„Als dein Bruder damals...", seine Stimme versagte.
„Es ist ok wenn ihr nicht darüber reden wollt...", meinte Lirou leise.
Sie wusste wie schwer es ihren Eltern fiel über dieses Thema zu reden. Sie alle hatten den Schmerz von Anfang an verdrängt um zu vergessen, doch hatte sich die Trauer und die unfassbare Wut nur angestaut wie das Hochwasser vor ein paar Wochen. Ihre Frage hatte den Damm gebrochen.
„Doch doch... Du hast ein Recht darauf zu erfahren was passiert war. Es ist nur so - schwer", sagte Sira anstelle ihres Mannes, da dieser nur noch starr geradeaus blickte.
Lirou wusste nicht was sie zu sagen hatte, also ließ sie die Worte einfach im Hals stecken und griff stumm wieder nach der Gabel, um in dem ohnehin schon matschigen Püree herumzustochern.
Ein zittriges Seufzen entfuhr ihrer Mutter, als diese es Lirou gleichtat.
„Als dein Bruder damals mit den Secret Guards verbündet wurde", brachte Tilan seinen Satz plötzlich zu ende.
Erschrocken blickte Lirou auf.
„Darion kannte die Secret Guards?!", fragte sie ungläubig.
Die Erwähnung seines Namens ließ Sira kurz zusammenzucken.
„Ja. Und was für einer! Wir waren so stolz auf ihn. Er hat den Job besser ausgeführt als jeder andere und war auch voller Elan dabei!", berichtet Tilan mit einem stolzen Unterton und auch Siras Lippen kreuzte ein leichtes Lächeln.
„Er war mit dreizehn Jahren einer Gruppe namens 'Ziva' beigetreten. Sie trugen den Namen in der Hoffnung auf große Erfolgserlebnisse. Das Wort Ziva kommt aus dem hebräischen und bedeutet hell oder strahlend. Es gibt noch eine andere Bedeutung... Leben oder die Lebendigen... wo kommt die Bedeutung doch gleich her?", fragte sich Tilan.
„Ach egal. Jedenfalls machten sie ihrem Namen alle Ehre. Sie wurden zu einer Elite Gruppe, die sogar außerhalb von Chester, Wills und Tehan herrschten", erklärte Tilan mit nun fester Stimme weiter.
Wills und Tehan waren zwei weitere Großstädte, die sich einige Kilometer von Chester befanden.
Erstaunt sah sie ihren Vater an.
„So weit? Wie haben die das denn geschafft?"
„Da staunst du was? Sie waren nur zu fünft. Jedenfalls sollten sie wohl einen sehr komplizierten und gefährlichen Auftrag entgegennehmen. Viele solche Missionen hatte die Ziva schon hinter sich, doch dieser sollte ein anderes Niveau besteigen. Darion, dein Bruder, hatte mit dem Obersten, sein Name ist mir unbekannt, gesprochen das ihr Team zu klein für die Mission war. Doch dieser ließ nicht mit sich reden. Er meinte nur das Verstärkung die Balance des Teams auseinanderreißen würde und ein besseres Team als die Ziva hatten sie nicht. Also zog Darion mit seinen Freunden letztendlich doch in den Kampf...", wieder nahm seine, sowieso schon raue Stimme, einem unverständlichen Flüsterton an.
„Seither wurde er und auch die Anderen nie wieder gesehen... Wir nehmen nach Jahrelanger Suche und Hoffnung an, das sie niemals lebend zurückkehren würden", fügte Sira mit krächzender Stimme hinzu.
Lirous Herz schien vollkommen verstummt zu sein. Jedenfalls spürte sie es nicht mehr laut schlagen. Unbewusst fuhr sie mit ihrer linken Hand an die Brust. Doch da war es noch.
Das Ehepaar vor ihr hatte sich noch den ausgesprochenen Worten wieder etwas beruhigt. Doch in Lirous Gedanken herrschte ein Chaos wie noch nie.
Darion, ihr älterer Bruder, der seit sieben Jahren verschollen war, sollte zu diesem Secret Guards Gesdönse gehören? Mit dreizehn Jahren schon dort ausgebildet worden sein und an, ausgerechnet ihrem eigenen dreizehnten Geburtstag in einem Kampf umgekommen sein?
Das war doch bescheuert.
„Aber von einer Black Rose hatte er euch nicht erzählt richtig?", fragte Lirou.
Tilan schüttelte verneinend den Kopf.
„Aber versprich mir! Das du egal was passiert, NIEMALS diesen schrecklichen Leuten angehören wirst!", forderte Tilan mit einem panischen Funken in den Worten.
Langsam nickte Lirou, mit diesen verrückten Vollidioten wollte sie sowieso nichts am Hut haben.
Die Stimmung lockerte sich wieder. Tilan war kurz nach den schmerzhaften Erinnerungen mit der Portion auf seinem Teller fertig und Sira war anscheinend der Appetit vergangen, denn sie stand auf und verstaute den Teller mitsamt dem Essen in dem kleinen Kühlschrank.
Lirou war in tiefen Gedanken gefangen. Sie hatte gerade mehr über ihren Bruder erfahren als sie bisher wusste. Sie hatte nur davon mitbekommen, das Darion gestorben sei und die Secret Guards an seinem Tod eine Rolle spielten.
Niemals hätte sie sich ausmalen können, das er einmal zu diesen seltsamen Leuten gehörte. Kopfschüttelnd stellte auch sie ihre halbe Portion in das Kühlfach, zum Essen war sie zu durcheinander.
*
Am nächsten Morgen wachte sie mit gemischten Gefühlen aus dem gewohnten langweiligen Schlaf auf. Ihr Wecker zeigte mit den schäbigen Zeigern die Zeit an. Laut dem alten Blechding war es bereits neun Uhr.
Warte NEUN UHR an einem Dienstag?!
Panisch griff sie nach ihrem Handy. Im nächsten Moment atmete sie erleichtert auf, nur um im nächsten Moment das runde Teil von ihrem Nachschränkchen auf den ausgebleichten Teppich zu pfeffern. Er hatte gelogen. Die Digitaluhr ihres Handys strahlte hell die Zahlen: 06:23. Na toll! Jetzt war auch noch ihr Wecker kaputt.
Die Schlaflieder des Handys waren keine Konkurrenz zu dem Markerschütternden Geheul ihres alten Freundes.
Den Kopf schon wieder ganz woanders, huschte sie ins Bad und machte sich bereit für den Tag.
Die schwarze Mähne auf ihrem Kopf brauchte heute besonders lang um gezähmt zu werden, weswegen sie sich nun auch noch beeilen musste, rechtzeitig in Chester anzukommen.
*
Was hatte sie heute auch nur für einen verrückten Tag erwischt?! Sie war genau 10 Minuten zu spät in den Unterricht von Herrn Sieman gestolpert und durfte dann noch an der Tafel die Wunderschönen Formeln lösen, welche der Lehrer einige Sekunden vorher an die grüne Platte geklatscht hatte.
Unter leisem Gekicher ihrer Klassenkamersden und kreidebeschmierten Händen, ließ sie sich seufzend auf den Stuhl zurückfallen.
Der gestrige Vorfall kam wieder an die Oberfläche. Die verschiedenen Gespräche lagen ihr immer noch schwer in den Knochen.
Den Rest der Schulzeit war Lirou gedanklich so abwesend, das sie öfter die Rufe der irritierten Lehrer unbewusst überhörte.
*
So verliefen auch Dienstag und Mittwoch. Lange zogen sich sogar die Sekunden und der Alltag spulte, wie auf einer Kasette, immer die gleichen Ereignisse ab.
Der Donnerstag hielt seine Überraschungen, obwohl auch diese eher ins unverhoffte gingen.
Als Lirou am Donnerstag die Tankstelle betrat, schauten ihr Defne und ihr Arbeitsgeber schon streng entgegen.
„Oooops-"
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Peaceful Disaster
AventuraEiner gegen Alle. Aufgewachsen zwischen Reich und Arm, Freude und Trauer und im Mittelpunkt von Leben und Verwüstung. -Ein Feuer! Es bedeutet Gefahr...Oder auch nicht?- -Hast du das gehört?! Ein Schuss! Wir müssen weg...Warum stehst du noch hier?- ...