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Die Möglichkeit, dass Harry hinter H steckte, hatte ich nie in Erwägung gezogen. So viele Dinge hatten in meinen Gedanken dagegen gesprochen. Nicht zuletzt die Tatsache, dass ich ihm vertraut habe. Ich dachte nie, dass er mir so ins Gesicht lügen würde und trotzdem hatte er es getan. Er hatte vorgegeben, mir zu helfen, den anonymen Absender zu enttarnen, obwohl er mir einfach die Wahrheit hätte sagen können.

Doch spielte das alles jetzt überhaupt noch eine Rolle? Wenn Harry es laut den Briefen wirklich nur aus Angst vor Zurückweisung getan hatte, waren die Lügen dann weniger schlimm? Die einzige Möglichkeit, dies zu entscheiden, war ein Gespräch mit Harry selbst. Er musste mir seine Seite der Dinge erklären, sonst würde ich noch an all den ungeklärten Rätseln verzweifeln.

Genau aus diesem Grund, hatte ich ihm heute morgen eine Nachricht geschrieben, dass er kurz vor Bibliotheksschluss hierher kommen sollte. Da Sonntag war, hatte sie sowieso nur bis Mittag geöffnet, weshalb das Gespräch unerbittlich näher rückte. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich es am liebsten noch weiter herauszögern wollte oder es nicht mehr abwarten konnte, Harry mit der Wahrheit zu konfrontieren.

Nervös trommelte ich mit den Fingern auf den Schreibtisch. Mein Blick schwenkte abwechselnd zwischen der Tür und der Uhr hin und her. Der Sekundenzeiger tickte und signalisierte damit, dass unaufhörliche Voranschreiten der Zeit.

Jeden Moment war es soweit und Harry würde die Bücherei betreten. Ich dachte ich wäre darauf vorbereitet gewesen, doch als er dann wirklich mit einem breiten Lächeln auf mich zutrat musste ich mir eingestehen, dass ich es nicht war. Ich konnte nicht zuordnen, ob das leichte Ziehen in meiner Magengegend die Freude war, ihn zu sehen oder ob es die Angst vor dem bevorstehenden Gespräch war. Vielleicht war es aber auch die Mischung aus beidem. So oder so war das jetzt Folgende unausweichlich.

„Hallo, Louis?“ hörte ich die belustigte Stimme von Harry. Anscheinend war ich so in meinen Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkt hatte, wie er mich begrüßt hatte. Ich räusperte mich und sah mein Gegenüber dann mit ernstem Blick an. „Wir müssen reden.“

Auf meine Worte hin, wich das zuvor so ausgelassene Lächeln von Harrys Gesicht. „Okay?“ meinte er nur langgezogen, ließ sich jedoch von mir in eine Ecke umgeben von Bücherregalen ziehen, wo uns niemand stören würde.

„Du hast mir die ganze Zeit die Nachrichten geschrieben.“ platzte ich heraus. Ich schlug mir innerlich gegen die Stirn. So hatte ich mir den Anfang unseres Gespräches nicht vorgestellt, doch jetzt war es sowieso schon zu spät. „Warum hast du nie etwas gesagt?“ schob ich mit zitternder Stimme hinterher. Mist, ich hatte mir doch vorgenommen stark zu bleiben und mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich die Lügen verletzt haben. Es lief wirklich überhaupt nichts wie geplant.

„Wie...woher, ich meine...“ stotterte Harry mit großen Augen, doch dann schien er sich wieder zu fangen. Seine Stimme wurde weich und er wirkte niedergeschlagen. „Es tut mir leid. Ich hätte es dir sagen sollen, aber ich wusste einfach nicht wie. Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, da hast du mich schon verzaubert. Ich konnte nicht mehr aufhören von dir zu reden, bis Gemma die Idee mit den Briefen vorgeschlagen hat, weil ich mich nicht getraut habe, mit dir zu reden.“

Harry machte eine kurze Pause und sah mir dabei in die Augen. Sein Blick war so verletzlich, dass ich nicht anders konnte, als ihm zu verzeihen. Doch noch immer hatte ich nicht auf alle meine Fragen eine Antwort. Weshalb ich ihn bat weiter zu erzählen.

„Als ich dich dann an der Uni gesehen habe, da musste ich einfach mit dir reden und später mit meinen Freunden in der Bar, konnte ich den ganzen Abend meinen Blick nicht von dir nehmen.“ Bei der Erinnerung schmunzelte Harry. „Ich hatte Angst, dass du mich nicht mehr magst wenn du das mit den Zetteln herausfindest. Ich konnte den Gedanken einfach nicht ertragen. Deshalb hab ich einfach weitergemacht mit dem Versteckspiel. Du musst mir glauben, das mir die Lügen leid tun und ich hoffe, du kannst mir verzeihen.“

Die Entschuldigung klang wirklich aufrichtig und irgendwie konnte ich Harry ja verstehen, dass er so gehandelt hatte. Ich hätte mich auch im Leben nicht getraut jemanden und schon gar nicht Harry, anzusprechen. Ich nickte also. „Ist schon okay, Harry.“ Als ich dies sagte, atmete er erleichtert auf und ein sanftes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus.

„Was ich fühle,  ist jetzt wohl sehr offensichtlich, aber was sagst du zu meinen Briefen?“ wollte Harry schließlich wissen. Plötzlich schien er viel schüchterner und unsicher wartete er meine Antwort ab.

Ich wusste, dass zwischen uns etwas besonderes war, doch waren da mehr als nur freundschaftliche Gefühle? Ich wusste es nicht, aber ich wusste, dass ich Harry vertraute und mich bei ihm wohlfühlte. War das für den Anfang denn genug? Wir kannten uns erst viel zu kurz, um wirklich von Liebe zu sprechen. Doch wenn wir uns beide darauf einließen, dann sprach doch nichts dagegen, dass mit der Zeit eine engere Bindung zwischen uns entstehen konnte. Denn dass ich eine gewisse Anziehung zu Harry verspürte, konnte ich nicht leugnen.

Ich hob meinen Blick und sah direkt in Harrys große, hoffnungsvolle Augen. Sein Blick hielt mich gefangen und wie von selbst machte ich einen Schritt auf ihn zu. Auch wenn ich mir vielleicht unsicher war, wusste mein Herz doch unterbewusst, was es wollte. Noch ein Schritt und ich stand nun direkt vor ihm. Die Luft zwischen uns war zum zerreißen gespannt.

Harry war ein ganzes Stück größer als ich und so musste ich leicht zu ihm nach oben sehen, um den Blickkontakt zu halten. Harrys Hand fand den Weg zu meiner Hüfte, die andere strich mir sanft eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. Bei der sanften Berührung erschauderte ich und lehnte mich ihm noch näher entgegen. Unsere Lippen waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt und Harrys Atem striff leicht meine Wange.

Kurz verharrten wir in dieser Position, doch ich konnte nicht mehr warten. Ich musste endlich wissen, wie sich seine Lippen auf meinen anfühlen würden. Ich stellte mich leicht auf Zehenspitzen und bei der ersten Berührung unserer Lippen fielen meine Augen zu. Der Kuss den wir teilten war unschuldig und sanft. Nicht spektakulär und voller Leidenschaft, sondern mehr ein Herantasten und Kennenlernen. Doch trotzdem war er auf seine Art perfekt.

Ich wusste nicht, was die Zukunft für uns bereit hielt. Ich wusste nicht, ob es mit uns funktionieren würde. Ich wusste so vieles nicht. Doch was ich wusste, war das ich in diesem Moment glücklich war und war es nicht das, was eigentlich zählte? Im Moment zu leben und dabei das eigene Glück finden. Ich jedenfalls hatte mein Glück im hier und jetzt gefunden. Mehr brauchte ich nicht wissen.

Wäre ich nicht so in unseren Kuss vertieft gewesen, dann hätte ich vielleicht die Stofftasche bemerkt, die von Harrys Schulter glitt und auf dem Boden landete. Heraus fiel ein Buch, Mary Poppins. Durch den Aufprall blätterte es auf und ein kleiner Zettel kam zum Vorschein.

„Anything can happen if you let it xH.“

Endeee

Ich hoffe euch hat die kleine Fanfiction gefallen :)

Vielen vielen Dank für alle Votes und Kommentare und vielleicht sieht man sich bei einer anderen Fanfiction ja mal wieder <3

Byeee :)

Library of Love (l.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt