Kapitel 13

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"Das sollten Sie lieber lassen." Noch bevor ich die Augen öffnete, spürte ich eine kalte Hand auf meiner. Vorsichtig wurde meine linke Hand von meinem rechten Handrücken gehoben und zurück auf die Bettdecke gelegt. "Hören Sie bitte auf an der Infusionsnadel zu kratzen. Wir werden Sie bald entfernen können, wenn Sie sich erholt haben. Schlafen Sie noch etwas." Die freundliche Stimme entfernte sich, der Juckreiz an meiner rechten Hand der mich geweckt hatte, wurde immer schlimmer und schließlich öffnete ich langsam die Augen. Murrend fuhr ich mit der linken Hand über meine Augen. Ich musste mehrmals blinzeln bis ich die Augen vollständig öffnen konnte und das Krankenzimmer in dem ich lag erkennen konnte. Die graue Tür öffnete sich vorsichtig und eine älterere Frau im weißen Kittel betrat den Raum. "Guten Morgen, Miss Beckett. Ich bin Dr. Simons, ihre behandelnde Ärztin. Können Sie mir sagen ob Sie Schmerzen haben?" Langsam nickte ich und öffnete den Mund. Mehr als ein Ächzen verließ meine Kehle nicht und mehrfach räusperte ich mich, bevor ich einen vernünftigen Satz zu Stande brachte. "Meine Hand juckt", murmelte ich und die Frau lächelte amüsiert auf mich hinunter. "Keine Sorge meine Liebe, dass ist nur die Infusionsnadel mit der wir Sie mit Schmerzmittel versorgen." Vorsichtig versuchte ich mich aufzurichten, die Ärztin hielt mich jedoch zurück. "Na na, Sie sollten noch etwas schlafen." Sie drehte sich zu meinem Beistelltisch und drückte mir ein Glas Wasser in die Hand. Gierig trank ich es aus und leerte gleich darauf ein weiteres Glas. "Wie lange habe ich geschlafen?" Die Frau blickte auf das Klemmbrett, welches zu meinen Füßen am Ende des Betres befestigt war. "Sie wurden gestern Nacht auf heute eingeliefert. Vor ein paar Stunden. Sie wurden mit mehreren Stichverletzungen eingeliefert. Die Wunde an Ihrer Schulter ist nicht weiter schlimm, was die Wunde im Bereich des Abdomen betrifft hatten Sie weitaus mehr Glück. Die Klinge mit welcher Sie verletzt wurden, hätte Sie durchaus töten können. Blutungen in diesem Bereich können lebensgefährlich sein, je nach dem, welche Blutgefäße und Organe verletzt wurden. In Ihrem Fall wurden Organe nicht oder nur leicht in Mitleidenschaft gezogen. Was uns mehr Sorgen bereitete waren die inneren Blutungen, die wir erst sehr spät entdeckten. Glücklicherweise konnten wir betreffende Gefäße flicken, natürlich müssen Sie noch einige Zeit zur Beobachtung hier bleiben. Wir hoffen natürlich das alles gut geht, sicher können wir erst nach dieser Woche sein, dass sich die Wunden nicht mehr öffnen und Sie entgültig außer Gefahr sind", beendete die Frau die Ausführung meiner Verletzungen. Ich schloss die Augen und versuchte mir nicht vorzustellen, wie sich eine riesige Blutlaache in meinem Bauchraum bildete, die mich jede Minuten, unbemerkt vom ärztlichen Personal, umbringen könnte. "Vielen Dank auch", grummelte ich und seufzte. Wenigstens hielten sich die Schmerzen noch in Grenzen. Die Ärztin lachte leise und tätschelte meinen Arm und lächelte mich milde an. "Sie werden schon wieder. Ihre Kollegen haben mir erzählt was für eine Kämpferin Sie sind." Schnell riß ich meine Augen auf und sah sie verwirrt an. "Sie sind hier? Kann ich mit ihnen sprechen?" Sie nickte und begutachtete noch einmal den Infusionsbeutel zu meiner Rechten. "Ich schicke sie gleich zu Ihnen. Aber überanstrengen Sie sich nicht. Länger als 20 Minuten kann ich Ihnen leider nicht zumuten." Eifrig nickte ich. "Dankeschön, wirklich." Mit einem freundlichen Zwinkern verschwand die Ärztin und ließ mich alleine zurück.
Fragen formten sich in meinem Kopf.
Was war passiert? Hatte ich Lester getötet? Was war mit Reid geschehen? Ging es ihm gut? Was, wieviel wusste das Team? Sollte ich ihnen alles erzählen? Meine Geschichte, ihnen die Narben zeigen? Bevor ich auch nur die Fragen sortiert hatte, klopfte es zaghaft an der Tür und ich wappnete mich gegen die Fragen die ohne Zweifel auf mich einprasseln würden. Allein der Gedanke an diesen merkwürdigen Traum von mir, dem Friedhof und dem Team gab mir die Zuversicht, die Sicherheit, dass ich dem Team alles erzählen konnte, mich nicht mehr verstecken müsste.

Leicht drehte ich meinen Kopf in Richtung der Zimmertür und erblickte den blonden Haarschopf der technischen Analystin, die schüchtern ihrem Kopf durch die Tür schob. "Können wir hereinkommen?", fragte sie und ich nickte kurz. Als sie eintrat und ich sah, wie sie in ihrem, wie immer, fröhlich-schrägen Outfit in den strahlendsten Farben so verlorend neben meinem Bett stand und in ihren Händen ein Taschentuch maltretierte, war ich es, der Tränen in die Augen traten. Garcia sah aus, als würde sie nicht wissen wohin mit sich und ihrem Blick. Sie sah erst mich an, wandte dann aber schnell den Blick von den Verbänden und sah aus dem Fenster, während sie das Taschentuch weiterhin zusammen knüllte. "Garcia", flüsterte ich und erst jetzt sah sie mir in die Augen. "Ja...?" Ihre Stimmer war erstickt, in ihren Augen sammelten sich sie Tränen. Als sie überliefen nahm sie rasch ihre Brille hinunter und fuhr sich schnell über die Augenwinkel. "Und ich hab' mir doch fest vorgenommen nicht zu weinen..." Unsicher grinste sie und auch ich blinzelte mir verstohlen das Wasser aus den Augen. Es wollte mir nicht so recht gelingen und so hielten wir uns am Ende lachend und weinend in den Armen, so gut es zwischen Bettdecke, Kabeln und Schläuchen eben ging. Sie ließ mich los und ich kuschelte mich zurück in mein Kissen. Noch einmal schnäuzte sie in das Taschentuch und sah mich dann ernst an. "Niemand wird hiervon erfahren!" Drohend hob sie dem Zeigefinger, tätschelte dann jedoch meine Hand und wandte sich zum gehen. Ihre Hand lag auf der silbernen Klinke, als sie sich umdrehte und mich ansah. "Tu uns soetwas nicht noch einmal an, Lillyanne. Bitte." Mit diesen Worten verschwand sie und schloß die Tür hinter sich. Ich fühlte mich schlecht. Nicht nur körperlich, da sich die Schmerzen langsam aber sicher meldeten, nein, sondern auch, weil es diese Leere in meinem Inneren gab. Diese Leere die sich wie ein Staudamm mit Schuldgefühlen füllen ließ. Ja, ich gab mir die Schuld für Garcias Tränen. Für die Trauer die sie durchstand, für das Leid. Trübsal überschwemmte mich und drückte mich nieder. Ich wusste nicht, ob ich den Rest des Teams sehen wollte. Erschöpft zog ich meine Bettdecke etwas höher, bis unter mein Kinn und starrte an die Decke.
Solange, bis sich die graue Tür erneut öffnete und diesesmal drei Personen einließ.

Vor mir tauchten die Gesichter von JJ, Emily und Morgan auf. Die beiden Frauen stellten sich auf meine linke Seite, während Morgan sich zu meiner rechten positionierte und mich anlächelte. "Hey, wie geht es dir?", fragte er und ich hob langsam den ausgestreckten Daumen. Meiner Stimme traute ich nicht mehr. "Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Wir dachten schon du würdest verpassen, wenn JJ endlich Mama wird." Mein Blick glitt von Emily zu JJ. Sie war tatsächlich noch runder geworden. Und doch bildschön wie immer. Als sie meinen Blick bemerkte grinste sie und fuhr sich sanft über den gewölbten Bauch. "Stimmt, es ist bald soweit." Sie griff nach meiner Hand und drückte sie. "Wir sind froh das du wohl auf bist. Du hast es dem Mistkerl ganz schön gezeigt." Mehr als ein Verziehen der Mundwinkel brachte ich nicht zustanden. Zeitgleich drehten wir unsere Köpfe, als die Zimmertür ein weiteres Mal aufging und Spencers Lockenkopf auftauchte. "Oh, entschuldigt bitte, ich wollte nicht stören." Morgan lachte und winkte Reid näher heran. "Wenn hier jemand stört, dann sind wir das. JJ möchte sich bestimmt ausruhen. Emily, wie wäre es mit Kaffee?" Grinsend schob Morgan die beiden Frauen hinaus. Ihre schelmisch funkelnden Blicke entgingen mir nicht. Morgan zwinkerte mir zu und ließ mich dann mit Reid alleine. Dieser stand unbeholfen am Ende meines Bettes und kratzte sich am Kopf. Eine peinliche Stille setzte ein, in der er an dem Gurt seiner Tasche fummelte und ich mich räusperte und nicht wusste, wohin ich sehen sollte.
"Es tut mir Leid", "Reid, hör zu...", murmelten wir gleichzeitig und er fuhr sich verlegend lächelnd durch die krausen Haare. "Bitte...", forderte er mich auf. Leicht klopfte ich auf die Kante meiner Matratze, als Zeichen, dass er sich ruhig setzen konnte.
Das würde mehr als ein flüchtiges Gespräch werden. Ich wusste, dass ich mir nun endlich alles von der Seele reden musste. Ich hatte keine andere Wahl, als Reid alles zu erzählen. Jedes Detail, sonst würde es, dass wusste ich, für immer zwischen uns stehen. Und das war das Letzte was ich wollte.
Ich blickte in die wunderschönen braunen Augen und ich spürte seine weiche Hand auf meiner, als würde er mich ermutigen wollen, endlich meinen Mund aufzumachen. Leicht drückte ich seine schlanken Finger und holte tief Luft.

Das hier würde mir einiges an Kraft abverlangen.
Es würde nicht einfach so dahergesagt sein, wie bei unserem letzten Gespräch. Diesesmal hatten wir alle Zeit der Welt. Wir würden sie uns nehmen.

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