Forever

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Den ganzen Tag schon versuchte ich so aufmerksam wie möglich zu sein. Ich betrachtete jede Person, die die Bibliothek betrat genaustens. Das gestrige Gespräch mit Harry hatte mir gezeigt, dass es nicht einfach werden würde, den Unbekannten zu finden. Doch ich würde mein bestes geben, dass dies sobald wie möglich geschah.

Ich wusste nicht, wovor der Absender Angst hatte. Seine Worte waren wunderschön, so dass nichts in der Welt mich dazu bringen könnte, ihm nicht wenigstens eine Chance zu geben. Wenn die Botschaften tatsächlich den Charakter der Person wiederspiegelten, dann war sie mit Sicherheit bildhübsch.

Doch statt ebenfalls eine Nachricht zu schreiben, konnte ich nur abwarten, was mich jetzt schon verrückt machte. Ich war noch nie ein besonders geduldiger Mensch gewesen, weshalb es mir umso schwerer fiel, untätig zu bleiben und nur zu beobachten.

Doch je mehr Zeit verging, desto weniger passierte. Anfangs waren noch einige Menschen in der Bibliothek, doch die Stunden verstrichen und der Andrang wurde weniger. Bis schließlich kein einziger Besucher mehr durch die Regalreihen schritt und immer mal wieder stehen blieb, um sich eines der Bücher genauer anzusehen.

Resigniert seufzte ich. Warum hinterließ der unbekannte Absender genau heute keine Botschaft? Oder wartete er etwa, bis ich meinen Platz hinter der Theke verließ, damit er ungestört seine nächste Nachricht auf meinem Arbeitsplatz hinterlegen konnte? Ich wusste es nicht. Doch da ich im Moment sowieso nichts zu tun hatte, beschloss ich mir den Wagen mit den noch einzuräumenden Büchern zu schnappen und eine Runde durch die Bibliothek zu drehen.

Zumindest ließ ich es so aussehen. Denn sobald ich den Wagen um das erste Regal herumgeschoben hatte, ließ ich diesen stehen und zog eines der Bücher aus dem Regal. So entstand eine kleine Lücke, durch die ich prima hindurchsehen konnte. Somit erlangte ich perfekte Sicht auf den Schreibtisch nahe der Eingangstür. Jetzt hieß es abwarten, ob sich der Absender vielleicht nun blicken lassen würde.

Anfangs fand ich es noch aufregend, denn ich hatte mich wie ein Detektiv auf Mission gefühlt. Nach einer gefühlten Ewigkeit in der nichts passiert war, hatte das Versteckspiel jedoch seinen Reiz verloren. Ich wollte gerade aufgeben und mich wieder meiner Arbeit zuwenden, da wurde die Eingangstür einen Spalt breit aufgeschoben.

Eine Person im Kapuzenpulli betrat mit gesenktem Kopf die Bibliothek. Ich hielt die Luft an, als ich sah, wie sie ein Buch auf den Tisch legte. Das war der anonyme Absender, aber noch immer konnte ich kein Gesicht erkennen. Die Gestalt wandte sich zum Gehen, doch kurz bevor sie die Tür hinter sich schloss, sah sie sich noch einmal um. Scharf zog ich die Luft ein, schlug mir aber im selben Moment noch die Hand vor den Mund. Er sollte mich nicht entdecken, doch ich musste mir keine Sorgen machen, denn schon im nächsten Moment war er verschwunden. Der Unbekannte, der mein Herz mit seinen Worten hatte höher schlagen lassen oder sollte ich besser sagen Harry Styles.

Ich ließ mich auf den Boden sinken und lehnte mich mit dem Rücken an das Regal hinter mir. Wie war das möglich? Wie konnte Harry hinter all dem stecken? Aber vielleicht hatte er ja auch etwas anderes vorbeigebracht? Selbst der Gedanke in meinem Koof hörte sich mehr wie eine Frage an, denn ich wusste selbst wie gering diese Chance war. Denoch sprang ich auf und lief zum Tresen, wo ich das Buch Peter Pan fand.

Als ich es dann aufschlug und auch noch einen Zettel geschrieben in der selben unverwechselbaren Handschrift entdeckte, konnte ich nichts mehr leugnen. Auch wenn sich  theoretisch nichts an den Briefen geändert hatte, machte es mir jetzt doch irgendwie Angst, diesen zu lesen.

Es war nicht die Botschaft an sich, die dieses Gefühl in mir auslöste, sondern die Tatsache, dass es etwas zwischen Harry und mir veränderte. Er war bisher mein einziger Freund hier in London und ich wollte ihn auf keinen Fall verlieren. Er war mir schon jetzt sehr wichtig und ich vertraute ihm wirklich. Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas zwischen uns besonders war und das würde sich jetzt wandeln. Ob zum Guten oder zum Schlechten wusste ich nicht und genau das war es was die Angst auslöste.

Doch trotzdem kam ich nicht darum herum, den Zettel mit zittrigen Fingern auseinander zu falten. Zu groß war meine Neugierde, welches Zitat Harry wohl heute gewählt hatte.

„I'll hold you in my heart until I can hold you in my arms.“

„Meine Sehnsucht nach dir wird von Tag zu Tag größer. Wenn du lachst, dann wünsche ich mir, dass ich der Grund dafür bin. Wenn du weinst, dann wünsche ich mir, dass ich dich in meine Arme schließen kann. Wenn du mich durch deine wunderschönen blauen Augen anblickst, dann wünsche ich mir, dass du mein bist. Denn dann bin ich auch dein Hx.“

Erst am Ende der Nachricht angekommen, bemerkte ich das Lächeln, dass sich während dem Lesen auf meine Lippen geschlichen hatte. Trotz meiner Angst, konnte ich nicht verleugnen, dass sich ein warmes Gefühl in meinem Bauch ausbreitete. Wie es wohl wäre, wirklich in Harrys Armen zu liegen?

Die Frage verdrängte ich jedoch schnell wieder. Wenn es überhaupt einmal so weit kommen würde, dann konnte ich immer noch darüber nachdenken. Es gab nämlich eine viel wichtigere Frage, die mich einfach nicht locker ließ. Wie hatte Harry alle Zettel unbemerkt hinterlassen können. Ich erinnerte mich noch an Donnerstag, als das Buch während meiner Unterhaltungen mit Harry aufgetaucht war. Ein weiterer Zettel war aufgetaucht, als Harry vor der Bücherei gewartet hatte, als ich mich gerade mit Gemma unterhalten hatte.

In diesem Moment ging mir ein Licht auf. Alleine konnte er die Nachrichten nicht verstecken, aber mit Gemma zusammen war es möglich. Einer der beiden war die Ablenkung, während der andere das Buch mit neuer Botschaft in meiner Nähe hinterlegte.

Sobald sich jedoch die eine Frage beantwortete, stellte sich auch schon die nächste. Das mit den Zetteln hatte angefangen, bevor wir uns das erste Mal an der Uni begegnet waren. Doch warum hatte er mich dann dort angesprochen, wenn er sich mir nicht zeigen wollte? Und warum hatte er mich angelogen und Unwissenheit vorgetäuscht, immer wenn es in unseren Gesprächen um dieses Thema ging?

So viele Fragen und nur Harry konnte sie mir beantworten. Ich musste ihn zu Rede stellen, daran führte kein Weg vorbei.

Library of Love (l.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt