~sieben~

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Schwer atmend und auf die Knie gestützt stand ich in einer dunklen Gasse, ganz, ganz, ganz weit weg von dem Lager meiner Vaters. Ihn und seine Horde hatte ich schon vor vielen Kreuzungen abgehängt, doch ich hatte auf Nummer sicher gehen wollen und war einfach weiter gerannt.

Sie durften nicht wissen, nicht einmal erahnen wo ich hin wollte. Es wäre Ashtons und Roberts Tod gewesen. Und das war das letzte das ich wollte oder ertragen konnte. Ich war mir nicht einmal mehr sicher ob ich es überleben würde.

Der Regen prasselte mir in den Nacken und ich fragte mich angestrengt warum es immer pissen musste wenn ich im Begriff war zu den Irwins zu gehen. Womöglich hatte das etwas mit Schicksal oder so zu tun.

Das Loch war noch dort wo ich es zuletzt verlassen hatte. Niemand zu sehen, keine Spitzel meines Vaters oder irgendwelche Schaulustige. Also schlupfte ich wieder schnell hindurch. Auch auf der anderen Seite keine Menschenseele.

Sicheren Fußes stapfte ich durch das Prasseln in Richtung Kirche. Mir war egal, dass meine Schuhe schwer wurden da sie Wasser aufgesogen hatten, dass mir die kalten Tropfen aus dem Haar den Nacken herunter rannen und, dass ich meiner Familie wohl nie wieder unter die Augen treten konnte.

Ich brauchte sie nicht, ich brauchte nur Ashton. Das war mir jetzt bewusst.

Die Fenster des Pfarrhauses waren in einem sanften Orange erleuchtet und Rauch stieg vom Kamin auf. Es würde unendlich behaglich im Inneren sein. Man würde mir sicher einen Tee und eine warme Decke anbieten und ich dürfte während meine eigenen trockneten Klamotten von Ashton tragen. Sie würden nach ihm riechen, so wie sicher alles in diesem Haus.

Als ich vor der Türe stand schlich sich ein wahrlich traumhafter Geruch in meine Nase. Es roch nach einer warmen Hühnerbrühe. Da war mir erst aufgefallen was für einen riesen Hunger ich doch hatte. Sie würden mir sicher etwas abgeben.

Vorsichtig pochte ich an die Türe. So leise, dass es auch ja kein Nachbar mitbekam. Doch anscheinend hörten es Ashton und Robert auch nicht. Also pochte ich erneut, etwas lauter dieses Mal. Immer noch nichts.

Da ich befürchtete, die kleine Glocke über dem Eingang zu läuten wäre ohrenbetäubend laut gewesen, begann ich um das Haus herum zu schleichen. Mittlerweile war ich von oben bis unten durchnässt, doch die Schwälle die von der Regenrinne herunter direkt in mein Gesicht flossen waren wirklich zu unangenehm.

Hinter dem ersten Fenster brannte kein Licht, ein Vorhang war zugezogen. Das nächste war das Wohn- und Esszimmer in dem ich letztes Mal so herzlich empfangen worden war. Aber dort war auch niemand. Es brannte lediglich munter ein Feuer im Kamin und der Tisch war für zwei Personen gedeckt.

Dann Stimmen, bekannte Stimmen. Ich schlich weiter zum dritten Fenster und tatsächlich, das war die Küche. Auf dem alten Gasherd stand ein riesiger, dampfender Topf in dem Robert mit einem Holzlöffel rührte. Ashton stand daneben und ließ Schnittlauch hinein rieseln.

Er sah dabei so konzentriert, aber auch wirklich selig aus. Als ob er in diese Suppe all sein Können gelegt hatte sich aber gleichzeitig auch darauf freute sie zu verzehren.

Ashton sah gut aus. Schon lange nicht mehr hatte ich ihn in einem gut beleuchteten Raum gesehen. Er trug ein einfaches, dunkelgraues Shirt mit geknöpftem Kragen. Seine wuscheligen Haare fielen ihm ab und zu ins Gesicht und er musste sie weg pusten. Außerdem waren die Spuren der Folter kaum noch zu erkennen. Die Platzwunde verheilte und das blaue Auge war nun lediglich noch ein Hauch von Gelb.

Auf einmal, wie aus einer Eingebung heraus blickte er auf. Ich hätte gerne noch länger da gestanden und ihn beobachtet, doch anscheinend hatte er meine Anwesenheit bemerkt. Ashton erschrak sich so dermaßen, dass er den Schnittlauch einfach aus seiner Hand fallen ließ. Die kleinen, grünen Flöckchen wanderten direkt in die Gasflamme wo sie zischend verbrannten.

Mauern ▄ a.i. [AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt