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Ungeduldig auf die Uhr blickend, stand ich hinter dem Tresen der Bücherei. Ich konnte es kaum erwarten, Harry wiederzusehen. Wir hatten uns auf ein Cafe ganz in der Nähe geeinigt, in dem wir uns später treffen würden. Jedoch erst, wenn ich mit meiner Arbeit fertig war.

Ich hatte wirklich Hoffnungen, dass Harry mir dabei helfen könnte, den Unbekannten zu finden. Wer weiß, vielleicht konnte Harry ja die Handschrift zuordnen oder ihm fiel eine versteckte Botschaft zwischen den Zeilen auf. Doch egal ob wir wirklich zu einem Ergebnis kommen würden, tat es einfach gut, das ganze mit jemandem zu teilen und zu besprechen.

Die Stunden zogen sich ewig lang, bis ich es eine halbe Stunde vor Schluss nicht mehr aushielt. Also beschloss ich, meinem Onkel in seinem Büro einen Besuch abzustatten und ihn zu fragen, ob ich ausnahmsweise schon etwas früher gehen durfte. Meine Bitte nahm er mit einem Lächeln zur Kenntnis, bevor er antwortete „Ich freue mich, dass du endlich Freunde hier gefunden hast, aber lass das mit dem früher aufhören nicht zur Gewohnheit werden."

„Jetzt geh schon." fügte er noch zwinkernd hinzu, was ich mir nicht zweimal sagen ließ. Überschwänglich bedankte ich mich, bevor ich auch schon aus der Tür rannte. Alle Zettel, die ich bisher von dem anonymen Absender bekommen hatte, steckten in meiner Hosentasche, so dass ich sie später ebenfalls noch Harry zeigen konnte.

Als ich zurück im Hauptraum der Bibliothek stand, war ich nicht überrascht, auf meinem Arbeitsplatz ein neues Buch zu finden. Sofort verbesserte sich meine Laune weiter. Ich hatte erneut einen Brief bekommen, doch diesmal freute ich mich wirklich darüber. Seit ich mit Harry das erste Mal darüber gesprochen hatte, hatte meine Angst abgenommen, es könnte sich bei dem Absender um einen Stalker handeln. Stattdessen fand ich die Botschaften mittlerweile wirklich süß. Doch jetzt hatte ich nicht mehr genug Zeit, um die neue Nachricht zu lesen, weshalb ich beschloss, den Zettel samt Buch einfach mitzunehmen und diesen im Café zu öffnen.

Als ich jedoch circa eine Viertelstunde später dort ankam, war Harry noch nicht da. Trotzdem beschloss ich, schon mal nach drinnen zu gehen und einen Platz für uns zu suchen. Da es ein Freitag Nachmittag war, war hier einiges los, doch ich hatte Glück und so erwischte ich gerade noch einen Tisch für zwei Personen. Ich ließ mich auf der Sitzbank auf der Wandseite fallen und legte das Buch vor mir ab. Solange ich noch auf Harry wartete, konnte ich ja schon einmal den neuen Zettel öffnen.

Arielle die Meerjungfrau. Kurz hielt ich inne, um das Cover zu betrachten. Doch dann konnte ich nicht mehr länger warten. Ich schlug den Buchdeckel zur Seite und strich mit dem Finger durch die Seiten, bis ich an einem kleinen Stück Papier hängen blieb. Mein Herz klopfte schneller, als ich es herauszog und die Botschaft laß.

„When the world says give up, hope whispers try it one more time."

„Meine Freunde sagen, ich soll es aufgeben, dir weiterhin Nachrichten zu schreiben. Sie versuchen mir einzureden, es würde mich dir nicht näher bringen. Ich soll mich dir zeigen oder es aufgeben. Doch die Hoffnung in meinem Inneren flüstert mir zu, jeder Brief würde mich ein Stück näher zu deinem Herzen führen. Was wären wir Menschen nur ohne die Hoffnung? xH."

Auch wenn diese Nachricht von Hoffnung handelte, spürte ich zwischen den Zeilen geradezu die Zweifel, die den Absender plagten. Doch ich hoffte wirklich, das die Hoffnung der Person stärker war und dies nicht die letzte Botschaft war, die ich erhalten würde.

So in die Worte vor mir vertieft, bemerkte ich überhaupt nicht, wie Harry das Café betrat. Erst als er sich auf den Stuhl vor mir fallen ließ, schreckte ich aus meinen Gedanken und blickte erschrocken auf.

„Oops." meinte Harry nur grinsend, als er sah wie sehr er mich erschreckt hatte. Mir war das Ganze jedoch etwas unangenehm, weshalb ich nur peinlich berührt ein zaghaftes „Hi." flüsterte. Mein Gegenüber ließ sich davon jedoch nicht beirren und klaute mir das Stück Papier aus der Hand, um es sich ebenfalls durchzulesen.

Während er also ins Lesen vertieft war, kramte ich die schon leicht verknitterten Zettel der vorherigen Tage aus meiner Hosentasche. Ich breitete sie geordnet nach Datum auf dem Tisch vor uns aus. Zwischendurch hatte eine Kellnerin unsere Bestellungen aufgenommen, welche schon wenige Minuten später vor uns abgestellt wurde. Eine heiße Schokolade für Harry und einen Milchkaffee für mich. Unsere Getränke schlürfend, überlegten wir also gemeinsam, wer hinter all dem stecken konnte.

„Weißt du überhaupt, ob der Absender männlich oder weiblich ist?" wollte Harry wissen, nachdem er jede der Botschaften überflogen hatte. Als Antwort zuckte ich nur mit den Schultern. „Für mich ist der Charakter wichtiger, da spielt das Geschlecht keine so große Rolle. Auch wenn es mich natürlich schon interessiert, ob die Person ein Junge oder ein Mädchen ist."

Harry nickte verstehend, bevor er ratlos fortfuhr „Ich habe leider überhaupt keine Ahnung, wer dieser Anonyme sein könnte. Keiner der Zettel bietet den geringsten Anhaltspunkt." Resignation machte sich in mir breit. Wäre auch zu schön gewesen, wenn Harry mir hätte weiterhelfen können.

„Gibt es wenigstens eine Möglichkeit, wie ich der Person zurückschreiben könnte? Ich würde so gerne wissen, wer hinter den schönen Worten steckt." seufzte ich, doch auch darauf fiel niemandem von uns beiden eine vernünftige Idee ein. Klar könnte ich einen großen Zettel an die Tür der Bücherei hängen, auf dem meine Handynummer und eine Nachricht hinterlassen war. Aber wer konnte mir dann garantieren, dass es wirklich der Unbekannte war, der daraufhin zurückschrieb.

Das Zitat des heutigen Zettels passte jetzt nicht nur zur Situation des Absenders, sondern auch zu meiner Situation. Ich konnte den Unbekannten nur durch Zufall entdecken, denn ich konnte ihn nicht zwingen sich zu zeigen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür sehr gering war, flüsterte die Hoffnung in meinem Inneren, dass es nicht Unmöglich war.

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