Kapitel 12: Himmelblau

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Langsam öffnete ich meine Augen und streckte mich zögerlich. Es war so ruhig , man hätte eine Stecknadel fallen hören. Unruhig glitten meine Augen durch den dunklen Raum. Bisher schien jeder noch zu schlafen. Die Stille war beklemennt und verunsicherte mich. Dann riefen mir meine Gedanken wieder etwas in die Erinnerung. Heute würden wir das erste mal wirklich richtige Punkte bekommen. Meine Hände und Füße fingen unweigerlich an zu zittern. Ich versuchte sie irgendwie zu wärmen und es so zu stoppen, doch wusste ich das ich Angst vor der Reaktion der anderen hatte. Nach wenigen Minuten beschloss ich mich wieder hinzulegen und zu versuchen weiter zu schlafen. Doch stattdessen verbrachte ich die restlichen paar Stunden damit an die Decke zu starren, mir Lösungen für Probleme zu überlegen die es bisher noch nicht einmal in meinem Leben gab und mir einzureden das alle vergessen hatten was ich getan hatte. 

Doch als es dann soweit war und wir alle , wie immer, von Patrick geweckt wurden bemerkte ich die feindseligen Blicke der anderen, sogar die von Cassie. Bei Cassie war ich mir nicht ganz sicher warum sie so unbedingt meine Feindin sein wollte, da ich ihr persönlich nie etwas getan hatte und es offensichtlich auch nicht vorgehabt hatte. Schnell noch schnappte ich mir meinen neu erworbenen Marienkäfer Anstecker und brachte ihn an meiner Jacke an. Seine Niedlichkeit viel aus dem Bild der schwarzen Kleidung und generell irgendwie Rebellisch wirkendem neuen Look von mir, aber er gefiel mir gerade deswegen. 

Normalerweise hätten wir jetzt Messerwerfen gehabt, aber natürlich mussten sie mit uns noch etwas besprechen. Als sie uns alle zur Seite nahmen sah man schon wie ein paar anfingen zu spekulieren und wild herum zu diskutieren. Patrick entgingen diese wilden Artikulierungen nicht und sofort schrie er: „Ruhe!" Durch den gesamten Raum. Erschrocken hörten alle auf zu reden und wandten ihre gesamte Aufmerksamkeit Patrick zu, der auch sofort damit begann einen Vortrag über die zweite Phase der ersten zu halten. Er erzählte uns die Dauer, die erschreckend kurz erschien und er erzählte uns die Konsequenzen, wie zum Beispiel wenn jemand unter der roten Linie steht fliegt er raus. Ich sah die ängstlichen Gesichter und unsicheren Schnaufer. 

Ohne ein weiteres Wort zog Patrick das Tuch von der Anzeigetafel herunter und enthüllte unseren Stand. Ich wusste schon das ich darüber stand, doch es schien als ob mein Herz immer wieder einen erleichterten Sprung nach vorn machte wenn es dies sah. Ich bemerkte wie sich manche zufrieden die Hände rieben und andere verzweifelt anfingen immer lauter zu atmen. Drake trat vor. Ich hatte mich Gestern gar nicht dafür bedankt das er mir die Tafel gezeigt hatte, vielleicht hätte ich das tun sollen. Während des gesamten Vortrags von mir sah er die ganze Zeit zur Tafel. Er erklärte uns für was man Punkte bekam und wie man sie wieder verlor. Außerdem sagte er uns das die Punkte auf der Tafel und die mit denen man einkaufen gehen kann nichts miteinander zu tun haben. Während der gesamten Zeit der beiden Vorträge hatte ich mir an den Marienkäfer gefasst. Denn selbst mir entgingen diese Blicke der anderen nicht und das was sie über mich sagten. Ich wusste nicht genau wofür sie mich nicht mich mochten, doch ich wusste das sie es taten. Es gab nun wirklich viele Gründe mich nicht zu mögen. Ich war tollpatschig und hatte jemand K.O geschlagen, ich hatte Cassie angeschrien, ja.. wenn ich so darüber nachdachte hätte ich manche Sachen schon besser machen können, aber ich musste versuchen das auszublenden und mich ganz darauf zu konzentrieren über der Linie zu bleiben. Denn Fraktionslos zu werden wäre die pure Hölle für mich. Diese Armut und das Leid, die ganzen Menschen die hoffnungslos einfach vom System fallen gelassen werden. Irgendwo war es schon traurig, aber man konnte nun einmal nichts mit Leuten anfangen die nicht hierher gehörten.

Nach weiteren dreißig Minuten ließen uns Drake und Patrick endlich wieder trainieren gehen. Nach solch einer Hiobs Botschaft schienen manche wie versteinert zu sein. Sie kamen nur mühsam hinterher und wenn sie es taten dann sah man meistens noch die tiefe Enttäuschung in ihren Augen. Sie hatten noch zwei Tage, zwei Tage um sich zu verbessern dann war es vorbei. Ich muss dennoch zugeben das ich gespannt bin was wohl die zweite Phase sein wird. 

Doch jetzt musste ich mich erst einmal auf Messerwerfen konzentrieren. Ich stellte mich wieder an meinen alten Stammplatz und begann damit das erste Messer zu werfen. Wie erwartet blieb es gerade mal so an meinem Ziel hängen. Ich sah schon vor meinem inneren Auge wie ich immer weiter an der Anzeigetafel nach unten fiel, bis ich schließlich unten angekommen war. Ich warf ein weiteres Messer. Diesmal flog es ganz gut und traf in den Brustkorb, vielleicht hätte es die Lunge gestreift, aber ob es denjenigen getötet hätte? Seit ich hier war überlegte ich eh ob ich den Mut dazu hatte irgendjemanden zu töten. Die weiteren Messer landeten wie es ihnen mal so passte. Manchmal landeten sie tödlich und manchmal trafen sie gar nicht. 

Nach zwei Stunden hatten wir wieder Mittagspause. Ich rannte förmlich zu den anderen, da ich mich endlich aus dieser unangenehmen Situation mit den anderen aus meiner Gruppe lösen wollte. Das gesamte Training über hatte ein Mädchen neben mir zusammen mit ihren besten Freundin über mich hergezogen und das so laut das es vermutlich jeder hören konnte. Doch jetzt war ich fröhlich, denn jetzt würde ich endlich dazu kommen mich auszuruhen, auch wenn es in einer riesigen Cafeteria mit mehr als 1000 Menschen darin war. Ich donnerte mein Tablett auf den Tisch und warf mich auf den Stuhl. Es duftete auf einmal alles so schön, das könnte allerdings auch an meiner unglaublichen Freude liegen. „Hey!" schrie mir Nat aufgeregt entgegen. Sie war so hippelig wie noch nie und das musste ein Rekord sein! „Wir haben es alle gesehen! Du auch? Man Darya! Wir sind alle über der roten Linie!" schrie sie. Beunruhigt sah ich mich um, ob sie wusste das sich jeder beschwerend umdrehte und uns ansah? Ich glaube nicht, zumindest war es ihr egal. „Und wie geht's dir so?" fragte mich Nik und lehnte sich leicht vor. „Ja.. mir geht's ganz gut." antwortete ich ihm und fing an mein Brot zu essen. Am Anfang hatte ich fast nur Gemüse und kaum Fleisch gegessen, aber jetzt war das genau umgekehrt. „Sag mal Darya... weißt du das wir in der zweiten Phase wahrscheinlich alle zusammen in eine Gruppe kommen?" fragte Ben. Ich schrak auf. WAS? Sofort fing ich an zu lächeln, dann würde jeder sehen das ich doch Freunde hatte und niemand würde es wagen über mich zu lästern da sie alle Respekt vor geborenen hatten. Glaubte ich. Als ich fertig war fing ich unweigerlich an mit der Gabel auf dem Tisch herumzutrommeln. Alex und Martin waren Heute nicht hier mit am Tisch, ich fragte mich wirklich wo die beiden waren. 

Nach einer geschätzten halben Stunde ertönte die bösartige Glocke wieder und verdonnerte uns zum Training. Was für ein toller Tag. Messerwerfn und Schießen, das wird ja immer besser. Missmutig folgte ich der Menge, die allesamt auf das Dach zusteuerten. Ich sah in den wunderschönen blauen Himmel und merkte wie sehr ich das doch vermisste. Ich sah ihn in letzter Zeit wirklich viel zu selten und sollte wirklich damit anfangen ,so wie die anderen ,raus zu gehen und nicht immer nur drinnen zu bleiben und mir irgendwelche Sachen zu kaufen, auch wenn sie super süß waren. Heute hatten wir wieder die schweren Gewehre die mir in keinster Weise bei irgendetwas halfen. Doch ich fand sie recht handlich, auf jeden Fall besser als die kleinen Pistolen die mir die Nase zu zerschmettern drohten. In den letzten paar Tagen hatte ich mich hier drin wirklich verbessert. Das schießen schien mir immer leichter zu fallen, aber ich war immer noch nicht so gut wie die anderen es zu sein schienen. Nach einer Ewigkeit erlöste er uns endlich und ließ uns gehen. Ich schmiss meine Waffe wieder in die Schale aus der ich sie genommen hatte und ging schnell nach unten. Ich hatte mir vorgenommen raus zu gehen, ich durfte das ja... 

Als ich endlich die Tür öffnete erwartete ich es schon, doch es war noch viel besser. Sofort kam mir die Frage auf warum ich nicht schon früher raus gegangen war. Ich schüttelte den Kopf, jetzt ist es eh egal. Ich atmete die frische Luft ein, da kam mir eine Frage auf.. was machte ich denn jetzt?

Strong (Divergent F/F)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt