Kapitel 1

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"Erin! Kommst du bitte nach Zimmer 13? Wir brauchen dich mal!" rief meine Kollegin Maria lautstark über die ganze Station. Ich musste ein wenig grinsen, Maria war schon ein wenig älter und hatte das lauteste Organ im ganzen Krankenhaus. Grinsend und Kopfschüttelnd lief ich in Richtung Zimmer 13 und sah Maria und Lizzy völlig überfordert vor einer älteren Patientin stehen. Sie musste grade aus der Notaufnahme kommen, denn Tom sagte nur noch zu den Beiden "Wir haben sie unten auch kaum verstanden. Sie redet so schnell und ganz komisch.". Ohje, was haben die Kollegen da wieder angeschleppt. "Ihr braucht meine Hilfe?" voller Erleichterung schauten Maria und Lizzy mich an. "Erin, gut dass du da bist. Wir verstehen die Dame einfach nicht. Erstens können wir kein Englisch und zweitens hat sie einen merkwürdigen Akzent. Den haben die Kollegen vom Rettungsdienst auch nicht verstanden. Dein flüssiges Englisch kann uns da bestimmt weiterhelfen." erklärte mir Lizzy voller Verzweiflung. Ich konnte mir ein beherztes Lachen einfach nicht verkneifen. Die beiden waren einfach zuckersüß. Na gut, dann versuche ich mal mein Glück. Irgendeinen Vorteil musste meine australische Herkunft ja haben. (Auf englisch) "Hi, mein Name ist Schwester Erin. Können sie mir ihren Namen sagen?" fragte ich die Patientin. "Mein Name ist June. Warum können sie so gut Englisch Erin? Ich höre ihren Akzent. Und ihr Name ist auch typisch australisch. Kommen sie denn aus Australien?". "Nicht direkt. Meine Mutter ist Australierin und hat mich zweisprachig erzogen. Wir haben aber schon seit ich denken kann in Deutschland gewohnt. Tut ihnen denn was weh, June?" "Das ist schön zu hören, man trifft auch nicht oft auf Australier hier in Deutschland. Ich bin gestürzt, deshalb tut mein Bein und meine Schulter ziemlich weh, Liebes.". Ich unterhielt mich noch eine Weile über die möglichen Gründe des Sturzes und übersetzte dann alles für Maria und Lizzy. Die Beiden standen die ganze Zeit mit offenen Mündern neben uns und versuchten angestrengt wenigstens ein bisschen zu verstehen. "June meint, dass ihre Tochter und Enkel gleich nachkommen werden. Ihre Tochter kann wohl ein bisschen Deutsch. Wenn ihr trotzdem Hilfe braucht, schreit einfach. Das kann Maria ja am besten." sagte ich den Zweien mit einem Augenzwinkern. Ich verabschiedete mich noch von June und ging wieder meiner Arbeit nach.

Die Zeit ging einfach zu schnell vorbei, gefühlt hatte ich den riesen Berg von Aufgaben immer noch nicht abgearbeitet. Dann kann ich mich wohl auf Überstunden gefasst machen. Ich hatte mich gerade an den Schreibtisch gesetzt, als eine große, blonde Frau mit einem kleinen Mädchen und drei Jungs auf mich zugestürmt kam. Na toll, dachte ich mir, wieder nervige Angehörige die mich von der Arbeit abhalten. Trotz allem stand ich auf und ging der Frau lächelnd entgegen. Völlig außer Puste, stoppte die Frau vor mir. Erst da fiel mir auf wie schön sie doch war. Ihre blonden, leicht gelockten Haare wippten noch ein bisschen, ihre Augen waren vor Aufregung ein bisschen aufgerissen und voller Sorge. "Hello, ich bin Cate. Meine Mutter June wurde eben eingeliefert. Wo kann ich sie denn finden?" fragte die blonde Frau mit einem australischen Akzent. Ich erinnerte mich an das Gespräch mit June, als sie mir erzählte, dass ihre Tochter Deutsch sprechen könnte. Also antwortete ich, diesmal auf Englisch "Hi, ich bin Schwester Erin. Ich habe mich vorhin mit ihrer Mutter unterhalten. Ihr geht es soweit ich weiß gut. Sie liegt in Zimmer 13. Folgt mir einfach.". Cate war sichtlich überrascht, nickte aber und folgte mir, ohne ein einziges Wort, zu ihrer Mutter. "Hey June, hier ist Besuch für sie!" sagte ich als ich ins Zimmer ging. Cate und die Kinder folgten mir zurückhaltend. Als das kleine Mädchen June sah, wand sie sich aus den Armen ihrer Mutter und hüpfte auf das Bett ihrer Großmutter. Cate bedankte sich bei mir und bemühte sich dann, die Kleine vom Bett zu holen.

Nach weiteren drei Stunden stress, hatte ich endlich Feierabend. Die Überstunden machten mir relativ wenig aus. Ich hatte niemanden, der zu Hause auf mich warten würde. Ein paar Kollegen meinten sogar, dass ich mit der Arbeit verheiratet war. Ich wusste, dass das stimmte, aber zugeben würde ich es niemals. Zu Hause angekommen, bewältigte ich erstmal meinen Haushalt. Da ich oft im Krankenhaus schlafe, sammelte sich hier viel Wäsche und schmutziges Geschirr an, das ich immer mitbrachte und dann nicht aufräumte. Eigentlich gibt es keine Bereitschaftsräume für Pflegekräfte, deshalb schlief ich immer bei den Ärzten. Das machte ihnen aber relativ wenig aus, da sie eh nicht zum Schlafen kommen. Als ich alles erledigt hatte, legte ich mich auf meine super bequeme Couch und startete eine Serie auf Netflix. Kurze Zeit später schlief ich ein. In meinem Traum erschienen mir immer wieder diese eisblauen Augen, die ich einfach nicht zuordnen konnte.

Cates NurseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt