Kapitel 14: falsche Versprechungen

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Es schmerzte die Gerichtsmedizinerin sehr ihre einstige Freundin zu sehen, aber sie musste sich, so schwer es ihr auch fiel, zusammenreißen und ihren Blick vom Bildschirm wenden, sonst würde sie nur weiterhin wertvolle Zeit vertrödeln. Sie nahm vorsichtig ihr Handy vom Boden und kontaktierte die einzige Person, die ihr in dieser Situation vielleicht weiterhelfen konnte.

Je weiter die beiden Geschwister durch das Gebäude gingen, um so bekannter kam es ihnen vor. Akame erkannte früher, als ihre Schwester, wo sie sich genau befanden, aber sie behielt es für sich, um die Jüngere nicht noch mehr zu beunruhigen. 
Bei der Bauruine handelte es sich um das Bauwerk, in welchem der Junge damals durch einen dummen Fehler ums Leben kam. Chihiros Tochter und einige ihrer damaligen Freundinnen waren daran beteiligt gewesen. 
Akame viel es mit der Zeit immer schwerer Herr über ihre Sinne zu bleiben, denn der Geisterjunge versuchte stetig die Kontrolle über ihren Körper zu erlangen. 
Der Flur endete mit einer verschlossenen Tür, doch in der Dunkelheit tat sich ein weiterer Gang auf, aus welchem die Stimme eines Mädchen erklang. Chihiro war fest davon überzeugt, dass es sich hierbei um Akako handeln musste und ließ die Hand ihrer Schwester los, um den Geräuschen zu folgen. 

Die Ältere folgte ihr langsamen Schrittes, während sie mehr und mehr die Beherrschung über sich selbst verlor. Blut tropfte von ihren Fingerspitzen auf den Boden. Ihr Blick war ebenfalls nach unten gerichtet. Die schwarzen Haare verdeckten das Gesicht der einstigen Ermittlerin. Sie hob den Kopf, wobei ihre Halswirbel ein unnatürliches Knacken von sich gaben. Ihr Körper würde der Kraft des Jungen nicht mehr lange standhalten.
„Akame, Schwester...", hauchte Chihiro mit brüchiger Stimme, als sie nach hinten blickte.
„Lauf!", brachte diese noch hervor, als ihr Fleisch begann von ihrem Gesicht abzublättern, so, dass bereits die Knochen hervorblitzten.
Die Jüngere starrte angsterfüllt zu ihr. Der Körper ihrer großen Schwester knackte immer mehr und verformte sich, bis ihre Leiche wieder ihren zerquetschten Urzustand erreicht hatte. Der Schädel war zerdrückt und die Augäpfel herausgeflutscht. Die Gliedmaßen standen unnatürlich von dem restlichen Körper ab. Obwohl Akame bereits tot war und ihr Körper kontrolliert wurde, besaß sie dennoch einen Beschützerinstinkt ihrer kleinen Schwester gegenüber. Chihiro sah entsetzt zu ihrer Schwester, während ihre Beine langsam nachgaben und sie auf den Boden sacken ließen. Sie streckte ihre Hand zitternd nach der Älteren aus, diese tat es ihr gleich, doch bevor sie sich berühren konnten trat ein Clown, der ihnen gefolgt war, auf die bereits gebrochene Hand der Ermittlerin. 

Die Farben seines Kostüms waren bereits verblasst, die Kleidung stellenweise zerrissen, die Nase durch Blut rot gefärbt, welches ebenso aus seinem Glasgow Smile austrat und in seiner Hand hielt er eine riesige Schere, die nur darauf zu warten schien, jemanden in Zwei zu teilen.
Haruaki war nicht ganz er selbst, als über die Schwarzhaarige lief, denn auch er wurde zu diesem Zeitpunkt von seinem kleinen Bruder zu diesen Taten gezwungen. Er warf einen entschuldigenden Blick auf die entstellte Leiche, ehe er auf die jüngere Schwester zu ging. Diese rührte sich keinen Zentimeter, dafür saß ihr der Schock noch zu sehr in den Knochen. Tränen begannen über ihre Wangen zu rollen, als sie realisierte, dass ihre Schwester tatsächlich gerade vor ihren Augen gestorben war.

Sein Blick glitt an ihr herunter und blieb an ihrer Hand hängen, die krampfhaft etwas festhielt. Den Zettel, den sie von Misaki erhalten hatte, hatte sie seit ihrer Ankunft in der Parallelwelt nicht losgelassen. Er nahm das Stück Papier an sich und warf einen kurzen Blick darauf, als er die Handschrift seiner jüngeren Schwester sah, verstaute er dieses. Er packte Chihiro am Arm und zog sie hoch, bevor er sie mit sich in die Dunkelheit des Flures nahm.
„Du hast dir ja wirklich Zeit gelassen, Haru", kam es von dem Brünetten, der im Raum am Ende des Ganges bereits auf ihn gewartet hatte.
Der Kleinere erhob sich von der alten Holzkiste und schritt auf Chihiro zu, die immer noch von Haruaki festgehalten werden musste.
„Ich dachte, du willst deine Tochter retten, aber jetzt scheint es so, als sei sie dir egal", hauchte er in ihr Ohr.
Sie hatte es nach diesem schrecklichen Ereignis kurzzeitig verdrängt, dass auch ihr eigen Fleisch und Blut an diesem Ort gefangen gehalten wurde.
„W-wo ist sie?", ihre Stimme war brüchig.
Es sammelten sich erneut Tränen in ihren Augen.

„Sie erlebt gerade an eigener Hand, wie es ist langsam keine Luft mehr zu bekommen", entgegnete er mit einem leichten Lächeln auf seinen schmalen Lippen, während er auf die Holzkiste zeigte, auf welcher er bis vor kurzem noch gesessen hatte.
Die Schwarzhaarige wollte zu ihrem Kind, um es aus dieser misslichen Lage zu befreien, doch der Ältere der beiden Brüder ließ sie nicht los. Es schien so, als wusste er, was geschehen würde, wenn sie die Kiste öffnen würde und wollte sie deshalb aufhalten, doch ihr gelang es nach einem weiteren beherzten Versuch, sich von ihm loszureißen. Sie öffnete die Truhe, allerdings war diese, anders wie erwartet, leer.
„Wo ist sie, was hast du mit ihr gemacht?!", fragte sie aufgewühlt.
Sie durfte Akako nicht auch noch verlieren.

„Dachtest du wirklich, ich würde es dir so leicht machen? Ich meine, sieh dich doch einmal um, mittlerweile dürftest sogar du wissen, wo wir uns hier befinden, obwohl du versucht hast die Taten deiner Tochter zu verdrängen", ein zorniger Unterton schwang in seiner Stimme mit.
Er hätte das Spiel schon lange beendet, aber er wollte die Schwarzhaarige noch etwas leiden sehen.
„Ich gebe dir eine Stunde Zeit deine Tochter zu finden, solltest du es nicht rechtzeitig schaffen, wirst du sterben, sollte es dir gelingen, werde ich dich gehen lassen", verkündete er grinsend.
„Und was wird aus meiner Tochter?"

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