"Sieh an, dann sind wir ja doch vollständig-"
Die Person hielt inne, langsam senkte sie ihre Waffen.Emma strotzte vor Selbstsicherheit und dachte nicht ein Mal daran, ihr Messer zu senken.
"Wer zur Hölle bist du und was machst du hier?", knurrte Ray, der ebenso sicher mit seinem Gewehr auf die Person zielte.
Die Person ließ ihre Stiefel, die zuvor bequem auf dem Tisch lagen, nach unten schnellen und sprang auf.
"Ihr... ihr seid aus Grace Field, stimmt's?", fragte sie und legte die Revolver hinter sich ab.
"Ihr seid die geflüchteten Kinder aus dem Grace Field Haus!"
"Und wenn schon!", entgegnete Emma zornig, sie verdeckte mit ihrer freien Hand die Nummer, die ihren Hals zierte.
"Uns kriegst du nicht!"
Ray entdeckte das Funkgerät, das ebenso auf dem Tisch lag. Mit einem gezielten Schuss zerstörte er das kleine Gerät gänzlich.
"Raffiniert", lobte sie den Schwarzhaarigen.
"Ich wiederhole mich ein letztes Mal", drohte Ray und zielte wieder auf den Kopf der Fremden.
"Was hast du hier zu suchen?"
"Beruhigt euch, Emma und Ray", sprach sie sanft. Emma wich verunsichert einen Schritt zurück. Woher kannte sie ihren Namen?
"Was willst du hier?", rief Emma beunruhigt. Sie fühlte sich, als hätte man sie in eiskaltes Wasser geworfen. Sie wusste nicht, wie sie am besten reagieren sollte, sie fokussierte sich ganz auf Ray, der noch immer einen kühlen Kopf bewahren konnte.
"Wer bist du, dass du unsere Namen kennst?", fragte der Schwarzhaarige, der im Gegensatz zu Emma sicher stehen blieb.Die Fremde griff sich mit einer vom Handschuh bedeckten Hand an die Nachtsichtbrille und zog sie sich vom Kopf, während sie den Mundschutz als Halstuch hängen ließ.
Freundliche, hellblaue Augen leuchteten ihnen entgegen, ein sanftes Lächeln begrüßte sie.
Nun griff eine Hand an die linke Seite ihres Halses und entblößte ihn.
Durch viel Schmutz und einigen Kratzern konnte man eine Nummer ablesen.
"Ich bin auch aus Grace Field", sprach die Fremde leise.
"Erinnert ihr euch nicht?"
Ray senkte seine Waffe sofort und tappte einige Schritte rückwärts, und auch Emma glaubte sich zumindest an die Nummer zu erinnern.
"26094", flüsterte sie überlegend.
Die Fremde nickte gerührt.
"Ray, du erinnerst dich, nicht wahr?", fragte sie, sie konnte den Blickkontakt nicht halten.
Tränen rollten über das schmutzige Gesicht der Fremden, als sie zu den Kindern trat und sich hinkniete.
"Ihr wart doch noch so klein", heulte sie und schloss die beiden in ihre Arme, Ray wehrte sich ein wenig.
"Und jetzt seid ihr so groß... und ihr lebt."
"Du lebst doch auch, Lilith", sprach Ray unter Tränen.
"Dabei habe ich doch genau gesehen, wie du ausgeliefert wurdest."
Plötzlich erschienen Bilder aus ihrer Kindheit in Emmas Kopf. Sie erinnerte sich an Lilith, das Mädchen, mit dem sie früher Fangen gespielt hatte. Sie war diejenige, die dem Fänger immer Fallen stellte, um den kleineren Kindern zu helfen. Sie wurde schließlich ausgeliefert, als Emma vier Jahre alt war."Es gibt eine spezielle Farm, wo mit Kindern experimentiert wird", erklärte die Rothaarige, nachdem sie sich etwas beruhigt hatte.
"Das waren wirklich grausame Experimente zur Leistungsverbesserung, und irgendwann hätte ich dort sterben müssen."
"Und wie bist du da rausgekommen?", fragte Emma neugierig, was Lilith zum schmunzeln brachte.
"Ich habe Lambda in die Luft gejagt", grinste sie frech.
"Vor fünf Jahren bin ich mit meinen Freunden da geflohen. Und jetzt dürft ihr raten, wer in der neuesten Lambda-Explosion beteiligt war."
Mit großen Augen starrte sie die Rothaarige an.
"Hattest du denn keine Angst, dorthin zurückzukehren?", fragte sie. Mittlerweile lehnten Ray und Emma im Türrahmen, während Lilith noch immer auf dem Boden hockte.
