Kapitel 2

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~ Kageyama Pov ~

"Kageyama", höre ich jemanden kaum hörbar flüstern. Eigentlich würde ich das gerade auch sehr gerne ignorieren, da mich dieser Idiot Hinata schrecklich nervt. Warum musste ausgerechnet der auf die Karasuno gehen?!

Trotzdem drehe ich mich in die Richtung aus der die Stimme kam und dort steht sie. Yuna Takahashi. Was habe ich dem Leben nur schlimmes getan? Womit habe ich das verdient? Erst dieser Hinata, der die letzten 9 Jahre eindeutig viel zu wenig trainiert und sein Talent weggeschmissen hat. Und jetzt noch Yuna. Aber was will sie hier? Warum ist sie nicht zu Oikawa nach Aoba Johsai gegangen?

~ Yuna Pov ~

Ich schaffe es nicht auch nur ein weiteres Wort auszusprechen. Tobio Kageyama, schlimmer hätte es mich nicht treffen können. Was mache ich jetzt nur?

Während ich hier wie festgewachsen in der Tür der Turnhalle stehe, nähern sich hinter mir Schritte und jemand sagt etwas. "Entschuldigung, aber dürften wir bitte einmal vorbei?". Ich drehe mich um und sehe einen fröhlich aussehenden Jungen mit grauen Haaren sowie einen weiteren Jungen mit braunen Haaren. Sie sind beide ganz eindeutig älter als ich und so gehe ich einen Schritt zur Seite. Immer noch leicht geschockt von Kageyamas Anwesenheit schaffe ich es allerdings nicht, mich zu entschuldigen. Die beiden älteren Jungen betreten nun also die Halle und stellen sich als Daichi Sawamura und Koshi Sugawara vor. Sie sind im dritten Jahr der Oberschule und dieser Daichi ist wohl auch der Kapitän des Volleyballclubs.

"Yuna, was willst du hier?". Ich drehe mich zu Kageyama, der die Drittklässler vollständig zu ignorieren scheint und mich böse anschaut. "Falls du vorhast, dem Volleyballclub beizutreten, dann lass es lieber sein. Du bist hier genauso wenig willkommen, wie auf der Kitagawa Daiichi. Du hättest lieber wieder zu Oikawa rennen sollen. Vielleicht hättest du dann eine Chance gehabt." Alle anderen in der Halle zogen merklich hörbar die Luft ein. Selbst dieser Hinata sagte nichts mehr und schaute nur in meine Richtung. "Ey, kriegt euch wieder ein. Hier ist jeder erst einmal willkommen. Ganz egal, was ihr für Streitigkeiten in der Mittelschule hattet, ihr seit jetzt auf derselben Schule und wollt scheinbar beide mit Volleyball weitermachen". Ich schaue Daichi an und weiß auch, dass er eigentlich Recht hat mit dem, was er gesagt hat... aber ich kann das einfach nicht. "Tut mir Leid, ich kann das nicht. Ich ziehe meine Anmeldung zurück". Mehr konnte ich nicht sagen und laufe einfach aus der Halle ohne auf eine Antwort zu warten.

Auf dem Weg nach Hause merke ich, wie mir die Tränen übers Gesicht laufen. Ich wollte doch unbedingt weiter Volleyball spielen. Ich wollte viel stärker werden und in meinem Team endlich akzeptiert werden, genauso wie ich bin. Aber was habe ich mir eigentlich dabei gedacht? Dachte ich wirklich, dass jetzt alles anders wird auf der neuen Schule? Dachte ich wirklich, dass alles besser wird als vorher und ich meine Vergangenheit hinter mir lassen kann? Wie naiv ich doch war...

Zuhause angekommen gehe ich direkt in mein Zimmer. Die rufe meiner Mum ignoriere ich. Kurz nachdem ich mich habe in mein Bett fallen lassen, klopft es an der Tür. "Hey Schatz, darf ich reinkommen?". Ich sage nichts und höre dann einen Moment später, wie die Tür aufgeht. Meine Mum setzt sich neben mich auf das Bett und streichelt sanft über meinen Rücken. "Was ist denn passiert? War der erste Tag so schlimm?". Ich drehe mich um zu ihr und setze mich ebenfalls hin. Die Tränen laufen jetzt einfach wieder über mein Gesicht. Im nächsten Moment umarmt mich meine Mum ganz fest und so verweilen wir, bis ich mich wieder beruhigt habe. "Mum, Kageyama hat auch auf die Karasuno gewechselt". "Mein Schatz, das ändert doch überhaupt nichts. Kageyama ist ein Idiot und wenn du jetzt aufgibst, dann hat er gewonnen. Möchtest du das? Möchtest du einfach kampflos aufgeben und ihm das Feld überlassen? Du bist ein wundervoller Mensch und eine gute Volleyballspielerin. Beweise das deinem Team, dann hat Kageyama nichts mehr zu sagen". Ich schaue sie nur an und nicke traurig. Ich weiß natürlich, dass sie Recht hat, aber ich weiß nicht, ob das etwas ändert.

Ich liege im Bett und bin hellwach. Mein Vater ist eben nach Hause gekommen und meine Eltern streiten sich. Mei und Mirai sind vor ungefähr 20 Minuten zu mir ins Bett gekommen. Sie haben Angst, das haben sie immer, wenn unsere Eltern sich streiten und leider kommt das sehr häufig vor. Die beiden sind mittlerweile aber eingeschlafen. Niemals würde ich zulassen, dass er ihnen etwas tut. Als ich einen dumpfen Knall höre, verkrieche auch ich mich unter die Bettdecke. Ich weine, lautlos, aber ich weine. Ich habe Angst. Um meine Mum, um meine Geschwister und um mich. Ich weiß, dass meine Mum nie zulassen würde, dass er in dem Zustand zu uns in die Zimmer kommt, aber ich habe trotzdem so schreckliche Angst. Warum nur muss das alles in meiner Familie geschehen?

Am nächsten Morgen fühle ich mich, als hätte ich die gesamte Nacht nicht geschlafen. Ich wecke meine Geschwister und gehe dann gemeinsam mit ihnen ins Badezimmer. Meine Mum lasse ich schlafen. Mein Dad ist bereits zur Arbeit gegangen. So läuft das fast immer ab, wenn ich mitbekomme, dass meine Eltern sich den Abend zuvor gestritten haben. Ich kümmere mich dann darum, dass meine Geschwister in den Kindergarten kommen. Da dieser allerdings nicht ganz auf meinem Schulweg liegt, müssen wir das Haus bereits um kurz vor 7 verlassen. Am Kindergarten angekommen, empfängt uns Frau Nakamura. Nur Dank ihr, ist es überhaupt möglich, dass ich die Zwillinge so früh hier abgebe. Eigentlich öffnet der Kindergarten nämlich erst um 8 Uhr. Doch sie weiß um die schwierigen Verhältnisse bei uns zuhause und war immer sehr zuvorkommend, wenn ich die Zwillinge eher gebracht habe. Sie nickt mir nur mit traurigem Blick zu und schon mache ich mich auf den Weg in die Schule.

Die ersten beiden Stunden vergehen recht schnell. Englisch liegt mir eigentlich ganz gut. Als ich zur Pause das Klassenzimmer verlasse, halten mich zwei Jungen aus meiner Klasse im Gang auf. "Na du Schwuchtel". Sie grinsen mich nur an und ich merke, wie mir ganz schlecht wird. Einer von beiden packt mich einen Moment später am Arm und zieht mich zu sich. Ich kann nichts sagen, ich habe so schreckliche Angst. Wie festgewachsen starre ich ihn an und das Einzige, was ihm dazu einfällt, ist ein hämisches Grinsen. "Hey ihr beiden, lasst sie sofort los!", sagt jemand hinter ihnen. Tatsächlich lassen sie mich los und drehen sich selbstbewusst um. Nur einen Moment später bemerken sie allerdings, dass ein Drittklässler vor ihnen steht. Schnell verschwinden die Beiden wieder im Klassenzimmer. Ich stehe nu so da und schaue den Drittklässler an, es ist Sugawara. Einerseits bin ich ihm sehr dankbar, dass er mir geholfen hat, andererseits aber fühle ich mich in diesem Moment unfassbar schwach. Ich verbeuge mich und laufe dann an ihm vorbei nach draußen. Ich höre nur noch, wie er hinter mir meinen Namen ruft, doch ich kann jetzt nicht mit ihm sprechen. Ich will eigentlich nur weg.

Rechts neben der Turnhalle gibt es eine Ecke, die nur schlecht einsehbar ist und wo sich niemand aufhält. Dort setze ich mich hin und vergrabe mein Gesicht in meinen Armen. Das ist so demütigend. Einen Moment später schrecke ich hoch, weil ich ein Geräusch höre und sehe Sugawara.

Die Nummer 13 von KarasunoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt