Kapitel 3 - Kleines, wir müssen mit dir reden

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Nach einigen Augenblicken zog Sally den Vorhang ihres Fensters zu und seufzte leise. Sie sah auf ihr Handgelenk. „Es ist ein Erbstück deiner Mutter." Immer wieder hörte sie diesen Satz in ihren Gedanken.

Sally wusste, dass Ted und Andromeda nicht ihre richtigen Eltern waren. Eines Nachts, als sie 8 Jahre alt war, hatte sie nicht einschlafen können und wollte zu ihren Eltern ins Zimmer. Doch diese waren nicht da gewesen, also war sie hinunter ins Wohnzimmer im Erdgeschoss gegangen. Und da hatte sie Andromeda und Ted reden hören ›wie sie es ihr sagen sollten‹ und, dass sie dann beschlossen hatten ›es ihr dann zu sagen, wenn der Brief kommt‹. Irgendwie hatte Sally zwar schon immer eine leise Ahnung gehabt, da sie weder Ted noch Andromeda ähnlich sah, doch sie hätte nie gedacht, dass es wirklich so war.

Sie gab sich einen Ruck und verließ das Zimmer. Als sie an dem Wandspiegel am Gang vorbeikam, hielt sie kurz an und blickte in ihr eigenes Gesicht, das ihr irgendwie fremd schien. Ihre schwarzen Haare hatten einen leichten Rotstich, was dem Mädchen gefiel. Sie hob die linke Hand und strich sich die Haare hinters Ohr. Sie fragte sich was im unteren Stockwerk auf sie zukam; was Andromeda ihr zu sagen hatte. Und warum ausgerechnet heute. Es musste einen Grund geben.
Gerade wollte sie sich von ihrem Spiegelbild abwenden, da schoss es ihr wie der Blitz.
        
Sallys Augen waren schreckgeweitet. War das ein Traum? Würde sie die ganze Wahrheit erfahren?
Das Mädchen schluckte schwer, warf sich noch einmal einen kurzen Blick zu und betrat dann die Treppe. Sallys Zimmer war im Dachgeschoss, neben einem Gästezimmer und einem Badezimmer. Im mittleren Stockwerk waren das Schlafzimmer ihrer Eltern, das von Nymphadora und das zweite Badezimmer. Und im Erdgeschoss befanden sich Küche, Wohnzimmer, Esszimmer und noch ein Badezimmer.
„Komm rein, Kleines, wir müssen mit dir reden." Sally stand vor der angelehnten Tür des Wohnzimmers, aus der die Stimme ihrer Mutter drang. Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat ein. Allerdings fand sie nicht, wie zuerst vermutet, ihre Mutter und ihren Vater vor, sondern Leute, die sie noch nie zuvor gesehen hatte.
Oder doch...
„Mad-eye?"
Sally wusste zwar nicht, woher sie den Namen des Mannes kannte, der ein herumzischendes Glasauge hatte, aber das würde sich noch herausstellen. Das vernarbte Gesicht des Mannes sah sie an und sie glaubte ein Lächeln zu erkennen. „Hallo, Sally."
„Setz dich, Sally."
Andromeda deutete auf den Stuhl, der gegenüber der Couch stand, auf dem die drei Personen saßen; ihr Vater war nicht dabei.
Sally setzte sich auf den gemütlichen Sessel, den sie so sehr liebte und wurde dann doch etwas nervös. Sie begann mit ihrem neuen Armband zu spielen, um ihre Nervosität zu verbergen; doch es gelang nicht. Die Frau, die neben ihrer Mutter saß, warf einen Blick auf Sallys Handgelenk und ein liebevoller Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht.
„Sally, das sind Alastor Moody und Minerva McGonagall. Du kennst Moody unter dem Namen ‚Mad-eye‹ bereits. Er war es, der dich damals zu uns gebracht hat..." Andromedas Stimme war nun nur mehr ein Flüstern. Sie hatte den Blick zu Boden geheftet als sie das gesagt hatte. Minerva McGonagall legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sie leicht.
„Was ist eigentlich los, Mama?" Sally sah ihre Mutter fragend an und als diese zu weinen begann, war das Mädchen komplett ratlos. Die alte Frau neben Andromeda drückte diese an sich und versuchte sie zu trösten. Sally wusste nicht wie ihr geschah; immerhin dachte sie, dass ihre Mutter ihr einfach alles erklären würde, aber anscheinend war das doch nicht so einfach...
Der Mann mit dem sich ständig bewegenden Glasauge, zog wieder Sallys Aufmerksamkeit auf sich. Als er zu reden begann lauschte die Elfjährige aufmerksam. „Es gibt eine Geschichte, Sally, die jeden Zauberer und jede Hexe in den Bann zieht. Es ist die Geschichte eines Jungen namens Harry Potter." Moody hielt inne und ließ seine Worte auf das Mädchen wirken. Das Schluchzen Andromedas wurde leiser, bis es schließlich ganz aufhörte und auch sie dem Mann zuhörte.
„Vor acht Jahren war ein mächtiger, dunkler Zauberer an der Macht. Sein Name war Lord Voldemort. Er tötete jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Eines Nachts vor acht Jahren, drang er in das Haus der Familie Potter ein. Die Potters waren gute Menschen. Ich kannte sie. Sie waren gute Bekannte von mir. Sie hatten zwei Kinder; einen Jungen und ein Mädchen. Das Mädchen war um zwei Jahre älter als der Junge." Er legte wieder eine kurze Pause ein. Sally wusste nicht wohin das führen sollte, doch die Geschichte zog sie in den Bann.
„James Potter war ein mutiger Mann. Er stellte sich dem Dunklen Lord in den Weg, damit er seine Familie beschützen konnte. Seine Frau Lily versuchte unterdessen die Kinder zu retten. Das Mädchen schickte sie in das Verschwindekabinett. Für den Jungen war es allerdings zu spät. James wurde getötet. Lily wollte ihren Sohn beschützen und opferte sich für ihn. Voldemort schickte seine Anhänger, damit sie das verschwundene Mädchen töten konnten, er selbst wollte noch den Jungen töten. Doch es gelang ihm nicht. Der Fluch prallte auf ihn zurück und traf Voldemort selber. Seitdem ist er verschwunden und Harry Potter ist berühmt für etwas, an das er sich nicht einmal mehr erinnern kann. Seine Anhänger befolgten seinen letzten Auftrag und suchten das Mädchen. Dieses war inzwischen in dem zerstörten Haus von den Johnsons; Freunde der Familie. Harry wurde währenddessen in Sicherheit gebracht. Auroren hatten die Anhänger des Dunklen Lords aufgespürt und waren ihnen gefolgt. Ich selbst war einer davon. Sie wurden festgenommen und in das Zauberergefängnis Askaban gebracht, von dem du sicher schon gehört hast." Sally nickte. Doch Moody wartete nicht auf eine Antwort von ihr und fuhr stattdessen fort.
„Ich ging auf das kleine, verängstigte Mädchen zu, das in einer Ecke kauerte. Sie erkannte mein Gesicht, da ich nur ein paar Stunden zuvor bei ihrer Familie zu Besuch war." Er machte wieder eine kurze Pause. Bisher hatte Alastor Moody die Hände von Sally gemustert. Jetzt sah er ihr direkt in die Augen.
„Sally. Ich war es, der dich gerettet hat. Ich habe dich damals aus dem Haus geholt, in dem du gelandet bist. Ich habe dich eigenhändig hierher gebracht."

Sally war sprachlos. Sie wollte etwas sagen, aber sie konnte nicht. Sie wandte sich an ihre Mutter; hoffte, dass das alles eine Lüge war. Doch ihre Mutter nickte nur.
„Niemand, außer wenigen Eingeweihten, kennt diesen Teil der Geschichte. Niemand weiß, dass Sally Potter damals überlebt hatte."
Sally sah ihn an. Sie versuchte das zu verdauen was er gerade gesagt hatte. „Das heißt...ich...?" Sie schluckte. Mad-eye nickte. „Ja. Du bist das Mädchen. Du bist Sally Potter. Du bist die Tochter von Lily und James. Du bist Harry Potters Schwester. Und du musst dieses Geheimnis für dich behalten so lange es geht." Moody sah ihre tief in die Augen, damit sie verstand, wie ernst es ihm war. „Jeder Zauberer und jede Hexe glaubt, dass du damals auch getötet wurdest oder vermutet dich in irgendeinem Winkel des Erdballens."
Das Mädchen blickte zu Andromeda, die wieder Tränen in den Augen hatte. „Warum habt ihr mir das nie gesagt?" „Wir wollten auf den richtigen Zeitpunkt warten. Dir das alles genau erklären. Damit du verstehst." Ihre Mutter sah Sally entschuldigend an. Bevor Sally allerdings etwas erwidern konnte, übernahm jetzt Minerva McGonagall das Wort, die bisher noch nichts gesagt hatte. „Und der richtige Zeitpunkt war jetzt, da du deinen Brief erhalten hast. Du kannst unmöglich nach Hogwarts gehen, mit dem Namen Sally Potter. Jedes Kind auf dieser Welt kennt die Geschichte und wenn jemand diesen Namen hört, dann werden sie sofort daran erinnert. Du wirst deine sieben Schuljahre unter dem Namen Sally Tonks erleben, wie bisher. Du wirst ein ganz normales Leben führen können. Bist du damit einverstanden?" Die Frau sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen, die keinen Widerspruch duldeten; Sally nickte mechanisch.
„Du kannst wieder zu Bett gehen, Liebling." Andromeda sah sie liebevoll an. Sally stand auf; ebenso Andromeda. Sie umarmte ihre Pflegetochter. „Weißt du, ich habe dich immer geliebt. Nicht, weil die ganze Welt deinen Namen kennt, sondern weil du wie eine Tochter für mich bist. Ich werde dich immer lieben, Sally. Ich bin immer für dich da. Und Daddy auch", flüsterte Andromeda Sally ins Ohr. Das Mädchen nickte unter Tränen. „Ich liebe dich auch, Mum."
Nach einer Minute lösten sich die beiden und Sally ging zur Tür. Als sie die Klinke hinunterdrückte und die Tür öffnete, wandte sie sich noch einmal zu den drei Erwachsenen um. „Weiß Dora...?" Andromeda nickte.
„Ja. Sie weiß es."

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