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Noch weitere Menschen starben an den Folgen der Pocken, doch Levi hatte mich, wie er es mir versprochen hatte, nicht alleine gelassen.
Jedes Mal, wenn ich kurz vor einem zusammenbruch war, war er da und half mir, mich wieder zu sammeln.

Nach einer Woche konnte ich, nachdem immer noch keine Symptome aufgetaucht waren, die Wohnstrikte entlassen und so konnte auch Erwin nun endlich seiner Arbeit nachgehen. Er hatte sich bei mir bedankt, dass ich so hartnäckig geblieben bin und somit vielen Menschen das Leben gerettet hatte.


Hanji kam pfeifend auf mich zu geschlendert, als ich gerade Verbandsmaterial abkochte. Breit grinsend legte sie mir einen Arm um meine Schulter.

"Shorty hat gute Laune~", trällerte sie und ich verdrehte die Augen. Seit sie uns bei unserem fast Kuss erwischt hatte, drehte sich ihr gesamtes Leben nur noch darum.

"Ja, und?", fragte ich, nachdem sie mir noch näher kam und mich abwartend ansah.

"Ich hab gesehen, wie er heute morgen, aus deinem Zimmer kam." berichtete sie und wippte dabei mit ihren Augenbrauen.

"Ja...und?!", fragte ich ein wenig gereizter.

"Ich will Details hören~", begann sie wieder zu trällern.

"Die wirst du nicht kriegen."

"Sei nicht so spießig. Ist er ein softy im Bett oder mag er es hart und versaut?"

"HANJI!"

"Was? Ich kann mir beides bei ihm vorstellen! Also sag schon. Ich kann nicht schon wieder die ganze Nacht wachbleiben, damit ich es erfahre."

"Du hast WAS?!"

Sie zuckte unbeholfen mit den Schultern.
"Wenn du mir nichts erzählst!"

"Da gibt es nichts zu erzählen.", knurrte ich. Meine Fresse, die Frau raubte mir meinen letzten Nerv.

"Wie nichts?", fragte sie entrüstet.

"Na, nichts eben."

"Er kommt jeden Morgen halb nackt aus deinem Zimmer und du willst mir erzählen, da läuft wirklich nichts?", ich sah ihr ihre Empörung im Gesicht an, was mich zum auflachen brachte.

"Stell dir vor Hanji, es gibt Menschen, die schlafen nachts."

"Aber nicht Levi!"


"Was ist mit mir?"
Wir drehten uns um und da stand Levi nun mit verschrenkten Armen im Türrahmen.

"A-ach...nichts!", winkte Hanji ab. "Ich...ich geh noch schnell...ehm...weg!"
Und schon war sie an Levi vorbei gezischt. Ich atmete tief durch.

"Danke, du hast mir gerade meine Nerven gerettet."

"Was wollte sie?"

"N-nichts!"
Jetzt fing ich auch noch an mit der Stotterei, noch auffälliger ging es jawohl nicht.

Ich holte die Verbände aus dem Wasser und hing sie direkt auf. Peinlich darauf bedacht nicht mehr zu Levi zu schauen. Der konnte mir vermutlich an der Nasenspitze ansehen, worum es in dem Gespräch ging.

Ich erschrak als ich seine Hände um meinen Hüften spürte und er mir leise ins Ohr flüsterte:
"Du bist eine miserable Lügnerin."

Er drehte mich zu sich um und ich wurde wieder einmal rot im Gesicht.
"Also erzähl. Was wollte sie?"

"Frauengespräche!"

"Kannst du mir trotzdem sagen."

"S-sie hat mich nach meiner Meinung zu einer neuen Brille gefragt."
Für diese dämliche Ausrede hätte ich mich am liebsten selber geohrfeigt.

"Und jetzt die Wahrheit."

"Wie du im Bett bist.", nuschelte ich schließlich und ich hörte Levi dunkel auflachen.

"Was hast du ihr geantwortet?", fragte er neugierig und ich spürte, wie er sich zu mir runter beugte und seine Nase sanft über meinen Hals strich.

"Die Wahrheit.", antwortete ich zitternd.

"Und die wäre?"

"Dass ich es nicht weiß..."

"...und frühstens erfahren wirst, wenn wir aus dieser Krankenstation raus sind."
Überrascht sah ich zu ihm auf und er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen zurück an.

"Was?", fragte er. "Meinst du ich würde mit meiner Freundin schlafen wollen, währenddessen ein dutzend Schwerkranke nebenan liegen und lauschen? Ganz zu schweigen von Hanji."

"Gut, dann kann ich ihr sagen, dass sie die nächsten Nächte beruhigt schlafen kann und nichts verpasst."

Ich drehte mich wieder von ihm weg und erledigte wieder meine Arbeit. Er hauchte mir noch einen sanften Kuss auf die Schulter und ging wieder hinaus.
Mein dämliches Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Ich war also offiziel seine Freundin.


Ich spülte am Abend gerade das restliche Geschirr zu ende und brachte es wieder vor die Tür. Danach ging ich nocheinmal an jedes Bett und sah noch mal nach meinen Patienten.
Bei den ersten gab es bereits Blasenrückbildungen, auch wenn Narben entstehen würden, würden sie überleben.

Ich ging also weiter und sah, dass Levi wieder an meinem Schreibtisch saß. Er machte gerade ein paar Notizen, als er aufsah.
"Geh ruhig schon mal ins Bett, ich komme nach, wenn ich fertig bin."
Jede Nacht kam er zu mir rüber und schlief neben mir ein. Auch wenn seine maximale Schlafdauer drei Stunden betrug.

Ich nickte nur und unterdrückte ein Gähnen.
Ich wusch mich noch schnell und zog meine Schlafsachen an, als ich auch schon einschlief.



Ein Beben riss mich aus meinen Schlaf. Irritiert setzte ich mich auf. Es war noch dunkel, also konnte ich nicht lange geschlafen haben.
Wieder wackelte die Erde und ich erhob mich vom Bett. Schnell rannte ich ins Krankenzimmer, doch es war leer.
Wo waren die Soldaten?
Und Hanji? Und Levi?
Sie durften das Zimmer noch nicht verlassen!

"Levi?", rief ich, doch ich erhielt keine Antwort.
"Hanji?", fragte ich weiter, doch es blieb ruhig.

Plötzlich hörte ich einen lauten Knall aus der angrenzenden Küche und ich rannte sofort hin. Ein riesiges Loch war in dem Mauerwerk. Geschockt ging ich einige Schritte drauf zu und als nach draußen sah, schlug eine riesige Hand in meine Richtung.
Alleine die Handfläche war so riesig wie ich und obwohl ich noch nie in meinem Leben einen gesehen hatte, wusste ich, dass ein Titan hier war.

Wie konnte das sein?
Ich sah seine riesigen Augen, die einen kleinen, fliegenden Punkt anvisierten.
Levi!
Er lebte!

Ich sah mich genauer um und erkannte, dass viele der Soldaten, die in den letzten Wochen um ihr Leben gekämpft haben, tot am Boden lagen.
Überall war Blut verteilt und jetzt schon konnte ich den faulenden Geruch erkennen.

Als ich zu den riesigen Füßen des Titanen sah, konnte ich etwas zwischen seinen Zehen sehen. Und noch bevor ich realisierte, was diese braunen Haare, die zu einem Zopf zusammen gebunden waren und die kleinen Scherben, die sich darin verfangen hatten, zu bedeuten hatten, hielt ich mir meine Hand vor dem Mund, um einen Aufschrei zu unterdrücken.

Dort unten lag Hanji. Unter den Massen des Titanen zerquetscht.
Ich sackte zu Boden und spürte wie mir die Tränen über meine Wangen und Hände liefen, die immer noch meinen Schrei erstickten.

Im Augenwinkel nahm ich wahr, wie sich etwas in die Mauer neben mir bohrte. Ich zuckte erschrocken zusammen und wenige Augenblicke später, hing Levi neben mir.

"[Y/N]! WAS MACHST DU DA? VERSCHWINDE VON HIER!", schrie er mich an, doch ich konnte mich nicht regen.
Er ging zu mir und stellte sich vor mich, er legte seine Hände auf meine Schultern und rüttelte mich. Sprach auf mich ein, doch ich verstand kein Wort.
Ich starrte ihn in seine grauen Augen, als sich ein Schatten auf uns zu bewegte.
Hinter Levi sah ich die riesige Hand auf uns zu kommen, doch er sah sie nicht.
Er war nur auf mich konzentriert.
Ich musste ihn warnen. Ihm sagen, dass er in Gefahr war, doch ich brachte kein Wort hervor.

Erst als sich die riesige Hand um Levis Körper wickelte und er erschrocken die Augen aufriss, fing ich an zu schreien.
Levi rührte sich nicht und ich sah, wie ihm etwas Blut aus dem Mundwinkel kam.

"Levi...", hauchte ich entsetzt.
Ich hörte, wie seine Knochen knackten und der Titan Levi hoch nahm.

"Levi...LEVI!", schrie ich. Der Titan riss sein riesiges Maul auf und er steckte den kleinen Körper hinein.
Ein weiteres lautes Knacken.

"LEVII!!"



"Pscht,pscht. Beruhige dich.Es war nur ein Traum. Ich bin ja hier..."

LEVI X READER // ~Ein neues Leben~ // ABGESCHLOSSEN//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt