∆ Chapter 11: Village ∆

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Emma sah zwischen dem Körper, der immer stärker stinkte, und Lilith hin und her.
Die Augen der Rothaarigen waren weit und vor Schock aufgerissen, als wäre sie ein kleines Kind, das zum ersten Mal eine Leiche sah.
Blitzschnell zückte sie ihren Revolver, drei Schüsse feuerte sie auf die Region ab, in der einst der Bauch des Mannes war.
"Goldy Pond ist quasi um die Ecke, kommt", zischte sie ihnen zu und setzte sich in Bewegung.

Emma ließ sich zurückfallen, um neben Ray zu laufen.
"Hast du vielleicht eine Idee, wer der Mann hätte sein können?", fragte sie ihn leise.
"Vielleicht ein Freund oder Verbündeter", antwortete der Schwarzhaarige schulterzuckend. Am liebsten hätte sie noch gefragt, warum Lilith dann drei mal auf ihn schoss, jedoch erkannte sie, dass es keinen Unterschied machte.
Der Mann war tot.

"Wir sind da", meinte Yugo und tippte Emma einmal grob auf die Schulter. Vor ihnen erstreckte sich ein kleines Menschendorf.
"Das ist Goldy Pond?", hakte das Mädchen nach.
"Dabei sehe ich nicht einmal einen normalen Teich."
"Und Glory Bell besteht aus einer Kuhglocke", entgegnete Ray, mit einem Klaps auf dem Hinterkopf verdeutlichte er seine Aussage.
"Das liegt daran, dass wir durch einen Tunnel gegangen sind", erklärte Lilith.
"Über uns befindet sich ein großer See mitten im Wald, und durch den Tunnel vorhin kann man das unterirdische Dorf erreichen."
Aus den Lautsprechern, die überall im Dorf verteilt waren, erklang eine fröhliche Melodie, die abrupt verstummte.
"Die Jagd ist vorbei!", hörte Emma einige Jubelchöre aus den Häusern, überall erschienen nun Kinder der unterschiedlichsten Altersklassen, sogar einige Erwachsene waren dabei.
Ein großer, schwer bewaffneter Trupp kam ihnen entgegen, stellte sich ihnen gegenüber.
"Warte, das sind keine Eindringlinge", sprach ein Mann mit braunen Haaren, die über seinem linken Auge geteilt waren, sein rechtes Auge war von längeren Strähnen bedeckt.
Der Mann trat auf Lilith zu und lächelte sie freundlich an.
"Das sind alle Kinder aus dem Bunker?", fragte er und musterte sie alle, legte seinen Kopf zur Seite, um die Nummern am Hals zu sehen.
"Das gibt's nicht", staunte er, er ließ sich auf die Knie fallen.

"Ich erinnere mich an euch. Ihr wart doch die direkten Top Score Nachfolger, nicht?"
Er offenbarte seine Nummer am Hals, die Zahlen 73094 war deutlich zu lesen.
Emma konnte sich nur dunkel an ihn erinnern, am meisten jedoch an die stechenden, violetten Augen, die ihr damals im Wald auflauerten.
"Ihr verdammten Grace Field Kakerlaken", fluchte Yugo kopfschüttelnd.
"Wie schafft ihr es nur, so lange zu überleben?"
"Ich hab dich auch vermisst, Yugo", schmunzelte der Braunhaarige nur.
"Nun denn, dann werde ich euch in unser Lager führen."

Er machte mit seinem Trupp kehrt und führte die Neuankömmlinge in eine große Windmühle.
"Eindringlinge!", erklangen die hektischen Rufe und plötzlich blickte Emma in die Läufe von Gewehren.
"Nur die Ruhe, die Jagd ist vorbei", beruhigte der Braunhaarige die Gemüter.
"Und wir haben Verstärkung."
Ein Junge mit weißen, stacheligen Haaren und einer einzigen roten Strähne trat auf Emma zu, musterte sie von oben bis unten.
"Ich hoffe, er hat euch schon alles erklärt", meinte er und blickte den Größeren an.
"Ich bin Oliver."
"Emma", meinte sie fröhlich und streckte ihm die Hand aus. Ray tat es ihr gleich, doch war er deutlich skeptisch gegenüber jedem hier.
"Was ist das alles hier?", fragte der Schwarzhaarige und wedelte mit seinen Armen herum. Die Windmühle, die zu einem geheimen Lager umfunktioniert wurde, das Dorf unter dem See, in dem Monster Menschen jagen, all dies war ihnen noch komplett neu.
Oliver funkelte den Braunhaarigen an, der sich verlegen den Hinterkopf rieb.
"Ich kann das erklären, ja?", meinte er, ehe der Kleinere ihm den Ellenbogen mit voller Wucht in die Magengrube rammte. Er krümmte sich, sein Körper sackte zusammen wie ein Kartoffelsack.
"Ich glaube, ich erkläre ihnen das Ganze."

Ein mysteriöser Mann erschien in einer ruhigen Ecke der Windmühle, ihm fehlte ein Arm, genauso zogen sich drei große Narben über seine rechte Gesichtshälfte.
Yugo und Lilith verharrten in ihrer Bewegung, sie starrten den Mann schweigend an.
"Das ist unmöglich", hauchte Yugo ungläubig und trat einige Schritte näher.
"Bist du es wirklich?"
"Ja, ich lebe noch", gab er Mann lächelnd zurück.
Lilith schoss nach vorne, breitete die Arme aus und zog ihn in eine feste Umarmung.
"Kaum zu glauben! Du hast überlebt, Lucas!"
"Heh, ich kenne Lucas schon länger als du!", keifte Yugo die Rothaarige an, sie jedoch streckte ihm nur die Zunge heraus.
"Ich bin aber genauso mit ihm befreundet", fauchte sie zurück, dann gingen sie aufeinander los.

"Solange die da beschäftigt sind, kannst du den Neuen hier alles erklären, Leupho", meinte Oliver belustigt und bot ihm eine Hand an.
"Keine Sorge", zischte Leupho mit zusammengebissenen Zähnen, der Schmerz glänzte in seinen Augen.
"Die beiden sind immer so, die schlagen sich öfters."
Ray drehte sich kopfschüttelnd um und blickte zu Cislo, der die ganze Reise schon äußerst unauffällig war.
"Bist du nun also der vernünftigste Erwachsene hier?", fragte er ihn. Cislo jedoch schüttelte den Kopf.
"Nope, ich bin 17", meinte er.
Emma war mit den vielen Informationen überfordert. Wer war Lucas, was war dieser Ort und wie kommen sie alle lebend wieder heraus?
"Nun denn", keuchte Leupho.
"Dieser Ort hier wurde von Minerva errichtet, damit geflüchtete Kinder einen sicheren Ort hatten. Irgendwie haben die Monster jedoch diesem Ort gefunden, und das alles hier zu ihrem Jagdrevier umgebaut. Die Monster, die hier jagen, sind alle ziemlich einflussreich und holen sich die Kinder größtenteils von der Premiumfarm Grand Valley."
"Die Regeln hier sind einfach. Wenn die Musik erklingt, beginnt die Jagd. Jeder der Jäger darf nur ein Kind töten, das bedeutet, pro Jagd sterben maximal fünf Kinder. Sobald die Musik aus ist, ist auch die Jagd vorbei und wir haben ungefähr drei Tage, um uns auf die nächste Jagd vorzubereiten", fügte Oliver hinzu.

Emma sah sie schockiert an. Dieser Ort war grauenvoll, geplagt von Leid und Schmerz.
Diese Monster jagten nicht zum Überleben, sondern zum puren Vergnügen.
"Gibt es einen Plan, um von hier zu entkommen?", fragte Emma ernst.
"Ja, den gibt es", antwortete Oliver. "Mit euren Waffen können wir Leuvis und seinen adligen Freunden endlich etwas anhaben, und in drei Tagen wird es soweit sein."
"Ein ganz toller Plan, ehrlich", kommentierte Ray sarkastisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Wir schießen einfach ein bisschen auf die Monster."
"Wir müssen sie erstmal natürlich voneinander trennen, und dann noch durch ihre Masken das Auge treffen", seufzte Oliver und starrte Ray herausfordernd an.
"Hättest du gewusst, wenn du nicht voreilig etwas kommentierst."

"Hey hey, nur die Ruhe", mischte sich Lucas ein, beschwichtigend hob er die Hände.
"Ich brauche euren Anführer."
"Der bin ich", meldete sich Lilith, jedoch kassierte sie dafür eine Backpfeife von Yugo, die sich gewaschen hatte.
"Emma, du bist gemeint", sprach Yugo verärgert. Lucas nickte ihr zu und deutete, mit ihm zu kommen.
Gemeinsam liefen sie die Treppen hinunter in den Keller, am Ende der Stufen wartete ein unglaublich muskelbepackter Mensch.
"Das ist Adam", meinte Lucas nur.
"Er kam von einer Farm namens Lambda 7214, und er ist der Hüter der Windmühle."
Emma legte den Kopf schief.
Lilith hatte erwähnt, dass sie aus dieser Farm entkommen war, und diese sogar ein zweites Mal überfallen hatte.
"Emma, ich brauche deinen Stift", merkte Lucas an und musterte die große Tür aufgeregt.
Sie hatte den Stift, mit diesen sie zu dem Schutzbunker gefunden hatte, ständig in einer kleinen Tasche im Hemd getragen.
Der Ältere nahm den kleinen Gegenstand und benutzte ihn als Schlüssel, danach stieß er die Tür auf.

Vor ihnen erstreckte sich ein goldener See mit einer kleinen Insel in der Mitte.
War das der wahre Goldy Pond, der wahre goldene Teich?

One by One •|• The Promised Neverland FanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt