meine Hölle

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-Louis

Zitternd lag ich in der Ecke neben einem Karton, der Winter war einer der härtesten, die ich bis jetzt erlebt hatte. Wahrscheinlich würde ich diese Nacht sterben, aber ich hätte nicht darüber weinen können. Meine Augen bekam ich nur mühsam auf, meinen Körper spürte ich größtenteils nicht mehr, sobald ich einschlief, wäre es vorbei. Gequält öffnete ich zum wiederholten Male meine Augen und schaute mich ein letztes mal um. Vermissen würde ich das hier sicherlich nicht, seitdem ich obdachlos war, wohnte ich hier. Hier begann alles, jede Prügelei und all das, was du nicht einmal deinem schlimmsten Feind wünscht, fand hier statt. Wenn ihr jetzt schon mein Leben erbärmlich finden solltet, ich gebe euch recht, ich war schon immer ein Opfer.
Im Leben hatte ich nichts erreicht, ich hatte niemanden und es war gut so. Ich wollte niemanden leiden sehen, niemand sollte sich um mich sorgen, ich hatte es einfach nicht anders verdient.

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-Kilian

Ich hatte alles was ich wollte und soviel mehr, ich lebte im völligen Überfluss und trotzdem fehlte mir etwas. Bekannter CEO, aber dennoch nicht glücklich, Geld ermöglicht dir sicherlich vieles, aber die Einsamkeit bleibt. Genau genommen hätte ich alleine überhaupt nichts erreicht, mein Vater gehörte die Firma und ich hatte sie nun mal übernommen, ohne Mühe.

Von klein auf brachte man mir bei, dass man sich für seine Ziele anstrengen muss und ich das nicht als selbstverständlich ansehen durfte, wie wir lebten. Mittlerweile hatte ich eine eigene Wohnung, abends wenn ich von der Arbeit kam, enttäuschte es mich dennoch, wenn da niemand war, der auf mich wartete.

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-Kilian

Heute war wieder einer dieser Tage, an denen ich erst spät abends von meiner Arbeit wieder kam, im Grunde hasste ich diese Tage. Würde man nicht solche Erwartungen an mich haben, hätte ich schon längst alles hingeschmissen.

Ich ging gerade an einer Gasse vorbei und blickte reflexartig kurz rein. Bis auf einen Berg Kartons konnte ich nichts erkennen, aber da war doch ein Wimmern gewesen? Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein.

"Es wird wohl am Schlafmangel liegen", murmelte ich zu mir selbst.

Doch als ich gerade weiter gehen wollte, hörte ich wieder ein leises Schluchzen.
Dann war alles still, totenstill und unweigerlich kam die Angst in mir auf.
Langsam und bedacht darauf, keine lauten Geräusche zu machen, ging ich auf die Kartons zu.

Tatsächlich sah alles auf den ersten Blick "normal" aus, aber wenn man sich einmal die Mühe machen würde und genau hinsah, sah man einen jungen Mann dort liegen. Er bewegte sich kein Stück, während sich in mir etwas regte, etwas wie Mitleid, Sorge und Liebe. Mein Beschützerinstinkt ließ es zu, dass ich weiter auf den Mann zuging und mich neben ihn hockte. Ich rüttelte etwas grob an seiner Schulter, aber nichts, keine Reaktion und auch seine Atmung ließ zu wünschen übrig. Insgesamt wirkte er nicht nur vom aussehen, sondern auch von seiner Körpertemperatur wie ein Eisblock.

Innerlich rang ich mit mir selbst, sollte ich ihn mitnehmen oder sollte ich ihn hier liegen und dem Schicksal überlassen?

Wie sollte es auch anders sein, entschied ich mich für die riskantere Version, ich würde ihn mitnehmen. Mein Herz war zum einen zu groß und zum anderen weckte der Fremde mein Interesse, trotzdem behielt ich im Hinterkopf, wie leichtsinnig das alles war. Er könnte ein Mörder sein und mich, sobald er wieder erwacht, umbringen, aber irgendwas sagte mir, das er das eben nicht machen würde. Kopfschüttelnd hob ich ihn hoch, vorher hatte ich ihm noch meine Jacke umgelegt, bis zu meiner Wohnung war es eh nicht mehr soweit.

Fröstelnd hob ich meine Schultern hoch und ging schnellen Schrittes weiter. Irgendwie hatte ich es dann geschafft, die Wohnungstür zu öffnen und legte den Fremden auf mein Bett. Natürlich hätte ich ihn auch auf das Sofa legen können, aber das wollte ich seinem Rücken nicht antun. Ich ignorierte einfach den Fakt, das er vorher auf dem kalten Steinboden lag.

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