Ich bin gerade von einer dieser immer häufiger werdenden schleierhaften Nächten, an denen man zu viel gesoffen und gekifft hatte, in der Arbeit angekommen. Beim Eintreten in das Büro musterte mein Kollege mein Outfit. Ich hatte ein weißes Adidas T-Shirt mit jugendlichem, verwaschenem Aufdruck in schwarz an. Meine Hose war vollbedeckt mit Katzenhaaren, der Hauskatze meines Bekannten, bei dem ich geschlafen hatte. In der Hosentasche hatte ich ein kleines Kartenetui und mein Handy, das keinen Akku mehr hatte.
Über Nacht hatte ich den größten Teil des Alkoholes ausgeschwitzt und heute stinkte ich dafür. Wäre ich gestern ernsthaft noch mit dem Auto gefahren? In dem Zustand, in dem ich mich befand, wäre es wohl schlimm ausgegangen. Am Weg in die Arbeit bemerkte ich, dass ich in die falsche Richtung fuhr und nahm die erstbeste Gelegenheit wahr, um an einer Kreuzung umzudrehen.
Also umdrehen – Ich sehe sie in dieselbe Richtung einbiegen. Ich sehe sie an, sie ist Ende 20, brünette Haare, hat ein Muttermal auf der linken Seite ihres Kinnes, eigentlich ganz süß. Bis sich unsere Augen treffen würden, hatten sich unsere Autos schon fasst geküsst. Sie bremste im letzten Moment und wir entgingen haarscharf einem Unfall, an dem ich Schuld gewesen wäre und zusätzlich hatte ich noch Alkohol vom Vorabend im Blut.
Im ersten Moment drückte ich das Gaspedal bis zum Anschlag runter, um der Situation zu entfliehen. Ich fühlte mein Herz aus der Brust springen und schrie einmal kurz. Versuch tief ein- und auszuatmen, dachte ich mir. Einen kurzen Moment später holte sie mich ein.
Während sie mich wohl mit Schimpfwörtern zudeckte, beobachtete ich ihre Lippen, aus denen immer wieder ein einzelner Tropfen Speichel entwich. Ihr schreien törnte mich an, doch weder antwortete ich ihr noch sah ich weg, ein paar Sekunden lang war ich gefangen in diesem Moment, bis sie noch einige Male auf die Hupe drückte, den Motor aufheulen ließ und sich aus dem Staub machte. Ich sah dem Heck ihres Autos hinterher, als wäre es der wohlgeformte Hintern einer hübschen Frau.
Nun sitze ich im Büro, nachdem es fast geknallt hätte und alles ist wie immer. Nichts hatte sich verändert, jeder an der Arbeit, die Maschinerie läuft weiter, als wäre nichts passiert. Wieso störte mich das, wie sollte das jemand mitbekommen haben und im Endeffekt ist ja auch nichts passiert. Es störte mich, weil mir der Gedanke der Sinnlosigkeit meines Lebens in die Fresse schlug, egal was mir in meinem Leben passieren wird die Welt dreht sich auch ohne mich,
und auch ohne dich.
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Thoughts at Night
PoetryNihilistische Kurzgeschichten - Die meine Gedanken und Erfahrungen widerspiegeln.