Ich seh' die Welt mit fremden Augen,
seh' sie in denen der Kinder
so offen und voller Vertrauen,
seh' tausend Rätsel, Abenteuer,
fühle Geborgenheit,
die Wärme, den Duft jener Sommer.
Ich seh' die Welt mit Herzchenaugen,
denen der Liebenden,
unendlich schön und fremd und neu,
verzagt und voller Mut,
sehe Stolz und Scham,
Tränen voller Glück.
Ich seh' die Welt durch ihre Augen
die Augen junger Eltern
im Mittelpunkt der Welt,
Blicke aus Angst und Zuversicht,
beider ungekannter Liebe,
strahlender Zärtlichkeit.
Ich seh' die Welt aus kalten Augen,
will sie verstehen, beherrschen,
will wieder nur ich selber sein,
und bin doch selber nichts,
kann nicht mehr lieben, schon gar nicht mich;
Hass frisst meine Seele auf.
Dann seh' ich die Welt durch Hitlers Augen,
möchte sie verderben.
Und kreuzt sich mein Blick im Spiegel
wende ich ihn ab,
entsetzt und voller Grauen,
mit neuer Schuld beladen.
Dann wieder die Welt in jenen Augen,
weit offen, schwarz und tief,
tiefe Brunnen in die Seele,
schmerzender Anblick
vergangener Jugend,
so stolz, verletzlich und schön.
Ich sehe die Welt durch alte Augen,
fühle mich fremd und ausgesetzt
in einer neuen Welt,
die nicht mehr meine ist,
ich nur noch Gast in ihr,
alles bedrohlich und kalt.
Dann fällt mein Blick in Deine Augen,
auch sie nicht jünger geworden,
auch Deine Pupillen verschlossen eng,
auch Du ruhst längst nicht mehr
in Deines, unseres Lebens Mitte,
blickst ebenso mit Wehmut zurück,
Doch plötzlich ist in Deinen Augen
wieder all das Verlorene,
sehe ich das junge Mädchen,
das meine Liebe gespiegelt hat,
die Mutter meiner, unserer Kinder,
sehe ich meine Welt in Dir.
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Lyrik
Poetryverschiedene Gedichte, zumeist besinnlich, aber auch heiter. Geschrieben von 1969 bis 2013.