"Nein, meine Liebe", antwortete sie.
"Wenn du Angst hast, stirbst du schneller als du 'Kartoffelsalat' sagen kannst.""Dasselbe gilt auch, wenn man ungefragt in fremde Bunker einbricht."
Der Alte tauchte hinter den beiden auf und richtete seinen gespannten Bogen auf Lilith.
Mit unschuldigen Augen sah sie zu ihm hinauf, dann begann sie zu lächeln und hievte sich auf die Beine.
"Das kann nicht sein", murmelte sie leise.
"Ihr Grace Field Bälger haltet euch wirklich hartnäckig. Wie Kakerlaken", entgegnete der Alte nur.
"Wen nennst du hier eine Kakerlake, du Penner!"
"Wer sieht denn hier mehr aus wie ein Penner?"
"Wer hat denn hier so fettige, schwarze Schmalzlocken?"
Das reichte dem Alten. Er sprang nach vorne und ließ seine Faust auf Lilith zuschnellen.
Sie wich jedoch schnell zur Seite und entging dem Schlag.
"Daneben! Daneben! Du kannst ja nichtmal zielen!", sang sie spöttisch, während der Alte sich weiter anstrengte.
"Die beiden sind zwar erwachsen, aber dafür benehmen sie sich wie Kinder", seufzte Ray kopfschüttelnd.
Emma beobachtete die beiden Streithähne amüsiert.
Plötzlich hielten sie beide inne, sie waren komplett verstummt.
Der Alte streckte seine Faust aus, doch Lilith fing sie locker mit ihrem Stiefel ab, lässig blickte sie auf ihn herab."Es reicht, Yugo", sprach sie leise. Sie war nicht viel größer als Ray, sie wirkte schon schmächtig, und dennoch konnte ihr ein wuchtiger Schlag des stärkeren Alten nichts anhaben.
"Setzen wir uns erstmal, wir haben uns anscheinend allesamt viel zu erzählen."Lilith legte eine beschädigte Tasse auf den Tisch und ließ sie drehen.
"Derjenige, auf den der Henkel zeigt, darf eine Frage stellen", erklärte sie und legte los. Langsam drehte sich die Tasse, sie kippte um und stoppte, der Henkel zeigte auf Yugo.
"Lilith... Wie hast du die Reise nach Goldy Pond überlebt und wohin bist du gegangen?", fragte er und legte seine abgetretenen Schuhe auf dem Tisch ab.
"Ich bin mit den anderen aus Lambda sofort geflüchtet, dann haben wir uns im Wald verirrt, die Welt erkundet und zuletzt Lambda 7214 überfallen."
Yugo riss seine Augen überrascht auf.
"Ihr seid wirklich ein Haufen Vollidioten", grummelte er und ließ die Tasse ihre Runden drehen. Diesmal zeigte der Henkel auf Emma.
"Habt ihr William Minerva getroffen, auf dem Weg nach Goldy Pond?"
Yugo lachte auf. Das Gerede um Minerva hing ihm zum Halse heraus, das wusste Emma. Dennoch glaubte sie, dass er ihr ständig Sachen verheimlichte.
"Nicht in Goldy Pond", antwortete Lilith und lehnte sich ebenso zurück.
"Aber ja, ich habe ihn getroffen."
"Ich?", hakte Yugo nach.
"Was ist mit deinen Begleitern passiert?"
Lilith schnappte sich die Tasse, die Yugo so viel bedeutete, und schleuderte sie gegen die Wand, ihr Blick war ernst.
"Fragerunde ist vorbei", flüsterte sie und erhob sich.
"Hey, ich habe noch eine Frage!", rief Ray entsetzt, er streckte den Arm in die Höhe.
"Stehst du in Kontakt mit Minerva?"
"Natürlich", meinte die Rothaarige, die die Scherben auf dem Boden begutachtete.
"Ich bin schließlich sein Stellvertreter."Emma musterte sie begeistert.
"Sein Stellvertreter? Das ist perfekt, dass müssen wir den anderen erzählen!"
Lilith sah sie entsetzt an.
"Scheiße, die anderen!", zischte sie und sprang an Emma vorbei, stürzte aus dem Raum.
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One by One •|• The Promised Neverland Fanfic
Fanfic"In Lambda gab es eine Explosion!" Diese Nachricht breitete sich wie ein Lauffeuer aus. Auch Isabella erfuhr davon, trotz dass sie in einer kleinen Zelle hockte. Die Kinder, die sie großgezogen hatte, waren dabei, die Welt zu verändern, alle zusamme...