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"[Y/N]", hörte ich es über meinen Gartenzaun rufen. Ich blickte von meinen Unterlagen und entdeckte einen blonden Schopf, der nur über den Zaun gucken konnte, weil er ein Stück den Zaun empor geklettert war.
"Wollen wir heute wieder zusammen an den Fluss? Ich hab einen neuen Kescher und diesmal fange ich bestimmt einen Fisch!", aufgeregt wippte er hoch und runter und sah mich mit freudigen Augen an.

"Carl, ich muss erst noch lernen. Aber danach in Ordnung?", vertröstete ich ihn.

Er verzog schmollend seine Lippen.
"Später muss ich schlafen. Dann hast du genug Zeit zum lernen, vorher gehen wir an den Fluss!", versuchte er mich zu überreden.

Ich sah auf meinen dicken Ordner, die voll waren mit Papieren über ausgerotteten Krankheiten und Bakterien. Seuzfend sah ich auf. Ich verstehe sowieso nicht, warum wir das Wissen mussten.
Das Medizin Studium war schon schwer genug, warum also meinen Kopf noch mit Krankheiten vollhauen, die sowieso unwichtig waren.

"Hast du schon mit deinen Eltern gesprochen?", fragte ich ihn. Mit Fabian und Ella war ich seit der Grundschule befreundet. Wir unternahmen viel und oft vertrauten sie mir auch ihren Sohn an. Es war kein seltener Anblick, dass ich mit dem kleinen Unterwegs war.

"Ja, sie haben nur gesagt, dass wir zum Abendessen zurück sein sollen. Also kommst du mit ?", wieder erstrahlte Hoffnung in seinen Augen und ich lachte, als ich den Laptop und den Ordner zu klappte und nickte.

"JUHUU!", schrie er auf. Er rannte noch mal zum Haus, brüllt seinen Abschied durch die Haustür, schnappte sich seinen Kescher und schon wartete er ungeduldig vor seinem Gartentürchen.

"Wer als letztes am Fluss ist, ist ein faules Eiiii~", schrie er und rannte los. Ich lachte und sprintete dann los, um den kleinen einzuholen. Doch er war ziemlich flink.

Keuchend stand ich neben Carl am Steg des Flusses und tadelnd sah er zu mir.
"Du solltest wirklich weniger am Laptop sitzen und lieber etwas für deine Fitness tun.", spottete er.

"Halt...Halt die Klappe, du Rotznase.!", brachte ich keuchend hervor. In Carl sah ich seinen Vater. Er war ein totaler Sportjunkie und das schien auf Carl ab zu färben. Er joggte liebend gerne mit seinem Vater mit und auch gegen den Boxsack in ihrem Keller, hatte Carl für seine 10 Jahre gute Chancen.

Er ließ mich noch einige male Luft holen, ehe er weiter drängte nach den Fischen ausschau zu halten.

Wir setzten uns an den Steg und starrten ins Wasser. Es war unbewölkt und Windstill. Ein Perfekter Tag, um die Fische im Fluss zu erkennen. Doch heute wollten sie nicht wirklich nah an uns heran schwimmen. Als würden sie wissen, dass Carl nur auf den richtigen Moment wartete, um einen von ihnen zu schnappen.

Carl stöhnte bereits genervt und ließ den Kescher sinken, als ich ihn anstupste und auf einen dicken Fisch zeigte, der direkt auf uns zu kam. Sofort sprang Carl mit einer geschmeidigen und vorsichtigen Bewegung auf und legte sich auf die Lauer.

Ich war so angepannt, dass ich sogar meine Luft anhielt, als der Fisch immer näher kam.
Ich spürte, wie Carl bereit war und nach dem Fisch greifen wollte, doch ich hielt ihn auf.
"Warte noch. Er wiegt sich in Sicherheit, also lass ihn ruhig noch ein weniger näher kommen.", flüsterte ich so leise wie möglich und Carl wartete.

"Jetzt!", stieß ich auf und Carl steckte sofort den Kescher ins Wasser. Ich sah, dass es ihn große Anstrengung kostete, den Kescher fest zu halten, also umfasste ich diesen ebenfalls.

"WIR HABEN IHN!", schrie Carl auf und versuchte mit aller Anstrengung, den Kescher aus dem
Wasser zu ziehen.
Wir beide zogen so fest wir konnten, doch das Ding rührte sich kein Stück näher zu uns. Was hatten wir da gefangen? Einen Wal?

Wir versuchten es nocheinmal, doch plötzlich riss es uns mit einem gewaltigen Ruck in die andere Richtung.
Wir verloren das Gleichgewicht und dann spürte ich nur noch, wie sich das kalte Wasser um meinen Körper wickelte.
Ich zog mich nach oben und hörte sofort meinen Namen.
Carl strampelte panisch neben mich und ich griff ihn mit meinem Arm und zog ihn zu mir. Mit dem anderem kämpfte ich mich durch die Strömung.
Ich sah, dass der Steg bereits einige Meter von uns entfernt war, doch ich versuchte ihn immer noch zu erreichen.

Ich hörte panische Stimmen, um mich herum, doch ich ignorierte sie. Ich musste uns beide hier raus holen.
Immer wieder tauchte ich mit meinem Kopf unter Wasser, doch ich trampelte mich jedes Mal hoch.
Durch die Kälte und die Anstrengung spürte ich kaum noch meinen Körper, doch ich wusste, es wäre unser beider Todesurteil, wenn ich aufgeben würde.

Ich strampelte nur noch unbeholfen weiter, als sich wieder ein schwappen Wasser über meinen Kopf verteilte. Ich hielt die Augen angestrengt offen und versuchte mich nach oben zu arbeiten, ohne Carl loslassen zu müssen.

Ich sah an der Wasseroberfläche das Leuchten der Sonne, doch sie wurde durch schwarze Punkte, die vor meinen Augen auftauchten, verdeckt.
Ein plötzlich auftretender greller Blitz erschien, bevor mich die Dunkelheit übermannte und ich spürte, wie Carl aus meinen Armen glitt....



Ein leises Tropfen drang in mein Bewusstsein. Ich spürte nichts, ich hatte keine Schmerzen. Wieder ein Tropfen. Was war das?
Ich versuchte mich auf meine Umgebung zu konzentrieren und nun merkte ich, dass ich fror. Hier war es Arschkalt.
Wieder ein Tropfen.
Nun hörte ich ein leises Flüstern. Ich erkannte die Stimme nicht und ich verstand nicht was sie sagte.
Dann antwortete eine weitere Stimme. Sie war etwas höher, doch genauso leise. Ich kannte sie, doch woher. Die Stimme zitterte. Hatte sie Angst?

CARL!
Ich erkannte, dass die zitternde Stimme ihm gehören musste. Ich spürte mein Herz gegen meine Brust hämmern, noch bevor ich die Augen aufriss.
Ich bemerkte, dass ich lag und setzte mich sofort auf.
Ein fürchterlicher Schwindel überkam mich und ich brauchte einen Moment, bis ich mich Orientieren konnte.

Das erste, was ich klar erkennen konnte, waren ein Paar graue, kalte Augen, die mich anstarrten und eine monotone, tiefe Stimme dazu:
"Auch endlich mal wach, Weib?"

LEVI X READER // ~Ein neues Leben~ // ABGESCHLOSSEN//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt