Jungbrunnen (1998)

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Der Himmel liegt schwer wie flüssiges Blei

über den weißen Stränden.

Da endlich erreicht er sein Ziel.

Peitschend, ohrfeigend schlägt der Sturm

auf ihn und die See ein, als ginge es darum,

beider Vereinigung zu verhindern.

Verbittert kämpft er dagegen an.

Niemand hat das Recht, sich zwischen ihn

und das Wasser zu stellen!

Das alles reinigende, alles heilende,

alles verjüngende Wasser.


Wessen hätte es bedurft,

seinen Plan zu vereiteln?

Der Menschen? Deren Liebe? Gottes?

Des flatterhaften Windes gewiss nicht!

Ist der doch so vergänglich, wie er selbst.

Wer wagt es, sich ihm in den Weg zu stellen?

Trotzig tritt er mit den Füßen den Sand,

der ihn ebenfalls zu hindern sucht.

Weshalb war die Jugend ihm genommen?

So bald schon!


Noch eben war doch er jener Mann,

der ihn nun verlassen hat!

Allein die Gedanken blieben zurück,

frisch wie je und ohne Entstellung.

Worin besteht seine Schuld,

die es zu sühnen gilt?

Zu sühnen mit der Geißel des Alters?


So nahe der Rettung, beschleunigt sich sein Schritt.

Eisig umklammert das aufgewühlte Wasser seine Füße,

seine Waden, seine Knie schließlich.

Lässt ihn zögern.

Doch für die Spanne eines Schrittes nur -

dann hat er die Probe bestanden.

Langsam bahnt er sich den Weg,

die Brust, einem Schiffsbug gleich, voran gestreckt.

Welle um Welle. Schlag um Schlag.


Die heilende Wirkung ist bereits spürbar;

vom Grunde des Meeres steigt die Wärme empor

und umfängt ihn schließlich ganz.

Die altbekannte Wärme jungen,

unverbraucht pulsierenden Blutes.

Ein zufriedenes Lächeln legt sich auf das Gesicht;

glättet, vom Wasser schon umspült, die ärgsten Furchen.

Das Tosen reißt plötzlich ab,

verstummt unter dem Wellendach.


Vor ihm tut sich ein langer Gang, ein Korridor auf.

Eng und düster zunächst;

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