Kapitel 2: 1000 mal

836 33 3
                                    

Ich riss meine Augen auf. Das künstliche Licht strömte in mich hinein und ich brauchte eine kurze Weile bis ich mich daran gewöhnte. Ich stand direkt vor dem großen Spiegel des Raumes. Ich griff in mein Kleid, der samtige Stoff fühlte sich wie Wolken an und ich war froh dieses Kleid, mein Lieblingskleid, gewählt zu haben. Ich tastete mich weiter zu meinen Schultern und beobachtete wie mein Spiegelbild genau das selbe tat. Nun strich ich über meine Wangen, sie waren warm und glänzten rosig, wegen der merkwürdigen Erleichterung. Meine vorherige Angst war verflogen. Warum war sie verflogen? Ich versuchte mich daran zu erinnern, an irgendeinen Grund, doch nichts geschah. Ich wurde leicht verwirrt und sah mich um. Links und rechts von mir waren auch Spiegel. Wo war die Tür geblieben? Die schöne weiße Tür, wo man ein und ausgehen konnte? Jetzt drehte ich mich ganz um und entdeckte etwas, was mich erschrak. Hier war alles voll mit Spiegeln, an allen vier Wänden klafften diese riesigen Teile und ließen mich verunsichern. Ich sah ganz genau zu meinem Spiegelbild, es war als ob man es nicht nur einmal sondern 1000 mal sehen würde. Ich zuckte als ich merkte wie ernst das alles war. Ich sah auf den Boden, um mich nicht mehr länger im Spiegel ertragen zu müssen. Auf dem Boden waren die gleichen beigen, matten Fliesen die ich auch beim reingehen bemerkt hatte. Sie waren perfekt angeordnet und mir kam der Gedanke, dass das bestimmt viel aufwand gewesen sein musste und das man seine Zeit wirklich hätte anders nutzen können. Wer baute überhaupt Gebäude, wenn es nicht die eigenen waren? Existierten sie schon vor , oder kurz nach dem Krieg? Ich fand es verwunderlich das man auf so eine Frage bestimmt keine Antwort hatte, denn selbst die Ken wussten nicht alles.Manchmal fragte ich mich ob die Amite wirklich alle so nett waren. Ich schluckte bei diesem Gedanken und wollte ihn verwerfen, doch es ging nicht, es war als würde er sich in mein Gehirn fressen und dort bleiben ehe ich nicht die absolute Antwort auf diese Frage kannte, ehe ich es nicht genau wusste. Schon wieder verkrampfte ich als ich mir bewusst machte, dass ich hier drin praktisch eingesperrt war. Ich schreckte auf und sah mich, leicht verzweifelt, um. Behutsam tat ich einen Schritt vorwärts und hielt dabei genau die Fliesen ein. Ich sah wie zeitgleich mein Spiegelbild zurücktrat und ich den Willen bekam es irgendwie zu fangen. Ich streckte mutig die Hand aus, was es auch tat und eigentlich hätten sie sich treffen müssen, doch das taten sich nicht. Wie durch einen plötzlichen Schub gelenkt rannte ich los. Sie rannte weg. Ich wartete darauf den Spiegel zu zerstören, bis ich merkte das es gar keinen Spiegel gab. Es war eine Täuschung gewesen. Entmutigt schlug ich mir sanft gegen die Stirn und ließ meine Hände wieder an mein Kleid gleiten. Beleidigt sah ich mich um, die Perspektive hatte sich nicht geändert, ich war mit nicht einmal sicher ob ich überhaupt voran gekommen war.

Wie aus dem nichts erschrak ich durch einen leisen, dunklen Ton und drehte mich so schnell ich konnte um. Vor mir waren zwei Tische. Einmal darauf ein rohes Stück Fleisch und einmal auf dem anderen ein Messer. „Wähle“ sagte eine Stimme. Ich stürmte auf die Tische zu und dachte kurz nach. Was wollte ich denn wählen? Unsicher nahm ich das Messer und warf nochmal einen Blick auf das Stück Fleisch, aber es war schon vergangen und verwirrt sah ich mich um. Das Messer fest umklammert wurde ich immer nervöser und kleine Schweißpartikelchen bildeten sich auf meiner Stirn ab. Kurz schweifte mein Blick zu der silbernen Klinge die, perfekt geschliffen, im Sonnenlicht strahlte und es noch gefährlicher auf mich wirken ließ. Das einzige Messer was ich in meinem Leben je gehalten hatte war ein Küchenmesser und ich hatte es auch nur zum schneiden von Brot benutzt. Langsam dachte ich darüber nach was ich wohl damit anstellen sollte.

Als auf einmal wie aus dem nichts ein lauthalses bellen auf mich zu gerannt kam. Ich erschrak so doll, dass man mein lautes aufatmen über den ganzen Raum hörte. Meine Finger bohrten sich in das Messer, als ich sah wie sehr der Schäferhund seine Zähne fletschte und drohte mich mit seinem Kiefer zu töten, würde ich ihm nicht zuvor kommen. Ich erschauderte bei dieser Erkenntnis. Nein. Ich wollte kein Tier töten, ich wollte kein unschuldiges Tier töten! Er kam weiter auf mich zu gerannt und seine Schritte wurden immer größer und schneller. Auf einmal sprang er ab und landete auf mir. Sein Gewicht riss mich zu Boden und ich stöhnte leicht auf als ich unsanft landete. Er versuchte mich zu beißen, doch ich hielt ihn zurück. Wie durch Instinkt versuchte ich seinen Mund zusammen zu pressen, aber meine Kraft reichte dafür nicht aus und ich machte ihn nur noch wütender. Meine Panik stieg unweigerlich an als ich meine rasante Atmung bemerkte. Was alles nur noch schlimmer für mich machte. Ich werde nicht aufgeben. Hallte es auf einmal in meinem Kopf wieder und ich konnte nur zustimmen. Nein, nicht ich. Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen den Köter und warf ihn von mir. Ich war auf den Knien und streckte ihm das Messer gegen seine Schnauze, doch er bellte weiter, was mich immer entschlossener werden ließ. Knurrend lief er einen Kreis um mich und ich baute provozierenden Augenkontakt auf, noch nie hatte ich irgendein Lebewesen so abgrundtief gehasst wie dieses Vieh das fast direkt vor mir stand. Wieder bewegte er sich rasch vorwärts und ich vergaß alles was ich hätte machen sollen, alles was ich hätte tun wollen. Wieder sprang er auf mich und bis mir in den Arm, der erstechende Schmerz ließ mich auf schreien. Er löste sich nicht und biss sich regelrecht fest, immer weiter spürte ich seine riesigen Zähne und eiskalte Tränen des Schmerzes rollten über meine Wangen. In der anderen Hand hatte ich mein Messer. Als er damit drohte noch mehr zuzubeißen schlang ich meine andere um ihn und stach das spitze Messer in seinen Bauch. Erschrocken darüber jaulte er auf und ich schreckte vor mir selbst zurück. Nun lag er auf dem Boden und eine riesige Blutlache bildete sich. Ich ließ das Blutverschmierte Messer fallen und starrte auf den toten Körper. Dann bemerkte ich wieder meinen stechenden Schmerz im Arm und sah in den Spiegel.Ich war vollgeschmiert mit Blut, die Farben meines Kleides waren verschwunden und das einzige was übrig geblieben war, war ein blutrotes Kleid. Ich schrie entsetzt auf und ließ mich auf die kalten Fliesen fallen. Wie viel Blut hatte ich wohl verloren? Ich biss die Zähne zusammen und schloss die Augen, wobei mir eine kalte Träne entwich. Ich war eine Mörderin! Eine kaltblütige Mörderin! Ich hatte eine Tierseele umgebracht! Ich schluchzte auf.

Strong (Divergent F/F)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt