Ich klammere mich so fest an die Vergangenheit, dass ich nach Jahren immer noch von Menschen träume, deren Gegenwart ich schon lange nicht mehr kenne und es ist mir bewusst, dass es gar nicht mehr die Person sein kann, es ist die Zeit die ich vermisse. Ich vermisse es mich lächeln zu sehen, ich vermisse es jemandem Liebe zu zeigen, ich vermisse es mich geborgen zu fühlen.
Ich heuchle mir vor, dass die Bestätigung von wildfremden Mädchen, die ich im betäubten Zustand kennenlerne, mir dieselbe Geborgenheit geben, wie das Legen meines Kopfes auf den Schoß einer geliebten Person, während meine mittellangen weichen schwarzen Haare, mit äußerster Fürsorge von ihr gekrault werden.
Ich habe die Augen offen, wenn mich diese leeren Silhouetten küssen, ich bin selber eine leere Silhouette. Weder die Umarmung noch jeder weitere Akt geschieht aus Leidenschaft, es ist wie Autofahren ich denke gar nicht mehr darüber nach, ich bin ein Roboter - gefangen in einem warmen Körper. Nur manchmal ganz kurz habe ich Spaß daran und versuche diesen Moment zu fassen, jedoch entgleitet es mir, sobald es mir auffällt. Dann möchte ich aufstehen und gehen. Möchte zu meinem Auto und einsteigen. Den Motor starten und losfahren. Den nächsten Baum anvisieren und mit voller Geschwindigkeit reinfahren.
Ich tue es nicht. Stattdessen fahre ich zur nächsten Tankstelle und kaufe zwei Flaschen Weißwein. Die erste trinke ich an einem verlassenen Ort und hoffe, dass es zum Regnen anfängt. Ich habe das Gefühl, dass der Himmel mit mir weint, wenn es regnet. Die zweite trinke ich im Auto. Ich fahre viel zu schnell und warte verzweifelt auf den Mut gegen einen Baum zu lenken. Doch ich tue es wieder nicht. Jetzt bin ich am Parkplatz vor meiner Wohnung und breche in Tränen aus - Tränen der Einsamkeit. Ich wische sie mir weg und gehe nachhause. Lächelnd geh ich durch die Wohnung und tue so als ob nichts gewesen ist, schaue mir ein paar YouTube Videos an und schlafe ein.
Ich wache um drei in der früh auf und hab schon wieder von dir geträumt. Vielleicht habe ich ja heute die Courage den Baum zu küssen, vielleicht fühlt sich der Baum nicht wie eine Silhouette an, sondern wie die so ersehnte Vergangenheit. Vielleicht kann ich dich dann endlich wieder sehen, ich bin bald da, warte auf mich.
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Thoughts at Night
PoetryNihilistische Kurzgeschichten - Die meine Gedanken und Erfahrungen widerspiegeln.