„Woher kommst du? Du kannst es gut verbergen, aber mir ist dennoch nicht entgangen, dass du an das ganze hier nicht gewöhnt bist, an den Adel meine ich.“ Während die beiden durch den Garten liefen, fing der Graf das Gespräch mit einer simplen Frage über Leres Herkunft an, die sie bis dato vehement versuchte zu vergessen.
Tausende von Erinnerungen brachen auf sie ein. Menschen, Flucht, Tote, Feuer. So vieles, das in ihrem Kopf jeher wie ein Albtraum herumspukte, das sie nicht abschütteln konnte, so sehr sie es auch versuchte. Sie schwieg und es entging ihrer Begleitung nicht, dass sie sich unwohl fühlte.Dennoch wühlte er weiter. Er wollte Antworten und Lere sah so aus, als wolle sie sogar ihre Gedanken, die sie wehement quälten, mit ihm teilen, auch wenn sie zögerte.
„Du bist nicht aus Astera. Kommst du aus einem Land ohne Adel, wo von Demokratie und Technologie regiert wird?"
Lere stockte der Atem. Augenblicklich blieb sie stehen, war wie erstarrte. Es war verboten, zwischen den Ländern zu reisen. Es bestand die Gefahr, drastische Veränderungen zu bewirken, die für alle Länder Nachteile haben könnten. Dennoch war der Graf neugierig, was es außerhalb Asteras gab, da er selbst niemals ein anderes Land bereisen können würde.
"Ich sag es niemandem“, versprach er und hob beruhigend seine Hände.
Lere verzog das Gesicht, als würde sie schreckliche Schmerzen durchleiden. „Über die Vergangenheit zu reden soll helfen, über sie hinweg zu kommen, hat ein schlauer Mann einst zu mir gesagt“, sprach er aufmunternd, aber unnachgiebig. „Seid Ihr denn selbst davon los gekommen, von Eurer Vergangenheit?“
Ein trauriges Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit. „Nein, aber ich habe sie akzeptiert und muss nicht mehr unter dem leiden, dass nicht länger unter meiner Kontrolle liegt.“
Nachdenklich musterte Lere ihn von der Seite. Er wirkte wirklich nicht, als würde er noch sehr leiden, auch wenn er bedrückt aussah. >>Er sieht immer traurig aus, wenn ich ihn sehe, jetzt wo ich darüber nachdenke.<< Sirius erwiderte ihren Blick, lenkte sie zum Bach, der sich durch den Garten schlängelte und in einem Fluss einschnürte.
Es gab eine schmale Brücke, die es ermöglichte diesen Fluss zu durchqueren.
Im Schatten der blühenden Bäume, nahm das Wasser ein gemisch aus Farben an, da von der anderen Seite glrichzeitig die Sonne auf das Wasser schien und es in tausende Splitter zerteilte.
„Nur zu. Von mir erfährt niemand was“, versprach er ehrlich. Selbst wenn er gewollt hätte, der einzige Gesprächspartner den er hätte war Aurelius und dem hatte er sicher nicht vor etwas zu erzählen. Ohnehin war Aurelius viel zu neugierig und aufdringlich geworden, seit sie aus dem Westen zurück waren.„Ich bin wirklich nicht aus diesem Land“, gab sie zu und richtete den Blick zum Himmel. Ein paar Möwen flogen über dem Herrenhaus und zogen ihre Kreise über ihren Köpfen. Ganz in der Nähe war die See, dass wusste sie, wollte gern dorthin.
„Dort wo ich herkomme war Krieg, wenn er denn jetzt endlich vorbei ist und ich war mitten im Geschehen, als er ausbrach.“ Unbewusst krallten sich ihre schlanken Finger in den weißen weichen Stoff von Sirius‘ Ärmel, an dessen Arm sie noch eingehakt war. „Wie Ihr wisst, ist es den anderen Ländern verboten, sich einzumischen, da wir aus verschiedenen Welten und Zeiten sind“, erklärte sie, was er längst wusste.
Langsam wurde ihm klar, woher Lere stammte und er bedauerte es umso mehr. „In meinem Land, da… Dort stiftet neue Technologie Chaos. Waffen wurden entwickelt, um sich gegenseitig aus der Ferne zu töten. Bomben, Schusswaffen, alles um den anderen umzubringen.“
Je mehr sie erzählte, desto mehr hatte sie das Gefühl zu ersticken. Ihre Brust schmerzte, ihre Atmung ging schneller. „So viele Tote… Männer, Frauen. Selbst vor Kindern hatte niemand erbarmen. Überall waren Schreie, Feuer, Lärm!“ Ein Schluchzen drang aus ihrer Kehle und die ersten Tränen begannen ihr über das Gesicht zu fließen. Sie hinterließen ein Brennen und zugleich juckte die Haut unter den nassen Striemen. Die Erinnerungen waren noch genauso wie damals, als sie dabei war.
Sie löste sich von Sirius und hob die Hände über den Kopf, während sie noch in derselben Bewegung in die Hocke ging und sich vor und zurück wiegte.
Was hatte er da nur angerichtet?
Ratlos blickte er auf das Mädchen, dass vor Schluchzen zu ersticken drohte.
Wie ein Trampeltier hat er sich aufgeführt und weiter nachgebort, weil seine Neugier es nicht zugelassen hat, dass er ihre Zerissenheit bemerken konnte.
Ein Schmerz durchfuhr ihn.
Der Geschmack von Blut benetzte seine Geschmacksknospen. Süßlich und metallisch. Er hatte sich tatsächlich auf die Lippe gebissen. Seine Zunge fuhr in einer langsamen Bewegung über die schmale Kontur, in der sich merkliche Kerben gebildet hatten. Etwas, das ihn daran erinnern sollte mehr zu trinken.
Seine Augen konnten den Blick nicht von dem bedauernswerten Geschöpf abwenden.Abermals verzog sie ihr Gesicht zu einer Grimasse, schüttelte mit Tränen in den Augen den Kopf und hielt sich die Ohren zu, wollte den nicht vorhandenen Lärm der Bomben ausblenden, der immer noch in ihrem Kopf saß.
„Nirgends ist es sicher, wenn die Menschen immer wieder versuchen andere zu unterwerfen. Krieg gab es auch hier und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der nächste auch hier zur Gegenwart wird!“, schrie sie.
Beruhigend strich er mit seinen behandschuhten Händen über ihre Oberarme, auf denen sich eine starke Gänsehaut gebildet hatte. Ihre Haut fühlte sich selbst unter seinen dünnen Stoffhandschuhen kalt an.
„Du magst Recht haben. Aber ich werde alles tun, damit der Frieden bleibt. Ich verspreche dir, dass du nie wieder solch Gräueltaten erleben musst“, sagte er fest entschlossen und legte eine Hand unter ihr Kinn, um ihr in die Augen sehen zu können. „Habe ich Euer Wort?“ Sirius nickte ernst."Mein Wort zählt."
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My lord My servant
FantasySeit drei Jahren arbeitete Lere nun schon in der Grafschaft Sirius Gerals, der im Volksmund als der Teufel selbst bekannt war. Lere, die ihren Grafen noch nie gesehen hat, da er stets seinen Diener vorschickte, fürchtete sich, wegen der Gerüchte, di...