Kapitel 13: die Ruhe vor dem Sturm

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Zuerst dachte ich das ich ja einfach herumlaufen könnte, um die Umgebung zu erkunden, oder das ich mich auf eine Bank setzen könnte, um mich einfach einmal zu entspannen. Doch wie es sich für eine Ferox, wie mich, gehörte musste ich mich ins 'Abenteuer' stürzen.

Mit schweißnassen Händen schwung ich mich in die Bahn, welche mich sofort ergriff und mitzog, als ob sie mich nie wieder gehen lassen wollen würde. Während ich nun dort drin hockte und von außen die Landschaft vorbeiziehen sah, lehnte ich mich gegen die Wand und lauschte den Bewegungen der Bahn. Auf eine merkwürdige Art und Weise entspannte mich dieses leicht quietschende, aufjaulende Geräusch. Durch den mitreißenden Wind signalisierte sich für mich meine entgültige Freiheit. Ich war eine Ferox und Ferox waren Frei. Ich musste mich nicht darum kümmern was andere von mir hielten, die schiefen Blicke waren Vergangenheit, ich wollte das nicht, also ließ ich es auch nicht mit mir machen. Nur wie sollte ich gegen so viele auf einmal ankommen? Sie hassten mich alle, jeder einzelne von ihnen. Am liebsten hätte ich mich verkrochen, denn das Gefühl unter seinen 'Gleichgesinnten' eine Ausgeschlossene zu sein, war das schlimmste was einem passieren konnte. Meine Gedanken schweiften langsam ab. Immerhin war ich über der roten Linie. Mit ausreichend Glück wären das mehrere meiner Feinde nicht, dann müsste ich mich nicht mehr mit ihnen rumschlagen. Ob sie auch so über mich dachten? Das taten sie mit Sicherheit.

Meine Zugfahrt ging in Richtung Stadtzentrum. Noch wusste ich nicht genau was ich dort wollte, aber mir würde sicher eine plausible Beschäftigung einfallen. Als der Zug hielt sprang ich geradezu hinaus und sprintete los. Es war selten das man einen Ferox ganz allein sah, da wir eigentlich Herdentiere sind, doch das spielte für mich keine Rolle. Meine Füße trugen mich wie beflügelt durch die Straßen und es fühlte sich so an als könnte ich endlich wieder, nach langer Zeit, richtig durchatmen. Es fühlte sich so an als würden alle meine Sorgen von mir fliegen, nur für den Bruchteil einer Sekunde, und mich für immer in ruhe lassen. Die breiten Straßen die den kleinen folgten waren ziemlich überfüllt, weswegen ich das rennen wohl oder übel aufgeben musste, doch das war es mir allemal wert.

Das Zentrum war bekannt für seine atemberaubenden Sehenswürdigkeiten. Mich persönlich interessierte die Statue aller Fraktionen inmitten der gesamten Stadt, aber auch die fürchterliche Vergangenheit, woran die zerfallenen Wolkenkratzer erinnerten. Die Architektur unserer Vorfahren war mir Suspekt. Sie bauten damals riesige Türme aus Metall und Glas und fanden, dass dies beeindruckend war. Meine persönliche Meinung war das unsere Gebäude mehr Geschmack hatten als ihre. Mir fiel auf, dass sich auf den Straßen vor allem Ken und Altruan tümmelten. Ken höchstwahrscheinlich für irgendein Experiment und die Altruan um den Fraktionslosen zu helfen. Der alte Zeitungsartikel kam mir wieder ins Gedächtnis. Ich fragte mich wie sie sie denn nun noch verpflegen, da das Geld langsam für sie wirklich sehr knapp wurde, oder stahlen sie etwa von der Regierung? Nein, so etwas würden die Altruan nie tun.

Mit schnellen Schritten näherte ich mich immer mehr der Statue in mitten des riesigen Springbrunnens. Bisher hatte ich ihn nur kurz vor der Entscheidung gesehen, doch da hatte ich eher Augen für etwas anderes. Als ich das Gold der Statue vor einem Haus hervorfunkeln sah hob sich meine Laune und ich wurde mit jedem Schritt immer fröhlicher. Zuerst ragte das beobachtende Auge der Ken hervor. Danach erblickte ich die helfenden Hände der Altruan. Als nächstes war der immergrüne Baum der Amite eingemeißelt. Als Vorletztes die Waage der Candor und als letztes das glühende Feuer der Ferox. Darum herum fließendes, durchsichtiges Wasser, welches hin und wieder durch die Luft sprang. Dieser monumentale Springbrunnen war das wohl prächtigste etwas in unserer gesamten Stadt. Für eine kleine Weile blieb ich davor stehen und beobachtete das Schauspiel. Ich wollte jeden einzelnen Aspekt aufsaugen, sodass er mir nie mehr verloren gehen würde.

„Entschuldigung, aber es gibt hier auch Bänke!" schrie mir auf einmal eine erschreckend bekannte Stimme zu. Verwundert drehte ich mich um. Als ich ihn sah sammelten sich sofort Tränen in meinen Augen, vielleicht weil ich dachte ,dass ich ihn nie wieder sehen würde. „Peter..." sagte ich außer Atem. Mein großer Bruder! Ich rannte auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. „Was machst du denn hier?" fragte ich ihn neugierig. Er lächelte auf und streichte mir über meine Haare. Oh, stimmt ja, ich hatte ja jetzt rote,lockige Haare, ein Tatoo und... wow ich hatte mich verändert. „Rot hm?" Ich lachte auf. „Ja rot, ich dachte mir das ist mal was anderes. Naja und irgendwie wurde es mir auch aufgedrängt... was hältst du davon?" „Es passt zu dir." gab er stolz zurück und fing an zu lachen. Es war ein zufriedenes Lachen, also stimmte ich mit ein. „Und Holly wie geht's dir?" Als ich meinen alten Namen hörte musste ich schlucken. Er war mir fremd geworden, als ob ich damals jemand vollkommen anderes war. „Ähm... mir geht's gut und dir?" fragte ich unsicher. Nunja Peter wäre nicht Peter hätte er das nicht bemerkt. „Ist wohl nicht so leicht bei Ferox." bemerkte er. Ich schnaufte auf. „Das kannst du laut sagen." „Jetzt sag mal, was machst du hier Peter?" „Ich war eigentlich mit ein paar anderen Amite hier, aber als ich dich gesehen habe... da musste ich hallo sagen." Am liebsten hätte ich ihn noch einmal umarmt. Die ganze Zeit vermisste ich diese Wärme, die einem nur die Familie geben kann. Das war das erste Mal wo ich meine Entscheidung bezweifelte. „Wie geht es Darya?" In mir drin fing ich an zu lächeln. Es war nun mein Name, es war komisch. „Ihr geht es toll, David kümmert sich gut um sie. Ich glaub er sieht sie als eine Art Andenken an dich, Holly." David... oh der Arme. Mit 13 seine Schwester zu verlieren musste hard sein, aber ich hoffte das er sich durch meinen Einfluss nicht zu einer vielleicht falschen Entscheidung hinziehen lässt. Holly... dieser Name nervte mich, ich wollte ihn nicht mehr und es war an der Zeit das es auch Peter erfuhr. „Peter... ich habe einen neuen Namen angenommen." Als ich das gesagt hatte verzog sich seine Miene. Er schien nicht verärgert eher gespannt. „Ich hab mich Darya genannt und als Andenken an Zuhause hab ich mir das machen lassen." Stolz präsentierte ich ihm mein Tatoo. Er schien geschockt zu sein. Sein ganzes Leben lang war ich für ihn seine kleine Schwester Holly, das war ein wenig überrumpelnt für ihn gekommen. Behutsam strich er darüber. „Sie machen so etwas für Kinder bei Ferox?" fragte er mich ungläubig. „Peter, ich bin jetzt kein Kind mehr." Er lachte auf. „Ho... Darya du bist erst 16, glaub mir du bist ein Kind. Nicht mehr und nicht weniger." Ich senkte meinen Blick. „Du.. das war nicht böse gemeint, ich mag das Tatoo sehr." Ich lächelte auf. „Dankeschön." Aufeinmal hörte ich Rufe von einiger Entfernung weit. „Das sind die anderen, mit denen ich her gekommen bin. Es tut mir leid, aber ich muss wieder zurück." sagte er und umarmte mich. „Ich hab dich lieb, kleine Schwester." flüsterte er mir zu und ging. „Ich dich auch!" schrie ich ihm hinterher, woraufhin er noch einmal winkte. Es war schwer schon wieder Abschied zu nehmen.

Als ich meinen Rückweg antrat, weil es langsam schon recht spät wurde, schlug mir mein Herz bis zum Hals. Heute war ein unglaublicher Tag gewesen! Ich war von meiner Freude beflügelt und meine schnellen Schritte trugen mich fröhlich durch die, mit Laternenlicht durchströmten, Gassen. Der Zug kam auf die Sekunde genau und mit leichtem Anlauf schaffte ich es locker mich hinein zu schwingen. Die restliche Fahrt genoss ich. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm und es ließ jede einzelne meiner Körperzellen entspannen. Als der Zug hielt sprang ich hinaus und schlenderte zu den Ferox. Voller positiver Energie öffnete ich die Tür zum Gemeinschaftsraum.

Als mich alle anderen erblickten verdüsterte sich ihre Miene und manche fingen sogar wieder an laut über mich herum zu diskutieren. Doch irgendetwas war anders, aber was? Ich ließ meinen Blick aufgeregt durch den Raum gleiten, da sah ich ihn. Tobias. Er sahs in der äußersten Ecke und musterte mich. Mein Magen zog sich zusammen. Auf seinen Lippen bildete sich ein diabolisches Lächeln, welches mich schaudern ließ, und dann drehte er sich einfach wieder zu seinen Freunden um und redete weiter. Es war als ob ich Lippenlesen konnte. Denn in mir drin wusste ich genau was er ihnen gerade erzählte. Er erzählte ihnen wie ich zu ihm gekrochen kam und ihn gebeten habe mir zu verzeihen und wie er mich abgewiesen hat. Nur er würde es ihnen so erzählen als ob ich die Böse war denn ab jetzt war ich in den Augen von allen immer die Böse.

Strong (Divergent F/F)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt