35. Kapitel Abreise

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Naira

Wind peitschte durch meine Haare, als Norin in den Sturzflug Richtung Erdboden ging. Ich lehnte mich nach vorne und drückte mich an den Rückenzacken vor mir. Immer schneller schoss der Boden auf uns zu, bis ich schon fast einzelne Gräser und Steine auf der Ebene erkennen konnte. Dann, erst kurz bevor wir beide am Boden zerschellten, breitete mein Drache die Flügel aus, und der Ruck durch das plötzliche Abfangen unseres Sturzfluges riss mich fast aus dem improvisierten Sattel.

Mit einem leisen Schrei landete Norin schließlich vor dem Tor des Erebors. Vorsichtig rutschte ich von meinem Platz in ihrem Nacken über die Flügel auf den Boden und ging nach vorne, bis ich direkt unter Norins Kopf stand.

Sie beugte sich zu mir runter und  blinzelte mir zu. "Du schaffst das", flüsterte mein Drache, und stupste mich sanft Richtung Eingang. Ich nickte nur, während ich versuchte die Tränen wegzuwischen, die meine Wangen hinunter rannen. Es war ein schwerer Gang, der mir nun bevorstand, und ich konnte nicht sagen was, was genau daraus werden würde. Denn Norin hatte mir einiges erzählt, wovon ich mich jetzt überzeugen musste, und für den Fall, nur für den Fall dass es wahr wäre, müsste ich einige radikale Schritte einleiten.

Mit wehenden Haaren betrat ich den Erebor, und ließ den blutroten Himmel mit seiner untergehenden Sonne hinter mir. Hoffentlich machte ich trotz dem einfachen, weißen Leinenkleid das ich trug einen einigermaßen majestätischen Eindruck, dachte ich als ich Ori sah, der mir aus einem Gang entgegen kam.

"Seid gegrüßt, Naira", sagte er schüchtern, und lächelte leicht. Sofort schoss mir das in den Kopf, was Norin über ihn gesagt hatte. Klein, lieb, schüchtern und eigentlich viel zu jung für das was er auf dieser Reise erlebt hat, aber er wird damit klarkommen. Mein Drache war während meinem 'Heilungsprozess' nämlich keinesfalls untätig gewesen, nein, sie hatte sich mit jedem Zwerg der Gemeinschaft ausführlich unterhalten. Um sie einzuschätzen, wie Norin gesagt hatte, nachdem sie mir ihren Eindruck der Zwerge inklusive Bilbo gegeben hatte.
Es war interessant zu hören, was sie über die ganze Gemeinschaft dachte, und ich habe auch einige Sachen gesehen, die mir alleine nicht aufgefallen waren.

Aber darüber konnte ich auch noch später nachdenken, jetzt hatte ich eine andere Aufgabe.
"Guten Tag Ori, sagt mir, wie geht es Euch?", fragte ich den Zwerg also.
"Gut, Herrin", antwortete er. "Kann ich etwas für Euch tun?" Ich lächelte breit um Ori zu beruhigen, obwohl ich genau diese Frage von ihm erwartet hatte.

"Ich bräuchte etwas neues zum Anziehen, ich werde ja wohl schlecht weiter in diesem Kittel herumlaufen können. Gibt es hier im Berg denn irgendwo Kleidung, die für meine Größe geeignet ist?" Ori neigte den Kopf und biss sich auf die Lippe.
"Ich bin mit nicht sicher... Ihr habt ja, nun ja, nicht die üblichen Maße eines Zwerges, es sei denn... ", sagte er, und seine Augen leuchteten auf. "Folgt mir, ich habe eine Idee!"

Der Zwerg nahm mich unerwartet am Handgelenk, worauf ich leicht zusammenzuckte, denn Körperkontakt war wirklich nicht meine Stärke und zog mich eilig durch Gänge und Hallen tiefer in den Berg. Dann, nachdem ich in dem Gewirr aus Kreuzungen schon fast die Orientierung verloren hatte, öffnete sich unser Weg in einen großen Raum. Ich riss überrascht die Augen auf. Überall standen hohe Regale, voll mit Büchern und Papieren und die Luft war staubig. Wir waren in einer riesigen Bibliothek, sogar größer als die des Waldkobolds (ich spreche hier aus Erfahrung).

"Das Archiv des Erebors", flüsterte Ori, ehe er die Stimme hob. "Balin, seid Ihr hier? Ich habe eine wichtige Frage an Euch!" Zuerst kam keine Antwort, doch dann hörten wir die schweren Schritte des weißhaarigen Zwerges.
"Aah, Naira wie schön dass Ihr mich besucht! Und Ori! Was führt Euch hier her, zu solch später Stunde?", fragte er fröhlich. "Ich hoffe Ihr seid gut genesen?"

Weltenverschlinger (Hobbit ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt