∆ Chapter 8: Preparation ∆

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"Das wird nichts, das wird ganz und gar nichts."
Die Sonne brannte auf das Ödland herab, die sengende Hitze zwang so manchen in die Knie.
Emma sah zu Lilith hinauf, die kopfschüttelnd die Kinder beobachtete.
"Wie zur Hölle habt ihr so lange überlebt, ehe ihr zum Bunker gelangt seid? Die meisten von euch können ja nicht einmal mit einfachen Pistolen umgehen!"
Emma zuckte mit den Schultern.
"Wir älteren haben eben die jüngeren immer beschützt", meinte sie.
Lilith nickte stumm, dann hob sie die Hand und zeigte auf Rossi.
"Ist dein Arm aus Wackelpudding? Hör' auf so zu zittern, spann' deinen Arm an und halte die Pistole sicher in der Hand!", wies sie ihn zurecht, dann fiel ihr Blick auf Yvette.
"Willst du das Gewehr abfeuern oder dich? Du brauchst 'nen sicheren Stand, sonst geht das Schießen wortwörtlich nach hinten los!"
Emma erkannte die Makel, die kleinen und großen Fehler. Diese galt es auszumerzen, so schnell es ging.
"Wir dürfen keine Zeit verlieren. Morgen früh brechen wir auf, und ich nehme nur die mit, die das Ziel öfter treffen als verfehlen", knurrte Lilith und kniete sich hin, um mit Emma auf einer Ebene zu sein.
"Ab dem jetzigen Stand sind es nur zwei. Don und Gilda könnten es vielleicht auch noch schaffen, aber mehr nicht."

Ray trat zu Emma, niedergeschlagen saß sie im Schneidersitz auf dem warmen, sandigen Boden.
"Wir haben nicht mehr viel Zeit, ihnen das Schießen beizubringen", seufzte sie auf.
Der Schwarzhaarige streckte seine Hand aus, um ihr auf die Beine zu helfen, doch Emma blieb stur sitzen. Prompt ließ sich Ray ebenso auf dem Boden nieder.
"Du willst sie alle zu Minerva mitnehmen, oder?", fragte er ruhig. Emma nickte stumm.
"Lilith hat vor, Goldy Pond als Zwischenstopp zu nutzen. Du hast gesehen, was uns dort erwartet."
Emma blieb noch immer stumm, beobachtete die Kinder, wie sie mit den Pistolen und Gewehren umgingen.
"Du glaubst nicht, dass sie es alle schaffen werden, oder?", fragte sie nun etwas traurig.
Er schüttelte schweigend den Kopf.
"Vertraust du ihr denn?"
"Nein, ich vertraue keinem der Erwachsenen hier", lachte Ray auf.
"Und wenn das eine Falle ist, ist es vielleicht besser, wenn nicht alle Kinder mitkommen."

"Faulenzen ist nicht!"
Hinter den beiden erschien Yugo, er trug ein großes Gewehr im Arm. Er zielte auf die provisorisch aufgebaute Scheibe, drei saubere Schüsse feuerte er ab.
"So geht das und nicht anders!"
Die Kinder sahen ihn begeistert ab, dann versuchten sie, seine Bewegungen nachzuahmen. Auch Emma und Ray drehten sich um und sahen zu dem Alten hinauf.
"Und was sitzt ihr beide hier 'rum? Müsst ihr nicht auch noch üben?"
Emma hievte sich auf die Beine.
"Um uns brauchst du dich nicht sorgen, wir kriegen die Reise schon hin", antwortete sie mit neu gewonnenem Optimismus.
Yugo schnalzte mit der Zunge.
"Wer sagt denn, dass ich mich um euch Sorgen mache?", knurrte er und senkte den Lauf des Gewehres.
"Was hast du vor, wenn wir auf dem Weg zu Minerva sind?", fragte Ray, der sich nun neben Emma aufgestellt hatte.
Ein leichtes, jedoch unangenehm unheimliches Lächeln schlich sich über die Lippen des Erwachsenen.
Gänsehaut breitete sich auf ihrem ganzen Körper aus.
"Ich kann euch unmöglich alleine lassen."
Emmas Augen begannen zu leuchten.
"Heißt das, du kommst doch mit uns?", fragte sie aufgeregt.
Yugo schwieg, er nickte nur und behielt sein seltsames Lächeln.

Die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, da stand Lilith bereits im Schlafraum der Kinder und trommelte mit einem hölzernen Kochlöffel auf einen kleinen Kochtopf herum.
"Aufstehen und fertig machen! In zehn Minuten machen wir eine letzte Schießübung die Ich bewerte!"
Gut gelaunt sprang Emma auf die Beine. Sie konnte es nicht erklären, aber irgendwie freute sie sich auf die Reise zu Minerva, selbst wenn ihr bewusst war, zu welchem Ort sie zurückkehren mussten.
Sie vertraute auf die Stärke der vier Erwachsenen, und auf die Stärke ihrer Freunde.
Innerhalb dieser zehn Minuten hatte jedes Kind es geschafft, sich anzuziehen, eine leichte Mahlzeit zu sich zu nehmen und mit jeweils einer Pistole und einem Gewehr bereit zu stehen.
Eine hölzerne Zielscheibe wurde in einiger Entfernung in den Boden gerammt, Lilith bewertete die Schüsse von Note eins bis sechs.
Zuerst wagten sich Jemima, Rossi und Alicia an die Aufgabe, jedoch waren sie allesamt unsicher und trafen die Zielscheibe nicht ein Mal.
"Sechs, sechs, und sechs", seufzte Lilith auf und legte ihren Kopf auf ihrer Hand ab.
"Chris vier, Yvette fünf, Mark vier", lauteten die nächsten Noten.
"Dominic drei, Lannion drei, Thoma zwei."
Nun stand Nat vor der Zielscheibe, blitzschnell zog er seine Pistole hervor, doch dann begann seine Hand zu zittern. Drei Treffer konnte er immerhin landen.
"Zwei", meinte Lilith nur und wedelte mit der Hand.

Anna, Don und Gilda machten sich nun bereit, einer schoss nach dem anderen.
"Anna, sehr schöne Treffer, nur langsam geschossen, zwei. Don, schnell geschossen, zielen muss sich verbessern, eins. Gilda, die Zielscheibe tut dir nichts. Gute Schusstechnik, eins."
Ray bekam die Bestnote, zum Schluss war Emma dran.
Sie fixierte den roten Punkt auf der Zielscheibe, mit einer schnellen Handbewegung zog sie die Pistole hervor und stellte sich sicher auf. Doch sie drückte nicht ab.
Die Sekunden verstrichen, ohne dass ein Schuss über die Einöde hallte.
Lilith erhob sich von ihrem Platz, musterte Emma interessiert, bis sie schließlich ihre Schüsse abgab.
Als das Echo verklungen war, trat Lilith auf sie zu.
"Warum hast du so lange gewartet?", fragte sie ruhig.
Emma ließ den Kopf sinken, sie wusste es nicht. Die Zielscheibe war nicht lebendig, sie war nicht einmal ein Monster. Und dennoch zögerte sie.
"Emma, hör' mir zu", flüsterte die Rothaarige und sank auf die Knie.
"Dein Feind wird nicht so lange warten, bis du bereit bist, zu schießen. Dein Feind wird dein Zögern ausnutzen. Note drei."

Sie erhob sich wieder und ließ ihren Blick über die Kinder streifen.
"Alle Kinder ab Note drei können wieder in den Bunker gehen, ab Note zwei muss zum nächsten Test."
Emma starrte sie schockiert an.
Sie durfte nicht mit zu Minerva?
"Hey, das ist nicht fair!", riefen Ray und Don unisono.
"Emma ist diejenige, weshalb wir es alle überhaupt hierher geschafft haben!"
"Wir kommen doch noch einmal hierher zurück, um den Rest zu holen", meinte Lilith nur und ließ sich zurückfallen, sie saß wieder auf ihrem Stuhl.
"Jetzt nehmt euch die Gewehre und geniert euch nicht so."
Emma ballte die Fäuste, sie war wütend auf Lilith, aber vor allem auf sich selbst. Sie hatte gezögert, auf ein simples Objekt zu schießen. An dem Ort, zu dem sie gehen würden, waren sicherlich noch viel schlimmere Dinge, auf die sie schießen musste.
Sie war ihnen nur ein lästiger Klotz am Bein.
Während Emma ihre Verzweiflung herunterzuschlucken versuchte, absolvierten die verbliebenen Kinder hinter ihr das letzte Schusstraining und ermittelten, wer Minerva zuerst treffen durfte.

One by One •|• The Promised Neverland FanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt