∆ Chapter 9: Command ∆

17 3 0
                                    

"Dann haben wir es!", rief Lilith erfreut aus.
"Ray, Don, Anna, Gilda, bereitet euch bitte vor, wir sollten aufbrechen, wenn die Sonne aufgegangen ist."
Emma hatte sich abseits auf einen kleinen Felsen gesetzt, und versank in Gedanken.
Es war ihr größtes Ziel gewesen, Minerva zu treffen, und nun durfte sie nicht mitkommen.
Nein, das war nicht ihr großes Problem. Sie wollte ihre Begleiter beschützen, sie wollte auf sie aufpassen. Sie fühlte sich nutzlos, und schuldig.
Während sie alle wieder im Bunker verschwanden, blieb Emma draußen sitzen und starrte in den stetig heller werdenden Himmel.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie eine Gestalt sich neben sie setzte.

"Ich weiß genau, wie du dich gerade fühlst."
Emma legte den Kopf zur Seite und erkannte Yugo neben ihr, der ebenfalls in den dämmernden Himmel starrte.
"Du denkst dir bestimmt gerade, du seist schuld, wenn ihnen etwas auf der Reise passiert. Nur weil du zu feige warst, auf eine Zielscheibe zu schießen, und du deshalb nicht mitkommen durftest. Als wenn deine eigene Entscheidung das Schicksal deiner Freunde besiegelt, und du nichts dagegen tun kannst."
Emma sah ihn etwas traurig an.
"Also so direkt hättest du das nicht sagen müssen", meinte sie, und dennoch hatten die Worte sie etwas aufgemuntert.
Es war jedoch noch immer ungewohnt, dass Yugo so viel redete, und das auf eine freundliche Art. Man könnte meinen, Emma wäre leichtgläubig und naiv, aber nicht so sehr, dass sie voll und ganz an die Kraft der Worte glaubte. Sie wollte es nicht ganz glauben, dass allein ein simples Gespräch den kalten, abweisenden Alten zu einem freundlichen Mann gewandelt haben. Emma konnte dabei nur mit den Schultern zucken.
Vielleicht war er ja psychisch so labil, dass Worte ausreichten.

"Du bist nicht die einzige, die sich Sorgen macht", seufzte Yugo. Einzelne Sonnenstrahlen berührten zuerst sein Gesicht, dann kitzelten sie Emmas sanftes Gesicht.
"Ich mache mir keine Sorgen", warf er sofort verteidigend ein, "aber ich denke, dass zumindest Ray nicht ganz bei der Sache ist. Er sorgt sich um dich."
Emma nickte nur leicht. Sie sah darin noch einen Punkt, schuldig zu sein, doch im Selbstmitleid wollte sie auch nicht versinken. Schnell raffte sie sich auf, erhob sich von dem Felsen.
"Komm, lass uns in den Bunker gehen", meinte Yugo und tat es ihr gleich.

Lannion zeigte überrascht mit dem Finger auf Emma.
"Was zur Hölle machst du bitte noch hier?", fragte er tobend, Thoma pflichtete ihm sofort bei.
"Genau, du bist doch diejenige, die Minerva sehen wollte!"
Emma entgegnete ihnen nur ein sanftes Lächeln.
"Es ist, wie es ist", seufzte sie auf.
"Dann lasst uns hier zusammen etwas Spaß haben! Eine Runde Fangen im Bunker?"
"Kannst du knicken", sprach Yugo und drückte ihr eine Pistole und ein Gewehr in die Hand.
"Du machst dich gefälligst fertig, gegen Mittag gehen wir los."
Verwirrt sah sie ihn an, legte den Kopf schief.
"Wohin gehen wir?"
"Wohin wohl", knurrte der Alte und verschwand in der Küche.
"Du wolltest doch mit den anderen mitgehen, oder hast du dich doch anders entschieden?"
Emma strahlte ihn vor Freude an, sie sprang jubelnd in die Luft. Sie könnte doch Minerva treffen!

Die Sonne stand hoch am Himmel, als Yugo zuerst den Bunker verließ. In einem wahnsinnig hohem Tempo hetzte er über die sandige Einöde, Emma hatte Mühe, mit ihm mitzuhalten.
"Zu langsam, Antenne!", rief er ihr scherzend zurück.
Emma kannte den Weg, sie mussten nur noch einmal nach Goldy Pond reisen.

Einige Zeit später, im tiefsten Wald:

"Ray, von rechts kommt ein Monster auf uns zu!", rief Lilith und wies den Jungen zurecht. Sofort reagierte er und sprang von Ast zu Ast, bis er einen perfekten Schusswinkel erkannte.
Zwei Mal feuerte er die Kugeln auf den Kopf des wilden Monsters ab und brachte es zur Strecke.
"Achtung, Monster von hinten!"
Gilda wandte sich der Gestalt zu und drückte ab, ein einziger sauberer Schuss traf das Auge des Monsters.
"Schöne Technik", lobte Lilith begeistert, dann hielt sie den Lauf ihres Revolvers in die Luft.
Sie blickte sich um, der Wald war wieder verstummt. Ray kletterte vom Baum herunter, Gilda trat zurück zu der Rothaarigen. Don und Anna waren nicht anwesend.
"Sollten wir hier Rast machen?", fragte Cislo, der aus dem Gebüsch gekrochen kam.
Lilith nickte bestätigend und blickte zu Gilda.
"Hol' die beiden, sie müssten gerade am Wasser sein."

Die Sonne war bereits am zweiten Tag untergegangen, da waren sie noch immer nicht zurückgekehrt.
"Sollten wir nicht langsam nach ihnen sehen?", fragte Cislo, doch Lilith schüttelte den Kopf.
"Die schaffen das schon, bis zum Wasser dauert es so ungefähr eine Stunde."
Ray dagegen hatte ein ungutes Gefühl. Er wollte nicht zu lange rasten, nicht zu lange von den anderen getrennt sein. Er wusste, wie gefährlich der Wald war und wie wenig er Lilith und Cislo traute.
Er warf einen Blick in den Nachthimmel, die dichten Baumkronen versteckten den Mond.
Plötzlich erkannte er das Maul des furchteinflößenden Monsters, dass auf sie herabstürzte.
"Achtung!", rief er und rollte sich selber zur Seite. Eine kleine Silhouette huschte vorbei und lenkte die Aufmerksamkeit des Wesens auf sich. Ein einziger Schuss erschallte. Traf direkt das Monster, sodass der leblose Körper mitten auf ihrem Rastplatz lag.
Lilith bewegte sich nicht einen Millimeter, sie war nicht einmal zur Seite geflüchtet.
Die aufgewirbelten Sandwolken lichteten sich langsam, Ray versuchte die Gestalt zu erkennen. Auch Lilith drehte sich langsam mit großen Augen um, bis gerade eben wirkte sie wie erstarrt.
Vor dem toten Monster kniete Emma, mit einem langen Gewehr in der Hand und viel Schmutz im Gesicht.
Empört sprang die Rothaarige auf die Beine und funkelte Emma an.
"Ich habe doch gesagt, du sollst bleiben", knurrte sie.
"Kannst du nicht einmal simple Anweisungen befolgen? Du hast definitiv eine falsche Entscheidung getroffen!"
"Nur zu gut, dass diese Entscheidung nicht auf ihrem Mist gewachsen ist."
Aus dem Dickicht trat Yugo hervor, auch er war schwer bewaffnet.
"Ich habe diese Entscheidung getroffen, und ihr müsst damit leben."

Aus der Dunkelheit tauchten drei weitere Gestalten auf, es waren Don und Anna, die Gilda stützten.
"Sie ist gestürzt und kann nicht mehr laufen!", erklärte Don panisch.
Lilith wirbelte herum, sofort folgte ein generver Seufzer.
"Wir werden die Nacht bleiben, und dann die Reise fortsetzen. Goldy Pond ist nicht mehr weit", stellte sie klar.

Die Sonne stand hoch am Himmel, als sie alle durch das Geäst der gigantischen Bäume sprangen. Cislo trug Gilda auf dem Rücken, sie übernahm das Schießen für ihn. Anna hatte mit einigen Stöckern, Ranken und dicken Blättern eine provisorische Schiene errichtet, sodass ihr das Laufen im Notfall gelingen konnte.
Ein fauliger Geruch stieg Emma in die Nase. Es war das Zeichen, dass sie Goldy Pond Nahe waren.

Sie blieben plötzlich alle stehen, Anna versteckte sich etwas erschrocken hinter Emma. Vor ihnen hing der schlaffe, leblose Körper des Mannes, die Fuchsmaske bedeckte nur noch die Hälfte seines vernarbten Gesichtes.
Sonst war von den Überresten nicht mehr viel zu erkennen.
Lilith war diejenige, die mit einem gequälten, angeekelten Gesicht Schritt für Schritt zurücktrat.
Emma wusste sofort: Hier war etwas faul, und damit meinte sie nicht die Leiche.

One by One •|• The Promised Neverland FanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt