelius erbost und konnte nicht fassen, wie man sich so schlecht anstellen konnte.
Was der Butler allerdings nicht wusste war, dass die beiden aus der Ferne beobachtet wurden. In einen weißen Mantel gehüllt und mit ins Gesicht gezogener Kapuze, stand Sirius, angelehnt an einem Baum. Ein Schmunzeln huschte über seine Lippen, als er Lere hörte, wie sie mit Aurelius stritt. „Bist du sicher, dass du ihn nicht in Verlegenheit bringst, wenn du ihm wie ein treuer Hund folgst? Geht er einen Schritt machst du zwei, nur um ihm in den Hacken zu stehen.“
Sirius kicherte.
Sie hatte genau das ausgesprochen, was ihn schon so lange störte, aber er konnte es seinem Butler einfach nicht abgewöhnen. Aurelius wichen jegliche Züge aus dem Gesicht, die sich in Wut wandelten. Verärgert schob er die Brauen zusammen. Sein Kiefer begann zu mahlen, während er die Zähne zusammen biss.„Ich seh, Madame ist dreist und fühlt sich feiner als der Butler, des Grafen rechte Hand?“ Drohend baute er sich vor der Gärtnerin auf und beäugte sie mit seinen blauen eiskalten Augen unter denen sie zu zittern begann. Es war Wut, die sie in seinen Augen aufkeimen sah.
So erbost hatte Sirius seinen Freund schon lange nicht mehr gesehen, wie in diesem Augenblick.
Aurelius einzige Schwachstelle: Wenn man die Beziehung zwischen ihm und dem Grafen mit Spott verhöhnte, so wie in diesem Augenblick. Ein großer Fehler, den Lere beinahe bereute.
„Eine Schande, dass du es bist, die er bat mit ihm zu gehen!“ Erschrocken stolperte Lere vor dem blonden Mann zurück, als seine dunkle Aura sich von ihm löste. Sein Gesicht, verzerrt vor Wut, trat er näher. Es stand außer Frage, dass er wütend war. Seine Zornesfalte, zwischen seinen Augen, war ausgeprägter als bei jedem anderen, der die Brauen zusammen schob und die Augen zu schmalen Schlitzen verengte.
In diesem Moment war sie sich so sicher, wie noch nie, dass diese Situation ausarten und sie verletzt werden würde. Noch rührte er sich nicht, aber sie wusste, dass er vor hatte sie zu schlagen. Immer weiter ging sie rückwärts, wollte so viel Abstand wie nur möglich zwischen sich und ihm, gewinnen.
„Aurelius!", bellte die erboste Stimme des Grafen. "Wage es dich, solch Schande zu verrichten und du seist nicht länger mein Diener!“
Mit erhobenem Haupt trat Sirius aus dem Schatten einer Trauerweide, dessen bläuliche Äste bis zum Boden reichten. Den Grafen nicht erwartet, zuckte sie zusammen, stolperte rückwärts und spürte den harten Stamm eines Baumes im Rücken, an dem sie zu Boden glitt. Ein kratzendes Geräusch verriet ihr dabei, dass ihr Kleid am Rücken riss.
Bei jedem Schritt, klapperten die Schnallen Sirius' Stiefel, ließen sie bedrohlicher und fester klingen.
„Ziehe dich zurück, bevor ich dich bestrafen muss“, befahl er seinem Freund, der wie ein geschlagener Hund den Kopf senkte und sich mit einer tiefen Verbeugung zurück zog.Lere, die zum ersten Mal die Macht des Grafen spürte, konnte sich nicht rühren, so sehr zitterten ihre Beine und verhinderten es ihr, auf zu stehen. Würde sie auch nur einen Schritt wagen, sie war sich dessen sicher, würde sie direkt zurück auf ihre Knie sinken. Sie spürte ihren Herzschlag bis zum Hals, während sie eine aufkommende Übelkeit bemerkte.
,,Bist du wohl auf?“ Besorgt beäugte er sie, seine Hände deuteten an, dass er sie an den Schultern anfassen wollten. Er spannte seine Hände an, ließ sie sinken, als er ihre, immer noch vor Schock, geweiteten grauen Augen, die ins Leere blickten, sah.
Ängstlich wandte sie den Kopf zur Seite, duckte sich unter seinen Händen weg, als er sich über sie beugte um sie hoch zu ziehen erkannte. „Verzeih, ich mache dir Angst“, bedauerte er und ging in die Knie, sodass er mit ihr auf Augenhöhe war, um nicht mehr all zu bedrohlich auf sie zu wirken.
Überrascht sah sie ihr Gegenüber an. Es war nicht üblich, dass sich ein Herr seines Standes dazu herabließ, seinen Bediensteten zu helfen, wenn sie in Not waren. Ihr wollte kein plausibler Grund einfallen, warum er sich die Mühe, für sie, machte.„Mein Herr?“ Sirius lächelte zurückhaltend und reichte ihr die Hand, die sie nur zögernd ergriff und sich von ihm auf die Beine ziehen lies. Einen längeren Augenblick hielt er ihre Hand noch fest, übte sanften Druck auf sie aus. Seine Augen hafteten an den Händen, die größer waren, als er erwartet hat. Erde klebte noch an ihren rauen Händen.
Sein Daumen streichelte über die Schwielen, entstanden durch die Gartenarbeit, wollten jeden Riss und jede Blase erkunden.
Ein wohliger Schauer durchfuhr sie. Seine warme Hand hinterließ ein angenehmes Gefühl auf ihrer Haut und beruhigte sie von dem Schock. Ihm gefiehl das Gefühl der Hände, einer schwer arbeitenden Frau, auch wenn er sich für sie etwas anderes wünschte, als er eine Blase berührte, die schmerzhaft zu sein schien.
Abrupt zog sie ihre Hand zurück, hatte sich an ihre Ungepflegtheit dieser erinnert.
„Ruf mich doch bitte bei meinem Namen. Graf, oder mein Herr klingt als wäre ich uralt. Weißt du wie ich heiße?“ Lere stieg die Röte ins Gesicht, als sie sein verschmitztes Lächeln sah, als wolle er sie aufziehen. „Sirius Geral.“Der Mann prustete los. Er hatte ein hübsches Lachen. Tief und rau, wie sie es erwartet hatte. Nein, in ihrer Vorstellung klang es nicht ansatzweise so schön und melodisch, wie in der Realität.
Sie erschauderte.
Die Kapuze fiel ihm durch die Erschütterung vom Kopf und hing von seinem Rücken herab. Das Mädchen schnaubte, fühlte sich beleidigt.
„Sirius reicht aus. Wenn wir auf dem Bankett sind, wirst du mich so nennen, also gewöhne dich daran.“ In einer geschmeidigen Bewegung hakte er ihren Arm bei sich ein, zog das Mädchen mit sich, durch den Garten.
Überrumpelt stolperte sie gegen seine Brust, wurde an den Unterarmen festgehalten. „Deine Pflichten sind für heute erfüllt, nicht wahr?“, fragte er wissend und lief voran, ohne ihr die Möglichkeit zur Antwort zu geben.
„Ja, aber wieso fragt Ihr?“
„Sehr schön. Lass uns spazieren gehen!“, sprach er und duldete keinen Widerspruch.
DU LIEST GERADE
My lord My servant
Viễn tưởngSeit drei Jahren arbeitete Lere nun schon in der Grafschaft Sirius Gerals, der im Volksmund als der Teufel selbst bekannt war. Lere, die ihren Grafen noch nie gesehen hat, da er stets seinen Diener vorschickte, fürchtete sich, wegen der Gerüchte, di...