„Warum bist du hier, Sofie?"
In meiner Kaffeetasse finde ich mehr Tiefe als in den Augen meines Arztes. Er spricht in diesem Tonfall mit mir, den ich nicht leiden kann, weil er am Rollenverständnis meines Gegenübers keinen Zweifel lässt. Ich bin das Kind, er der Erwachsene. Eigentlich kann ich ja gar nicht verstehen, was um mich herum passiert, weil mir die Erfahrung fehlt, und natürlich sind alle Probleme, die ich zu haben glaube, ein pubertärer Schrei nach Aufmerksamkeit.
Weil ich keinen Sinn in dem Versuch sehe, dieses offensichtlich gefestigte Weltbild anzufechten, bleibe ich stumm. Prompt wird mein Schweigen als Beweis für jugendliche Gedankenlosigkeit interpretiert, fachliches Desinteresse trifft auf persönliche Überheblichkeit und ich senke den Blick, bevor mein Arzt in einem zufälligen Anflug von Empathie Unmut in meinen Augen erkennen könnte. Die zugegebenermaßen naive Hoffnung auf ein Allheilmittel verflüchtigt sich schneller als die dünnen Dampfschwaden über meinem Kaffee und noch bevor ein weiteres Wort gefallen ist, weiß ich, dass ich an diesem Ort nicht richtig bin. Ich gebe zu, dass ich dazu neige, meine eigene Expertenmeinung der anderer vorzuziehen, wenn es um mich geht. Das macht es Menschen, die mir etwas über mich beibringen wollen, meist schwer.
In einem Anflug von Optimismus beschließe ich, mich kooperativ zu zeigen und werfe meinem Arzt ein Puzzlestückchen zu. „Ich habe ein Problem mit Erwartungen."
Auf eine kurze, irritierte Stille folgt eine sicherlich wohldurchdachte Antwort. „Ah."
Ich nehme einen Schluck Kaffee und beginne, mich in Geduld zu üben.
* * *
Vielen lieben Dank nochmal an Wings für das fantastische cover! Schaut euch ihre Sachen auf pinterest an <3
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Dead Girl Walking
Teen FictionAm Tag meiner Entlassung liegt Schnee. Ich setze einen Fuß vor den anderen, so bewusst wie noch nie zuvor in meinem Leben, und überquere die Schwelle mit einem einzigen Schritt. Tür zu, Augen auf, da bin ich. ... Sofie wird nach einer Überdosis in d...