»Einen schönen Tag noch!«, sagte die Frau in der Apotheke und Jaspers Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das hoffentlich nicht wie eine Grimasse aussah. Er nahm die Türe mit Medikamenten und trat langsam nach draußen in das bewölkte Frühlingswetter, gestützt auf ein Paar Krücken, die er dank seines gebrochenen Fußes brauchte.
Schönen Tag?, dachte er bitter. Es ist schon eine Weile her, dass er so einen hatte. Um genau zu sein, waren seine letzten siebenundzwanzig Tage schrecklich gewesen. Nicht wegen der bevorstehenden Prüfungssaison an der Uni oder weil er in einer winzigen Wohnung lebte, die ehrlich gesagt eher einem begehbaren Kleiderschrank als einer Wohnung glich. Auch nicht, weil sein Computer, den er irgendwie für die Uni brauchte, kaputt gegangen war oder weil er neulich Kaffee über seine neue Jacke verschüttet hatte, nein. All dies war beschissen, aber im Moment nicht seine Hauptsorge. Er konnte mit dem Pech umgehen.
Womit er nicht umgehen konnte, war die Tatsache, dass das Universum in den letzten siebenundzwanzig Tagen auf ihn aus war. Buchstäblich. Er hatte ein brennendes Mal auf seiner Brust, um es zu beweisen. Es war wie eine schwarze Wolke des Unglücks und der Katastrophe, die sich an ihn klammerte und versuchte, ihn umzubringen. Die Schutzzauber seiner Mutter, Tante und Großmutter waren der einzige Grund, warum er noch am Leben war. In den letzten siebenundzwanzig Tagen hatte er einen Autounfall überlebt, wurde von einem Radfahrer überfahren, versehentlich ins Gesicht geschlagen, jemand hatte kochendes Wasser über seinen Schritt gegossen, er fing sich eine Lebensmittelvergiftung ein durch einen etwas zu alten Salat und verbrachte ein paar Tage damit, alles zu erbrechen, was er schluckte. Außerdem zerbrach er seinen Wandspiegel indem er ohne Vorwarnung aus der Halterung kippte und auf Jasper fiel. Glücklicherweise waren die meisten Schnittwunden nicht besorgniserregend. Lediglich der Schnitt an seiner Hand hatte so stark geblutet, dass er genäht werden musste. Die Schwestern im Krankenhaus fingen an, ihn misstrauisch zu beäugen, nachdem er dank einem Rippenbruch noch einmal dort war, weil er ein paar Stufen hinunter fiel, als er versuchte, seine Krücke, ein Paket, seinen gebrochenen Körper und die Einkaufstüten auf einmal zu balancieren.
Nein, er hatte keinen Todeswunsch. Jasper war verflucht. Obwohl er den Krankenschwestern nicht wirklich sagen konnte, dass er verflucht worden war. Er war nicht scharf darauf, dass sie dachten, er sei verrückt. Also machte er seine neu gewonnenen Ungeschicklichkeiten für seine Verletzungen verantwortlich.
Im Moment lief Jasper langsam nach Hause, seine Umgebung beäugend wie ein wachsamer Falke der hinter jeder Ecke eine neue Katastrophe erwartete. Seine Paranoia wurde verständlicherweise schlimmer, je länger er mit dem Fluch herumlief.
Anfangs hatte er sich noch einzureden versucht, dass es vielleicht doch kein Fluch war, das der Dämon hinterlassen hatte. Man konnte es ihm nicht verdenken, oder? Immerhin passiert es nicht jeden Tag, dass man versehentlich einen Dämon beschwörte und verflucht wurde. Als er seiner Mutter erzählte, was geschehen war, schickte sie ihr direkt ins Badezimmer für eine Runde Reinigungsbäder, bevor sie ihn zwang, einen Liter ihres hausgemachten Tees zu trinken, der nach Salbei und Erde schmeckte. Es hatte dem Fluch fürs erste die Schärfe genommen. Zumindest redete Jasper sich das ein, als er in der Notaufnahme des Krankenhauses aufwachte, nachdem er auf dem verdammten Bürgersteig von einem Auto überfahren worden war. Offenbar wurde der Fahrer bewusstlos und lenkte von der Straße ab. Kein Wunder, dass Jasper Schlafprobleme hatte und auch im Wachzustand ständig in Alarmbereitschaft war.
Das Schlimmste war, es geschah nicht nur draußen. Jasper wagte es nicht mehr, irgendetwas in seiner Küche anzufassen, nachdem die Mikrowelle einen Kurzschluss hatte und ohne ersichtlichen Grund fast explodierte. Er musste die Messer in eine Schublade sperren, nachdem er sich fast den Zeh abgeschnitten hatte, weil die Klinge vom Griff abgebrochen war. Der Herd ging in Flammen auf, als er versuchte, eine Suppe aufzuwärmen wodurch er sich die Augenbrauen versengte (die zum Glück nachwuchsen, bevor er wieder ins Krankenhaus eingeliefert wurde). Oh, und nicht zu vergessen, der Abend an dem er naiver Weise gewagt hatte, die Dusche zu benutzen, ausrutschte und sich den Kopf so hart anschlug, dass er sich sicher war, dass er für eine Weile ohnmächtig geworden war. Seitdem lebte er von Müsli und seifenlosen Bädern. Alles in allem war Jasper fix und fertig und fest entschlossen, diesem Fluch ein Ende zu bereiten.
DU LIEST GERADE
between the shadow and the soul
Paranormal»Mein Name ist übrigens Aristes. Hier ist meine Telefonnummer, falls du mich anrufen musst.« »Deine Telefonnummer?«, wiederholte Jasper verblüfft. Er hatte nicht gewusst, dass Dämonen Telefone hatten. »Ja. Ich meine, du könntest mich auch rufen, ind...