Kapitel 6: Schmerzhafte Bitte

45 5 8
                                    

„Die Obduktion ergab, dass das Opfer bereits tot war, als es verbrannt wurde. Das Opfer wurde mit einem spitzen Gegenstand ermordet, man vermutet, dass es sich hierbei um eine Axt beziehungsweise ein Beil handelt. Es gab keine Augenzeugen, die gesehen haben, wie der Täter das Gebäude betreten oder verlassen hat. Zudem ist es niemandem aufgefallen, dass das Wohnheim gebrannt hat, bis es in sich zusammengefallen ist. Laut der Spurensicherung wurde Brandbeschleuniger verwendet, allerdings ist zeitgleich an mehreren Orten, an denen kein Brandbeschleuniger festgestellt werden konnte, Feuer ausgebrochen", fasste sie noch einmal alle bekannten Fakten zusammen.

„Sehr seltsam", meldete sich Toshio zu Wort.
„Das ist alles, was dir dazu einfällt?! Wenn du mich fragst, grenzt das an ein Ding der Unmöglichkeit", entgegnete sie angesäuert.
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sich das Feuer so schnell ausgebreitet hatte, ohne, dass nachgeholfen wurde.
„Was ist eigentlich mit der Kamera, die am Tatort gefunden wurde?", hakte der Schwarzhaarige nach und überging dabei ihren kleinen Ausbruch.
Er kannte sie bereits lange genug, um zu wissen, dass sie sich sonst nur weiter hineinsteigern würde, was zu nichts führen würde.

„Du meinst wohl das, was von ihr übrig ist. Masaru arbeitet noch daran brauchbare Beweismittel wiederherzustellen", erwiderte sie bereits wesentlich ruhiger.
„Das wird sicherlich noch etwas dauern, du weißt, was das zu bedeuten hat", meinte er.
Sie wusste es genau, sie liebte zwar ihren Job, aber das fiel ihr doch jedes Mal auf's Neue schwer. Akame war nicht die Einzige, der es so ging, den meisten ihrer Kollegen fiel der Gang zu den Angehörigen des Opfers nicht leicht. Die Ermittlerin konnte sich etwas schöneres vorstellen, als bald der Mutter von Seiko gegenüberzustehen.

Vor dem Haus der Familie Shimizu schnürte sich die Kehle der Schwarzhaarigen zu und in ihrer Brust breitete sich ein beklemmendes Gefühl aus. Seit dem Fall damals, als sie erst ein paar Jahre Detective der Mordkommission war, brachte sie es nicht fertig, den Eltern die Nachricht über den Tod ihres Kindes mitzuteilen. Zu sehr hatte sie der Fall mitgenommen, bis heute hatte sie ihn nicht vollständig verarbeiten können. Toshio, als ihr langjähriger Kollege, wusste davon und nahm ihr jedes Mal auf's Neue diese Bürde ab, um es ihr wenigstens etwas erträglicher zu machen. Er selbst hatte mit diesem Fall, der sie traumatisiert hatte, nichts zu tun. Er kam erst später dazu, dennoch hatte er sich seit jeher zur Aufgabe gemacht auf seine temperamentvolle Partnerin acht zu geben und sie, so gut es ging, zu unterstützen.

Er betätigte die Klingel und kurz darauf öffnete eine brünette Frau in den frühen Vierzigern die Eingangsforte.
„Guten Tag, sind Sie Frau Shimizu?", begann er, worauf sein Gegenüber leicht überrascht nickte, weshalb er fortfuhr.
„Mein Name ist Toshio Okajima und das ist meine Partnerin Akame Yanagashima, wir sind Detectives von der Mordermittlung. Wir würden gerne mit Ihnen über Ihre Tochter sprechen, dürfen wir eintreten?", machte er mit der üblichen Begrüßung weiter, die er bereits im Schlaf aufsagen konnte.

Sie hatte sich schon Sorgen um ihr Kind gemacht, da sie es am gestrigen Tag und auch heute nicht erreichen konnte, aber, dass so etwas schreckliches geschehen ist, hätte sie sich nicht einmal in ihren schlimmsten Alpträumen ausmalen können. Perplex, über die Erkenntnis, dass ihre geliebte Tochter womöglich ermordet wurde, trat sie von der Tür weg und ließ die beiden Ermittler herein. Mit wackeligen Beinen stolperte die Frau voran ins Wohnzimmer, wo sie bis gerade eben nichts ahnend auf der Couch gesessen hatte.

„Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber Ihre Tochter wurde ermordet", begann er erneut.
Die brünette Frau hielt sich die Hand vor den Mund und versuchte krampfhaft ihr Schluchzen zu unterdrücken. Sie hatte es zwar bereits angenommen, doch es auch noch einmal bestätigt zu bekommen schmerzte umso mehr.
„Frau Shimizu, wir würden uns gern einen Moment umsehen, wenn es genehm ist", sprach er, so wie höflich, wie möglich.
Man hatte es ihm während seiner Ausbildung eingetrichtert, dass man mit den Angehörigen so sanft und respektvoll, wie es die derzeitige Situation erlaubt, sein soll.
Die Angesprochene brachte nur ein Nicken zustande.
„Hatte Ihre Tochter hier ein Zimmer? Dort würden wir gerne beginnen", meinte er und sah zu ihr, da schon eine kleine Geste hilfreich sein konnte.

FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt