Lira II
Ich schäle eine Orange und nehme einen Schluck von meinem Tee. Vor mir steht der gedeckte Tisch, welcher auf dem unebenen Steinboden leicht kippelt. Der Stuhl mir gegenüber ist leer, denn Can steht einige Meter weiter weg inmitten des grünen zugewachsenen Gartens, von dem wir genau auf die unberührte Natur und die hohen Berge blicken. Er trägt ein weites Sommerhemd, raucht einen Joint und telefoniert. Ich ziehe ein Bein an und lege meinen Kopf auf meinem Knie ab. Eine warme Brise Sommerwind zieht über die Terrasse und lässt meine braunen Haarsträhnen verwehen. Als ich wieder aufblicke ruht Cans Blick auf mir. Ich lächle. Er lächelt.
Er nimmt das Handy vom Ohr und legt auf. Ich stehe auf und laufe zu ihm rüber. Bekleidet bin ich nur mit einem T-Shirt von Can und einem Armani Tanga, welchen ich mir vor drei Jahren auf Klassenfahrt in Spanien mit Lina an einem billo Strandstand gekauft habe. Nicht dass ich jemals so viel Geld für Unterwäsche ausgeben würde. Can dreht sich wieder zu den Bergen und ich lege meine Arme von hinten um seinen Oberkörper. Er legt seine Hände um meine und ich lasse den Kopf an seinem Rücken ruhen und schließe die Augen. In diesem Jahr ist so viel passiert. Hätte mich letzten Juli jemand gefragt, wo ich mich nächstes Jahr sehe, hätte ich nicht antworten können. Vielleicht auf dem Fensterbrett meiner Wohnung mit einer Kippe in der Hand. Gelangweilt von meinem Alltag und unentschlossen was ich tun soll. Doch stattdessen habe ich Can näher kennengelernt. Mich verliebt und plötzlich viel mehr in ihm gesehen als zuvor. Er hat mir seine Songs gezeigt und mich Nachts bis vor die Haustür gebracht. Mich voller Freude angerufen, als sein erster Song zum Hit geworden ist, mich mit Abu bei der Arbeit besucht und sein erstes ehrlich verdientes Geld auf den Kopf gehauen. Wir haben unseren Lieblingsplatz, die Parkbank gefunden und dort Joints geraucht. Er stand Nachts vor meiner Tür und hat mich beruhigt als ich Stress mit Rb hatte. Mich an Silvester um null Uhr geküsst und dann mit mir das Feuerwerk am Himmel bewundert. Im Januar darauf hat er mir versprochen, mich nach Paris mit zunehmen sobald er sich die schicken Hotels leisten kann. Als ich Schulden bei den Rahims hatte und er es mitbekam, versuchte er mich aus allem rauszuhalten und übernahm meine Aufgabe. Wenige Wochen später als mir diese eklige Sache in der Ubahn passierte war er schon wieder direkt zur Stelle und fand mich in der Bahnhofstoilette auf. Und dann nach der gefühlt schlimmsten Nacht meines Lebens in der Charlotte und ich gemeinsam bei mir auf unsere Freunde warteten, unsicher wie es ihnen geht, hat er mich endlich mit nach Paris genommen und von da dann hier hin. An diesen malerischen ruhigen Ort mitten in der Türkei. Ich hoffe das ich genauso viel Positives in sein Leben gebracht habe wie er in meins.
Vorgestern habe ich seine Verwandten kennengelernt, die in einem Nebenort leben. Seine Tante hat mich total fasziniert, weil sie so eine umwerfende Ausstrahlung mit ihren dunkelbraunen Locken und dem breiten Lächeln hat. Am allermeisten mag ich allerdings seinen Großvater, der mich immer aufmunternd und interessiert angelächelt hat, obwohl wir uns leider nicht unterhalten konnten, da er nur Türkisch spricht. Mit den jüngeren konnte ich Englisch reden und wenn Can im Restaurant auf Türkisch mit den Kellnern geredet hat, habe ich immer fasziniert gelauscht. Aus seinem Mund klingen einfach alle Worte schön.
Der Rauch von seinem qualmenden Joint steigt in meine Nasenflügel und ich löse mich aus der Umarmung jedoch nicht, ohne vorher nochmal tief den Geruch seines Hemds zu inhalieren. Ich werde diesen Duft niemals in Worte fassen können, aber er riecht so gut. Can dreht sich um und hält mir den Joint an meine Lippen. Ich nehme einen langen Zug und sehe ihm tief in die Augen während zwischen unseren Gesichtern der Rauch aus meinem Mund aufsteigt. „Mein Schatz", sagt er nur und ich ziehe ihn wieder an mich in eine feste Umarmung.
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Heut fahr'n wir durch Hood und woll'n Tausender verdienen
FanficVORTSETZUNG von Wir sind Engel doch gefall'n, 2000 in Berlin Sie polieren ihr verstaubtes Ich und tun auf Gangster Vor den 50 Gläsern war'n wir alle mal verklemmter Wir machen auf gesund, aber werden kränker Im Herzen sind wir Penner, aber tun auf B...