„Also, guten Appetit!"
Das soll wohl ein Witz sein. Was hier stattfindet, das ist keine gemeinsame Mahlzeit, das ist Krieg. Krieg gegen die Betreuer, gegen sich selbst, gegen die Berge und Berge von Essen auf den glänzenden Teller und gegeneinander, ein Krieg aus Blicken und Bissen und Leid. Ich sitze zwischen zerbrechlichen Mädchen aus Haut und Knochen, Mädchen aus Glas mit Tränen in den Augen, und starre auf meinen Teller, der mir rücksichtslos leer vorkommt im Vergleich zu den Massen von Nahrung, mit denen die Essgestörten zu kämpfen haben. Die Essgestörten. Das ist etwas, was ich schon gelernt habe – hier wird man nach Krankheiten eingeteilt in hübsche, übersichtliche Gruppen. Die Essgestörten. Die Depressiven. Die Borderliner. Die Autisten.
Und die total Durchgeknallten, mit denen niemand etwas zu tun haben will.
Ich starre auf meinen Teller, schiebe mein Essen hin und her. Jeder Bissen wird zehnfach überwacht von der geballten Perfektion um mich herum. Ich schlucke, allerdings kein Essen. Sondern mein eigenes Päckchen, das mit Nulldiäten, wochenlangen Schwebezuständen und zornigen Narben auf meinem Bauch gefüllt ist. Das weiß hier niemand und so soll es auch bleiben. Ich habe ein Problem mit Fremdbestimmtheit.
Offensichtlich kein so großes wie diese Mädchen um mich herum.
Mit dem Gefühl, reines Fett aufzunehmen, schiebe ich unter den mahnenden Blicken der Betreuerin einen Bissen nach dem anderen in meinen Mund und zwinge mich mit aller Kraft, nicht daran zu denken, dass mein BMI irgendwo weit, weit über dem Durchschnitt an diesem Tisch liegt.
Auf die Mahlzeiten werde ich mich in Zukunft besonders freuen.
DU LIEST GERADE
Dead Girl Walking
Teen FictionAm Tag meiner Entlassung liegt Schnee. Ich setze einen Fuß vor den anderen, so bewusst wie noch nie zuvor in meinem Leben, und überquere die Schwelle mit einem einzigen Schritt. Tür zu, Augen auf, da bin ich. ... Sofie wird nach einer Überdosis in d...