Kapitel 11

825 49 9
                                    

[E͟r͟s͟t͟e͟s͟ S͟e͟l͟b͟s͟t͟g͟e͟s͟c͟h͟r͟i͟e͟b͟e͟n͟e͟s͟ K͟a͟p͟i͟t͟e͟l͟]

Okay, das war's wohl erstmal mit meiner heißen Dusche.

Also einen Kaffee.

Genervt laufe ich zur Kaffemaschine und will mir einen Kaffe machen, als sich auch hier wieder meine Mutter einmischt.

"Möchtest du nicht unserem Gast auch einen Kaffee anbieten ?"

Seufzend drehe ich mich zu Miss White.

"Möchten Sie auch einem Kaffee ?" frage ich.

"Nun, wenn es dir nichts ausmacht..."

"Schätzchen, wärst du so lieb und würdest mir auch einen machen ?" plappert meine Mutter aufgeregt.

Ein dritter Löffel Kaffeepulver wandert in den Satz.

"Ach da fällt mir ein, ich sollte mir wohl etwas überziehen, ich komme gleich wieder, lauft bloß nicht weg.".

Als der Kaffee fertig ist, nehme ich drei Tassen aus dem Schrank, eine Packung Milch aus dem Kühlschrank und stelle alles vor Miss White auf den Tisch.

Ich setze mich gegenüber Miss White.

Sie mustert mich eingehend.

"Ich habe es mir doch anders überlegt."

Mit diesen Worten nimmt sie ihre Tasse und schüttet ihren Inhalt in die Spüle.

Fassungslos stehe ich da und beobachte jede ihrer Bewegungen.

Wie kann sie nur wagen ?

Langsam kommt sie auf mich zu.

Verunsichert verharre ich.

Ihre smaragdgrünen Augen funkeln abenteuerlustig im Schein der Morgensonne, der durch die Küchenrollos fällt.

Als sie stehen bleibt, trennt uns beide kein Zentimeter.

Sie schaut mir tief in die Augen und drückt mich gegen den Holztisch.

Alles in mir schreit, meinen Blick abzuwenden und mich von ihr so weit weg wie nur möglich zu bewegen, aber ihre fesselnden Augen hypnotisieren mich wie ein Feuerwerk am kalten Nachthimmel.

Ich spüre ihren regelmäßigen, eisigen Atem auf meiner Haut, ihr Becken an meinem, ihre Nase an meiner.

Als sie meinen Hals mit ihren Lippen streift, schaudere ich auf.

Zufrieden grinsend entfernt sie sich wieder von mir und betrachtet mich schweigend.

Ihre Miene ist unergründlich, nur die raschen Bewegungen ihres Brustkorbs verraten ihre Aufregung.

Niemand von uns beiden sagt etwas.

Als die Stille kaum aushaltbar wird, kommt meine Mutter umgezogen und geschminkt zurück.

"So, entschulige mich bitte Alena. Also, woher kennt ihr beiden euch ?"

"Ich habe Jenna am Straßenrand aufgesammelt. Sie war am anderen Ende der Stadt völlig orientierungslos und da habe ich sie halt nach Hause gebracht."

"So orientierungslos war ich auch nicht." murmele ich gereizt.

Meine Mutter bedacht mich mit einem scharfen Blick.

"Statt hier völlig grundlos rumzumaulen könntest du dich bei Alena bedanken."

"Vielen Dank Miss White."

"Gern Geschehen Liebes." sie lächelt mit einem ehrlichen Lächeln.

"Also Jessica, wendet sie sich wieder meiner Mutter zu, was führt dich wieder zurück nach Deutschland ?"

Ein betrübeter Gesichtsausdruck breitet sich auf dem Gesicht meiner Mutter aus.

"Fabian hat mich verlassen.
Eines Tages, da war er einfach weg. Und mit ihm all seine Sachen. Zuerst dachten wir, er wäre kurz frühmorgens zur Bäckerei, aber als er dann nicht wieder kam und wir entdeckten dass sein Schrank komplett leergeräumt war, wurde uns alles klar."

"Oh"

Ja, das gute alte oh.

Das hatte ich schon oft gehört, wegen allen möglichen Sachen.

"Oh, du hast ja eine eins in Mathe !"

"Oh, du bist bisexuell ?"

"Oh, dein Vater hat dich verlassen..."

Bedrückte Stimmung machte sich breit.

Wieso hatte meine Mutter das gesagt ?

Hätte sie nicht "Wegen der Arbeit." oder sowas sagen können ?

Da würde niemand nachfragen.

Aber nein, sie musste mir den Samstag vermiesen.

Aufgebracht laufe ich schnellen Schrittes ins Bad, schlage die Tür hinter mir zu und sinke erschöpft auf den Boden.

Was ist denn bloß mit mir los ?

Müde streife ich die stinkenden Fetzen von Klamotten ab und steige in die Dusche.

Das nahezu kochend heiße Wasser löst augenblicklich den Knoten in meinem Hals.

Langsam lege ich meinen Kopf in den Nacken und lasse das Wasser auf mein Gesicht prasseln.

Nach und nach löst sich die eiserne Maske, die ich immer so sorgsam aufsetze, und hervor kommen Tränen, die keine noch so schöne Umarmung stoppen könnte, und sie fließen und fließen unerbitterlich, hinterlassen eine bitter-salzige Spur auf meiner Haut und ein seltsames Brennen in meinen Augen.

Ein Schluchzen kämpft sich meine Kehle hoch, und ich bin zu müde, um es aufzuhalten.

Ich kann kaum aufhören zu weinen, es tut einfach zu gut, das alles endlich herauszulassen.

Gott, ich vermisse meinen Dad so sehr.

Er war mein bester Freund, er wusste immer einen lustigen Zaubertrick, immer einen Rat, er konnte mich als einziger aufzuheitern.

Wir haben ständig Schwachsinn ausgeheckt.

Er hat mir immer bei den Mathehausaufgaben geholfen, ich sehe ihn direkt vor mir, wie er mit seiner Lesebrille und Taschenrechner am Küchentisch saß und unseren Mathelehrer verfluchte.

Wieso ist er gegangen ?

______________________________________

Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist.

Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, eine entspannende Ewigkeit.

Ein energisches Klopfen an der Tür lässt mich aus meinem versumpften Selbstmitleid aufschrecken.

Eilig stelle ich das Wasser ab, und steige in ein Handtuch gewickelt aus der Dusche.

"Wer ist da ?" frage ich vorsichtig.

"Ich bin's."

Spiel mit mir [FORTSETZUNG]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt